Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.mehr. Namentlich die schwereren Kvrperverstümmelungen, die in dem Strafrechte Eine gewöhnliche und sehr beliebte Manier, sich seiner Sträflinge zu ent¬ Die Venetianer kümmerten sich nicht darum, ob das Verbrechen, welches Der Versand der Sträflinge und überhaupt das ganze Geschäft wurde mehr. Namentlich die schwereren Kvrperverstümmelungen, die in dem Strafrechte Eine gewöhnliche und sehr beliebte Manier, sich seiner Sträflinge zu ent¬ Die Venetianer kümmerten sich nicht darum, ob das Verbrechen, welches Der Versand der Sträflinge und überhaupt das ganze Geschäft wurde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0006" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147653"/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4"> mehr. Namentlich die schwereren Kvrperverstümmelungen, die in dem Strafrechte<lb/> früherer Zeiten eine fo gewaltige Rolle gespielt, waren allmählich fast ganz<lb/> außer Gebrauch gekommen. Mit Geldbußen, Stadt- oder Landesverweisung,<lb/> kürzerem Einsperren, Prügeln, an den Pranger stellen und ähnlichem ließ sich<lb/> aber gerade den berufsmäßigen Verbrechern gegenüber, die wir jetzt meist im<lb/> Zuchthause unschädlich zu machen Pflegen, wenig ausrichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_6"> Eine gewöhnliche und sehr beliebte Manier, sich seiner Sträflinge zu ent¬<lb/> ledigen, war die, daß man sie unter die Soldaten steckte; insbesondere halste man<lb/> recht böse Kerle gern fremden Werbern auf. Allein auch diese wurden leicht<lb/> wählerisch, sowie sichs um berufsmäßige Diebe und Räuber handelte, und vor<lb/> allem die preußischen Werber, die im Verhältniß wohl das meiste Menschen¬<lb/> material verschlangen, bewiesen sich in der Regel in diesem Falle spröde. So<lb/> kam es, daß es an vielen Orten fortwährend Vorräthe von Missethätern gab,<lb/> mit denen man nicht wußte wohin. Sie zu hängen oder zu köpfen scheute man<lb/> sich, sie einfach ausstäupen und fortjagen wollte man nicht, und Platz sie ge¬<lb/> fangen zu halten hatte man nicht. Da kann es denn nicht Wunder nehmen,<lb/> wenn die venetianischen Agenten, die sich in den süddeutschen Landen nach Ga-<lb/> leerensclaven umthaten, oft den Obrigkeiten als Retter aus arger Verlegenheit<lb/> erschienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_7"> Die Venetianer kümmerten sich nicht darum, ob das Verbrechen, welches<lb/> die betreffende Person verübt, nach dem militärischen Code d'Horreur ein ehr¬<lb/> liches oder unehrliches gewesen; wenn der Mann nnr Kraft genug zum Rudern<lb/> besaß, so war er brauchbar. Ueberdies zahlte die Republik je nach ihrem Be¬<lb/> dürfniß einen größeren oder geringeren Preis für jeden tüchtigen Sträfling,<lb/> zum allermindesten die Transportkosten bis Venedig. Ein venetianischer Agent<lb/> berichtet z. B. am 13. September 1737, daß man damals dem Erzbischof von<lb/> Salzburg für einen Mann bis Pontebba geliefert 35 Dukaten zahlte. Andere<lb/> deutsche Fürsten erhielten nach derselben Quelle für das Stück bis Primolano<lb/> 34 Dukaten, für Lieferung bis Venedig selbst 42 Dukaten. Diese Summen<lb/> überstiegen die wirklichen Transportkosten um ein Beträchtliches. Für die Unter¬<lb/> nehmer fiel also, zumal in dein Falle, daß eine größere Anzahl von Sträf¬<lb/> lingen zusammengebracht werdeu kounte, ein hübscher Gewinn ab, den bei den<lb/> kleinlichen und armseligen Verhältnissen des damaligen deutschen Lebens selbst<lb/> anständigere Regierungen oft nicht verschmähten. Indeß, es war nicht schnöder<lb/> Geldgewinn, was man bei diesem Handel suchte — das Geld war nicht un¬<lb/> willkommen, doch nahm man es nur nebenbei — die Hauptsache blieb immer,<lb/> daß man seine Verbrecher loswürde. Und für die meisten süddeutschen Länder<lb/> wenigstens gab es in der That wohl kaum ein bequemeres Mittel als dieses.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> Der Versand der Sträflinge und überhaupt das ganze Geschäft wurde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0006]
mehr. Namentlich die schwereren Kvrperverstümmelungen, die in dem Strafrechte
früherer Zeiten eine fo gewaltige Rolle gespielt, waren allmählich fast ganz
außer Gebrauch gekommen. Mit Geldbußen, Stadt- oder Landesverweisung,
kürzerem Einsperren, Prügeln, an den Pranger stellen und ähnlichem ließ sich
aber gerade den berufsmäßigen Verbrechern gegenüber, die wir jetzt meist im
Zuchthause unschädlich zu machen Pflegen, wenig ausrichten.
Eine gewöhnliche und sehr beliebte Manier, sich seiner Sträflinge zu ent¬
ledigen, war die, daß man sie unter die Soldaten steckte; insbesondere halste man
recht böse Kerle gern fremden Werbern auf. Allein auch diese wurden leicht
wählerisch, sowie sichs um berufsmäßige Diebe und Räuber handelte, und vor
allem die preußischen Werber, die im Verhältniß wohl das meiste Menschen¬
material verschlangen, bewiesen sich in der Regel in diesem Falle spröde. So
kam es, daß es an vielen Orten fortwährend Vorräthe von Missethätern gab,
mit denen man nicht wußte wohin. Sie zu hängen oder zu köpfen scheute man
sich, sie einfach ausstäupen und fortjagen wollte man nicht, und Platz sie ge¬
fangen zu halten hatte man nicht. Da kann es denn nicht Wunder nehmen,
wenn die venetianischen Agenten, die sich in den süddeutschen Landen nach Ga-
leerensclaven umthaten, oft den Obrigkeiten als Retter aus arger Verlegenheit
erschienen.
Die Venetianer kümmerten sich nicht darum, ob das Verbrechen, welches
die betreffende Person verübt, nach dem militärischen Code d'Horreur ein ehr¬
liches oder unehrliches gewesen; wenn der Mann nnr Kraft genug zum Rudern
besaß, so war er brauchbar. Ueberdies zahlte die Republik je nach ihrem Be¬
dürfniß einen größeren oder geringeren Preis für jeden tüchtigen Sträfling,
zum allermindesten die Transportkosten bis Venedig. Ein venetianischer Agent
berichtet z. B. am 13. September 1737, daß man damals dem Erzbischof von
Salzburg für einen Mann bis Pontebba geliefert 35 Dukaten zahlte. Andere
deutsche Fürsten erhielten nach derselben Quelle für das Stück bis Primolano
34 Dukaten, für Lieferung bis Venedig selbst 42 Dukaten. Diese Summen
überstiegen die wirklichen Transportkosten um ein Beträchtliches. Für die Unter¬
nehmer fiel also, zumal in dein Falle, daß eine größere Anzahl von Sträf¬
lingen zusammengebracht werdeu kounte, ein hübscher Gewinn ab, den bei den
kleinlichen und armseligen Verhältnissen des damaligen deutschen Lebens selbst
anständigere Regierungen oft nicht verschmähten. Indeß, es war nicht schnöder
Geldgewinn, was man bei diesem Handel suchte — das Geld war nicht un¬
willkommen, doch nahm man es nur nebenbei — die Hauptsache blieb immer,
daß man seine Verbrecher loswürde. Und für die meisten süddeutschen Länder
wenigstens gab es in der That wohl kaum ein bequemeres Mittel als dieses.
Der Versand der Sträflinge und überhaupt das ganze Geschäft wurde
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