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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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und Joseph Walter gestanden. Albert Keller, geboren 1840 zu Gais in der
Schweiz, widmete sich anfangs dem Studium der Philosophie und der Rechts¬
wissenschaft, ging dann aber zur Kunst über und schloß sich auf der Münchener
Akademie an Ramberg an. Wie dieser, cultivierte er das Salonbild, wich aber
in der Technik so sehr von seinem Meister ab, daß man sich kaum einen schär¬
fern Gegensatz denken kann als den zwischen der klaren malerischen Ausdrucks¬
weise Rambergs, die bei gleichmäßiger freundlicher Beleuchtung nichts unbe¬
stimmtes zuläßt, und der kecken Skizzenhaftigkeit Kellers, welche auf die pikan¬
testen Lichteffecte ausgeht. Was er malt, ist nicht von Belang: junge Damen,
die am Klavier sitzen, lesen oder mit ihrer Toilette beschäftigt sind, ein Rendez¬
vous im Park bei Mondenschein, eine Landpartie im Walde u. tgi. in. In der
malerischen Ausführung liegt der eigenthümlich prickelnde Reiz seiner kaum
spannenlangen Figürchen, die sich gewöhnlich von einem dunklen, schummrigen
Hintergrunde abheben. Die Roben der Damen sind auch malerisch so capriciös
behandelt, wie es die Mode will, und diese technische Behandlung wird auch
dann noch eine Anziehungskraft behalten, wenn die Actualität der Mode'längst
vorüber ist. Bisweilen versinkt dieses skizzenhafte Festhalten des farbigen Ge-
sammteindrucks freilich in geniale/i Lüderlichkeit; aber auch dann noch ist es
eine originelle Künstlerphysiognomie, welche uns aus den merkwürdigen Klein¬
malereien entgegenblickt.

Joseph Walter aus Regensburg, der sich an der Münchener Akademie
unter Philipp Foltz und später unter Ramberg gebildet hat, folgte anfangs in
seinen Bildern nach Sagen und Märchen (das Rosenwunder der Hi. Elisabeth;
Aschenbrödel) der romantischen Richtung, ging dann aber zum Genre über,
welches er in der Art Rambergs mit großer Vorliebe für elegante junge Damen
und für heiteres Sonnenlicht und mit leichter humoristischer Färbung behan¬
delte. "Auf dein Lande", "Sonst und jetzt am Starnberger See' und die
"Fahrt irn Stellwagen" haben unter diesen Bildern den größten Beifall gefun¬
den. In den letzten Jahren hat Walter auch Lessings "Emilin Galotti" und die
Uebersetzungen Schillers, der "Parasit" und der "Neffe als Onkel", illustriert und
dabei eine feine Empfindung für die Grazie des Rococozeitalters gezeigt.

Enger verwandt mit der eleganten Auffassungs- und Darstellungsweise
Rambergs als seine beiden Schüler ist Theodor Pixis, geboren den 1. Juli
183l in Kaiserslautern. Wie Keller, kam auch er von der Rechtswissenschaft
zur Kunst, die er von 1852--1856 unter der Leitung von PH. Foltz und
W- v. Kaulbach an der Münchener Akademie studierte. Letzterer gewann einen
entscheidenden Einfluß auf ihn, der sich namentlich in seinen ersten Historien¬
bildern (1856 "Huß' Abschied von seinen Freunden" im Bundespalast zu Bern,
1860 -1862 "Krönung Karls X. von Schweden," "Uebergang über den Best,"


und Joseph Walter gestanden. Albert Keller, geboren 1840 zu Gais in der
Schweiz, widmete sich anfangs dem Studium der Philosophie und der Rechts¬
wissenschaft, ging dann aber zur Kunst über und schloß sich auf der Münchener
Akademie an Ramberg an. Wie dieser, cultivierte er das Salonbild, wich aber
in der Technik so sehr von seinem Meister ab, daß man sich kaum einen schär¬
fern Gegensatz denken kann als den zwischen der klaren malerischen Ausdrucks¬
weise Rambergs, die bei gleichmäßiger freundlicher Beleuchtung nichts unbe¬
stimmtes zuläßt, und der kecken Skizzenhaftigkeit Kellers, welche auf die pikan¬
testen Lichteffecte ausgeht. Was er malt, ist nicht von Belang: junge Damen,
die am Klavier sitzen, lesen oder mit ihrer Toilette beschäftigt sind, ein Rendez¬
vous im Park bei Mondenschein, eine Landpartie im Walde u. tgi. in. In der
malerischen Ausführung liegt der eigenthümlich prickelnde Reiz seiner kaum
spannenlangen Figürchen, die sich gewöhnlich von einem dunklen, schummrigen
Hintergrunde abheben. Die Roben der Damen sind auch malerisch so capriciös
behandelt, wie es die Mode will, und diese technische Behandlung wird auch
dann noch eine Anziehungskraft behalten, wenn die Actualität der Mode'längst
vorüber ist. Bisweilen versinkt dieses skizzenhafte Festhalten des farbigen Ge-
sammteindrucks freilich in geniale/i Lüderlichkeit; aber auch dann noch ist es
eine originelle Künstlerphysiognomie, welche uns aus den merkwürdigen Klein¬
malereien entgegenblickt.

Joseph Walter aus Regensburg, der sich an der Münchener Akademie
unter Philipp Foltz und später unter Ramberg gebildet hat, folgte anfangs in
seinen Bildern nach Sagen und Märchen (das Rosenwunder der Hi. Elisabeth;
Aschenbrödel) der romantischen Richtung, ging dann aber zum Genre über,
welches er in der Art Rambergs mit großer Vorliebe für elegante junge Damen
und für heiteres Sonnenlicht und mit leichter humoristischer Färbung behan¬
delte. „Auf dein Lande", „Sonst und jetzt am Starnberger See' und die
„Fahrt irn Stellwagen" haben unter diesen Bildern den größten Beifall gefun¬
den. In den letzten Jahren hat Walter auch Lessings „Emilin Galotti" und die
Uebersetzungen Schillers, der „Parasit" und der „Neffe als Onkel", illustriert und
dabei eine feine Empfindung für die Grazie des Rococozeitalters gezeigt.

Enger verwandt mit der eleganten Auffassungs- und Darstellungsweise
Rambergs als seine beiden Schüler ist Theodor Pixis, geboren den 1. Juli
183l in Kaiserslautern. Wie Keller, kam auch er von der Rechtswissenschaft
zur Kunst, die er von 1852—1856 unter der Leitung von PH. Foltz und
W- v. Kaulbach an der Münchener Akademie studierte. Letzterer gewann einen
entscheidenden Einfluß auf ihn, der sich namentlich in seinen ersten Historien¬
bildern (1856 „Huß' Abschied von seinen Freunden" im Bundespalast zu Bern,
1860 -1862 „Krönung Karls X. von Schweden," „Uebergang über den Best,"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/554>, abgerufen am 28.12.2024.