Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.in Berlin haben im Geiste dieser Reuaissaucearbeiteu seit wenigen Jahren viele Unter den Goldschmieden, die für Herzog Albrecht V. arbeiteten, wird auch Es war nicht bloß das Symbol der Reinheit, Keuschheit und Jungfräu¬ Die Lust und Freude an Raritäten ist ein wesentlicher Charakterzug des in Berlin haben im Geiste dieser Reuaissaucearbeiteu seit wenigen Jahren viele Unter den Goldschmieden, die für Herzog Albrecht V. arbeiteten, wird auch Es war nicht bloß das Symbol der Reinheit, Keuschheit und Jungfräu¬ Die Lust und Freude an Raritäten ist ein wesentlicher Charakterzug des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148164"/> <p xml:id="ID_1375" prev="#ID_1374"> in Berlin haben im Geiste dieser Reuaissaucearbeiteu seit wenigen Jahren viele<lb/> neue Entwürfe mit starker Betonung der Farbe geschaffen, und die Berliner<lb/> Juweliere, die eine Zeit lang stark zurückgekommen waren, haben sich mit großer<lb/> Lebhaftigkeit dieser Vorbilder bemächtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376"> Unter den Goldschmieden, die für Herzog Albrecht V. arbeiteten, wird auch<lb/> Hans Reimer genannt. Die Schatzkammer besitzt von ihm einen goldnen<lb/> Deckelkrug mit Henkel, dessen Bauch und Deckel mit Platten aus Rhinoceros-<lb/> horn belegt ist. Auch dieses seltene Prachtstück findet sich in dem Fideieommiß-<lb/> inventar des Herzogs mit folgenden Worten erwähnt: „Ein goldener Krug mit<lb/> vierzehn auf Einhorn sehr künstlich und in guter Zeichnung geschnittenen Bildern<lb/> vom Leiden Christi eingelegt und inwendig mit dergleichen das Abendmahl vor¬<lb/> stellenden Bilde und dem bairischen Wappen, versehen mit Perlen, Diamanten,<lb/> Rubinen und Smaragden." Man sieht aus dieser Beschreibung, daß die Gold¬<lb/> schmiede des 16. Jahrhunderts nicht bloß tüchtige Metallarbeiter, sondern eine<lb/> Art Tausendkünstler waren, die in allen technischen Fertigkeiten, welche bei<lb/> ihrem Handwerke jemals in Frage kommen konnten, Bescheid wußten. Der<lb/> Krug trägt übrigens die Jahreszahl 1572 und ist also auch deshalb ein wich¬<lb/> tiges Denkmal. Das Wort „Einhorn", welches im alten Inventar gebraucht<lb/> wird, bedarf einer Erklärung. Das von Aristoteles in Umlauf gesetzte Fabel¬<lb/> thier erfreute sich im Mittelalter, wie alles, was sich auf die Autorität des<lb/> griechischen Weisen stützte, eines großen Ansehens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1377"> Es war nicht bloß das Symbol der Reinheit, Keuschheit und Jungfräu¬<lb/> lichkeit — wegen seiner angeblichen Unnahbarkeit —, sondern man schrieb auch<lb/> einem Trinkgefäße, das aus seinem Horne geschnitzt war, die Fähigkeit zu, etwaiges<lb/> Gift aus einem eredenzten Tränke auszuscheiden. Daher benutzte man dieses<lb/> Material mit Vorliebe zu Pokalen und Krüger. Anfangs war es der Zahn<lb/> des Narwal, der als das Horn des fabelhaften Thieres, wohl in gutem Glau¬<lb/> ben, importiert wurde. Als dann der Seeweg nach Ostindien erschlossen wurde,<lb/> trat das Horn des Rhinoceros an seine Stelle, aber der alte Name blieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_1378" next="#ID_1379"> Die Lust und Freude an Raritäten ist ein wesentlicher Charakterzug des<lb/> Renaissancemenschen. Je seltsamer und abenteuerlicher, desto schöner — das<lb/> war damals die Devise des Sammlers, und natürlich legen die Schatzkammern<lb/> der Fürstenhöfe die umfassendsten Zeugnisse von jenem Sammeleifer ab. Die<lb/> Kuriositäten des Grünen Gewölbes suchen wohl in ganz Europa ihres Gleichen.<lb/> Auch Herzog Albrecht von Baiern folgte diesen, Zuge seiner Zeit mit Leiden¬<lb/> schaft. Manche dieser Raritäten, mehr oder weniger durch die Kunst veredelt,<lb/> bewahrt auch die Schatzkammer auf. So finden wir in dem uns vorliegenden<lb/> Hefte das unvermeidliche Straußenei als Flasche verarbeitet mit einer gothischen<lb/> Montierung aus vergoldetem Silber, ein aus Palmenholz geschnitztes Trinkge--</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
in Berlin haben im Geiste dieser Reuaissaucearbeiteu seit wenigen Jahren viele
neue Entwürfe mit starker Betonung der Farbe geschaffen, und die Berliner
Juweliere, die eine Zeit lang stark zurückgekommen waren, haben sich mit großer
Lebhaftigkeit dieser Vorbilder bemächtigt.
Unter den Goldschmieden, die für Herzog Albrecht V. arbeiteten, wird auch
Hans Reimer genannt. Die Schatzkammer besitzt von ihm einen goldnen
Deckelkrug mit Henkel, dessen Bauch und Deckel mit Platten aus Rhinoceros-
horn belegt ist. Auch dieses seltene Prachtstück findet sich in dem Fideieommiß-
inventar des Herzogs mit folgenden Worten erwähnt: „Ein goldener Krug mit
vierzehn auf Einhorn sehr künstlich und in guter Zeichnung geschnittenen Bildern
vom Leiden Christi eingelegt und inwendig mit dergleichen das Abendmahl vor¬
stellenden Bilde und dem bairischen Wappen, versehen mit Perlen, Diamanten,
Rubinen und Smaragden." Man sieht aus dieser Beschreibung, daß die Gold¬
schmiede des 16. Jahrhunderts nicht bloß tüchtige Metallarbeiter, sondern eine
Art Tausendkünstler waren, die in allen technischen Fertigkeiten, welche bei
ihrem Handwerke jemals in Frage kommen konnten, Bescheid wußten. Der
Krug trägt übrigens die Jahreszahl 1572 und ist also auch deshalb ein wich¬
tiges Denkmal. Das Wort „Einhorn", welches im alten Inventar gebraucht
wird, bedarf einer Erklärung. Das von Aristoteles in Umlauf gesetzte Fabel¬
thier erfreute sich im Mittelalter, wie alles, was sich auf die Autorität des
griechischen Weisen stützte, eines großen Ansehens.
Es war nicht bloß das Symbol der Reinheit, Keuschheit und Jungfräu¬
lichkeit — wegen seiner angeblichen Unnahbarkeit —, sondern man schrieb auch
einem Trinkgefäße, das aus seinem Horne geschnitzt war, die Fähigkeit zu, etwaiges
Gift aus einem eredenzten Tränke auszuscheiden. Daher benutzte man dieses
Material mit Vorliebe zu Pokalen und Krüger. Anfangs war es der Zahn
des Narwal, der als das Horn des fabelhaften Thieres, wohl in gutem Glau¬
ben, importiert wurde. Als dann der Seeweg nach Ostindien erschlossen wurde,
trat das Horn des Rhinoceros an seine Stelle, aber der alte Name blieb.
Die Lust und Freude an Raritäten ist ein wesentlicher Charakterzug des
Renaissancemenschen. Je seltsamer und abenteuerlicher, desto schöner — das
war damals die Devise des Sammlers, und natürlich legen die Schatzkammern
der Fürstenhöfe die umfassendsten Zeugnisse von jenem Sammeleifer ab. Die
Kuriositäten des Grünen Gewölbes suchen wohl in ganz Europa ihres Gleichen.
Auch Herzog Albrecht von Baiern folgte diesen, Zuge seiner Zeit mit Leiden¬
schaft. Manche dieser Raritäten, mehr oder weniger durch die Kunst veredelt,
bewahrt auch die Schatzkammer auf. So finden wir in dem uns vorliegenden
Hefte das unvermeidliche Straußenei als Flasche verarbeitet mit einer gothischen
Montierung aus vergoldetem Silber, ein aus Palmenholz geschnitztes Trinkge--
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