Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Bühne statt. Dies machte denn doch einigen Eindruck. Schon Ende October Natürlich wollte nun niemand die Sache veranlaßt haben; man warf die So tobt der Hader der Nationalitäten von den Karpaten bis ans Erzge¬ Bühne statt. Dies machte denn doch einigen Eindruck. Schon Ende October Natürlich wollte nun niemand die Sache veranlaßt haben; man warf die So tobt der Hader der Nationalitäten von den Karpaten bis ans Erzge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148099"/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> Bühne statt. Dies machte denn doch einigen Eindruck. Schon Ende October<lb/> war die Rede von Bildung einer Gesellschaft für deutsche Theatervorstellungen<lb/> in Pest, und als vollends anfangs November der österreichische Botschafter am<lb/> deutschen Kaiserhofe, Graf Szechenyi, in Wien und Pest erschien und — wie<lb/> erzählt wird — von dem totalen Umschlage der Stimmung in Deutschland<lb/> gegen die Magyaren berichtete, da erkannte man, daß eine Umkehr selbst um<lb/> den Preis einer großen Beschämung nicht zu theuer erkauft sei. Am 10. Novem¬<lb/> ber ertheilte Tisza dem Director Müller die Erlaubniß zu deutschen Theater¬<lb/> vorstellungen in ganz Ungarn außer Pest, und auch für dies gab die compe-<lb/> tente Behörde wenige Tage später die verweigerte Erlaubniß (16. November).</p><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Natürlich wollte nun niemand die Sache veranlaßt haben; man warf die<lb/> Schuld auf einige wenige Heißsporne — selbst der „Ellenör" — und versicherte,<lb/> niemand denke daran, die Deutschen zu unterdrücken- Wir werden uns dadurch<lb/> nicht täuschen lassen. Wir haben auch Szegedin noch nicht vergessen, wir ent¬<lb/> sinnen uns auch sehr wohl, daß, wenn ein Ungarn überhaupt noch besteht, es<lb/> dies deutscher Tapferkeit und Strömen deutschen Blutes verdankt. Die Agitation<lb/> gegen alles Nichtmagyarische, vor allein alles Deutsche geht trotzdem fort. Ge¬<lb/> sinnungstüchtige Magyaren thun sich in nichtmagyarischen Städten zusammen,<lb/> um nur magyarisch zu sprechen und verpönen jeden deutschen Laut; gegen die<lb/> Armee, deren Offiziercorps meist deutsch ist, so wie das ganze Commando<lb/> deutsch ist, wird ununterbrochen gehetzt, und die beklagenswerthe Säbelasfaire<lb/> zu Klausenburg ist mindestens ebenso durch magyarischen Uebermuth wie durch<lb/> die Leidenschaftlichkeit der beiden Offiziere verschuldet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> So tobt der Hader der Nationalitäten von den Karpaten bis ans Erzge¬<lb/> birge. Dies kann kein Unbefangener mehr verkennen: die Versöhnungspolitik<lb/> des Ministeriums Taaffe hat ihn nicht beschwichtigt, sondern gesteigert, weil sie<lb/> von der fehr humanen Anschauung ausging, die nichtdeutschen Nationalitäten<lb/> auf dem Boden der Verfassung durch Zugeständnisse zu gewinnen, die sie nicht<lb/> befriedigten, sondern ihre Begehrlichkeit nur noch mehr anstachelten. Dadurch<lb/> erst, nicht durch die Concessionen an sich, droht der Verfassung und der natür¬<lb/> lichen Stellung des Deutschthums Gefahr. Wir Deutschen im Reiche können<lb/> an diesem Streite im Schooße der befreundeten Nachbarmacht keinen praktischen<lb/> Antheil nehmen, aber wir können eben so wenig ihm gegenüber gleichgiltig bleiben.<lb/> Jeder Gedanke, die Westhälfte Oesterreichs etwa für uns zu gewinnen, muß<lb/> ernsthaften Politikern fern liegen. Auch in Deutsch-Oesterreich bricht höchstens<lb/> in Stunden der Verstimmung ein Wunsch derart durch — auf dem Parteitage<lb/> in Wien wurde ein Flugblatt vertheilt', welches ein Verfassungsbündniß mit<lb/> dem deutschen Reiche forderte und gänzliche Trennung von Ungarn — nüchterne<lb/> Ueberlegung kann das für eine absehbare Zukunft nicht wollen. Die Mission</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0452]
Bühne statt. Dies machte denn doch einigen Eindruck. Schon Ende October
war die Rede von Bildung einer Gesellschaft für deutsche Theatervorstellungen
in Pest, und als vollends anfangs November der österreichische Botschafter am
deutschen Kaiserhofe, Graf Szechenyi, in Wien und Pest erschien und — wie
erzählt wird — von dem totalen Umschlage der Stimmung in Deutschland
gegen die Magyaren berichtete, da erkannte man, daß eine Umkehr selbst um
den Preis einer großen Beschämung nicht zu theuer erkauft sei. Am 10. Novem¬
ber ertheilte Tisza dem Director Müller die Erlaubniß zu deutschen Theater¬
vorstellungen in ganz Ungarn außer Pest, und auch für dies gab die compe-
tente Behörde wenige Tage später die verweigerte Erlaubniß (16. November).
Natürlich wollte nun niemand die Sache veranlaßt haben; man warf die
Schuld auf einige wenige Heißsporne — selbst der „Ellenör" — und versicherte,
niemand denke daran, die Deutschen zu unterdrücken- Wir werden uns dadurch
nicht täuschen lassen. Wir haben auch Szegedin noch nicht vergessen, wir ent¬
sinnen uns auch sehr wohl, daß, wenn ein Ungarn überhaupt noch besteht, es
dies deutscher Tapferkeit und Strömen deutschen Blutes verdankt. Die Agitation
gegen alles Nichtmagyarische, vor allein alles Deutsche geht trotzdem fort. Ge¬
sinnungstüchtige Magyaren thun sich in nichtmagyarischen Städten zusammen,
um nur magyarisch zu sprechen und verpönen jeden deutschen Laut; gegen die
Armee, deren Offiziercorps meist deutsch ist, so wie das ganze Commando
deutsch ist, wird ununterbrochen gehetzt, und die beklagenswerthe Säbelasfaire
zu Klausenburg ist mindestens ebenso durch magyarischen Uebermuth wie durch
die Leidenschaftlichkeit der beiden Offiziere verschuldet.
So tobt der Hader der Nationalitäten von den Karpaten bis ans Erzge¬
birge. Dies kann kein Unbefangener mehr verkennen: die Versöhnungspolitik
des Ministeriums Taaffe hat ihn nicht beschwichtigt, sondern gesteigert, weil sie
von der fehr humanen Anschauung ausging, die nichtdeutschen Nationalitäten
auf dem Boden der Verfassung durch Zugeständnisse zu gewinnen, die sie nicht
befriedigten, sondern ihre Begehrlichkeit nur noch mehr anstachelten. Dadurch
erst, nicht durch die Concessionen an sich, droht der Verfassung und der natür¬
lichen Stellung des Deutschthums Gefahr. Wir Deutschen im Reiche können
an diesem Streite im Schooße der befreundeten Nachbarmacht keinen praktischen
Antheil nehmen, aber wir können eben so wenig ihm gegenüber gleichgiltig bleiben.
Jeder Gedanke, die Westhälfte Oesterreichs etwa für uns zu gewinnen, muß
ernsthaften Politikern fern liegen. Auch in Deutsch-Oesterreich bricht höchstens
in Stunden der Verstimmung ein Wunsch derart durch — auf dem Parteitage
in Wien wurde ein Flugblatt vertheilt', welches ein Verfassungsbündniß mit
dem deutschen Reiche forderte und gänzliche Trennung von Ungarn — nüchterne
Ueberlegung kann das für eine absehbare Zukunft nicht wollen. Die Mission
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