Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.ständige Kenntniß der magyarischen Literatur und Sprache bis zur Fertigkeit In diesem Zusammenhange kaun die berüchtigte Theateraffaire nicht mehr ständige Kenntniß der magyarischen Literatur und Sprache bis zur Fertigkeit In diesem Zusammenhange kaun die berüchtigte Theateraffaire nicht mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148097"/> <p xml:id="ID_1194" prev="#ID_1193"> ständige Kenntniß der magyarischen Literatur und Sprache bis zur Fertigkeit<lb/> angeeignet hätten (was bei den großen Schwierigkeiten dieses Studiums für<lb/> Deutsche, Slaven oder Romanen den größten Theil ihrer Universitätszeit in<lb/> Anspruch nehmen dürfte), ferner, daß an allen Mittelschulen das Magyarische bis<lb/> zu voller Geläufigkeit gelehrt werde. Der entschlossene Widerstand, welchen diesem<lb/> EntWurfe die bedrohten Körperschaften entgegensetzten, erzwang zunächst seine<lb/> Vertagung; er würde den Bildungsstand aller dieser Anstalten tief Herabdrücken,<lb/> weil sie gezwungen sein würden, eine ganz unverhältnißmäßige Zeit auf eine<lb/> unnütze Sprache zu verwenden. Und doch droht dasselbe Schicksal jetzt sogar<lb/> den Volksschulen, von denen gegen 14000 von den autonomen Kirchengenvssen-<lb/> schaften und Gemeinden, nur 141 vom Staate erhalten werden. Schon i. I.<lb/> 1879 ging ein Gesetz durch des Inhalts, daß vom 30. Juni 1882 ab kein Volks¬<lb/> schullehrer angestellt werde, der des Magyarischen nicht völlig mächtig sei und<lb/> daß in jeder Volksschule das Magyarische einen obligatorische!: Unterrichtsgegen¬<lb/> stand bilde. Wir leben der fröhlichen Zuversicht, daß die romanischen, slavischen<lb/> und deutschen Kiuder, die man so mit dem Magyarischen beglücken will, wenig<lb/> davon lernen und das Gelernte schleunigst wieder vergessen werden; aber welche<lb/> ganz unnütze und unberechtigte Quälerei wird damit Lehrern und Schülern<lb/> aufgebürdet! Magyarisiert werden trotz alledem die anderssprachigen Nationen<lb/> nicht, wohl aber in ihrer Bildung zurückgebracht. Die Folgen werden auf<lb/> Ungarn fallen, das, jemehr es sich absperrt von deutscher Bildung, desto weni¬<lb/> ger coneurrenzfähig werden wird. Ja die Anzeichen schwerer Vergeltung sind schon<lb/> da, denn die Verwirrung und Korruption in der ungarischen Verwaltung sucht<lb/> ihres gleichen, und die vielgerühmte „politische Reife" der Magyaren scheint nicht<lb/> auszureichen, um ein Land zu regieren, das sie vollständig in ihre Hände ge¬<lb/> bracht haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1195" next="#ID_1196"> In diesem Zusammenhange kaun die berüchtigte Theateraffaire nicht mehr<lb/> befremden. In Pest bestand selbst unter Kossuth ein deutsches Theater. Als<lb/> dies abbrannte, wurde „auf höhern Befehl" ein neues im alten Redoutenge-<lb/> bäude eingerichtet und auch von der österreichischen Regierung unterstützt. Später<lb/> entstand ein neues „Jnterimstheater" auf dem Elisabethplatze, und als dies 5in<lb/> I. I.867, angeblich !wegen Baufälligkeit, aus Befehl der magyarisierten Stadt'<lb/> Vertretung abgebrochen worden, wurde nach harten Kämpfen die Erlaubniß zum<lb/> Bau eines neuen Theaters auf der Wollgasse ertheilt. Dies ging dann 1879<lb/> bei der Zwangsversteigeruug für 77 000 si. in die Hände der Wiener Boden-<lb/> ereditanstalt über, die nun in der festen Zuversicht, daß die ablaufende Con¬<lb/> cession anstandslos erneuert werden würde, 42 000 si. auf eine stattliche Reno¬<lb/> vierung verwandte und dasselbe für 15000 si. jährlich auf drei Jahre an den<lb/> Director Müller verpachtete. Dieser wollte am 26. September d. I. die Vor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
ständige Kenntniß der magyarischen Literatur und Sprache bis zur Fertigkeit
angeeignet hätten (was bei den großen Schwierigkeiten dieses Studiums für
Deutsche, Slaven oder Romanen den größten Theil ihrer Universitätszeit in
Anspruch nehmen dürfte), ferner, daß an allen Mittelschulen das Magyarische bis
zu voller Geläufigkeit gelehrt werde. Der entschlossene Widerstand, welchen diesem
EntWurfe die bedrohten Körperschaften entgegensetzten, erzwang zunächst seine
Vertagung; er würde den Bildungsstand aller dieser Anstalten tief Herabdrücken,
weil sie gezwungen sein würden, eine ganz unverhältnißmäßige Zeit auf eine
unnütze Sprache zu verwenden. Und doch droht dasselbe Schicksal jetzt sogar
den Volksschulen, von denen gegen 14000 von den autonomen Kirchengenvssen-
schaften und Gemeinden, nur 141 vom Staate erhalten werden. Schon i. I.
1879 ging ein Gesetz durch des Inhalts, daß vom 30. Juni 1882 ab kein Volks¬
schullehrer angestellt werde, der des Magyarischen nicht völlig mächtig sei und
daß in jeder Volksschule das Magyarische einen obligatorische!: Unterrichtsgegen¬
stand bilde. Wir leben der fröhlichen Zuversicht, daß die romanischen, slavischen
und deutschen Kiuder, die man so mit dem Magyarischen beglücken will, wenig
davon lernen und das Gelernte schleunigst wieder vergessen werden; aber welche
ganz unnütze und unberechtigte Quälerei wird damit Lehrern und Schülern
aufgebürdet! Magyarisiert werden trotz alledem die anderssprachigen Nationen
nicht, wohl aber in ihrer Bildung zurückgebracht. Die Folgen werden auf
Ungarn fallen, das, jemehr es sich absperrt von deutscher Bildung, desto weni¬
ger coneurrenzfähig werden wird. Ja die Anzeichen schwerer Vergeltung sind schon
da, denn die Verwirrung und Korruption in der ungarischen Verwaltung sucht
ihres gleichen, und die vielgerühmte „politische Reife" der Magyaren scheint nicht
auszureichen, um ein Land zu regieren, das sie vollständig in ihre Hände ge¬
bracht haben.
In diesem Zusammenhange kaun die berüchtigte Theateraffaire nicht mehr
befremden. In Pest bestand selbst unter Kossuth ein deutsches Theater. Als
dies abbrannte, wurde „auf höhern Befehl" ein neues im alten Redoutenge-
bäude eingerichtet und auch von der österreichischen Regierung unterstützt. Später
entstand ein neues „Jnterimstheater" auf dem Elisabethplatze, und als dies 5in
I. I.867, angeblich !wegen Baufälligkeit, aus Befehl der magyarisierten Stadt'
Vertretung abgebrochen worden, wurde nach harten Kämpfen die Erlaubniß zum
Bau eines neuen Theaters auf der Wollgasse ertheilt. Dies ging dann 1879
bei der Zwangsversteigeruug für 77 000 si. in die Hände der Wiener Boden-
ereditanstalt über, die nun in der festen Zuversicht, daß die ablaufende Con¬
cession anstandslos erneuert werden würde, 42 000 si. auf eine stattliche Reno¬
vierung verwandte und dasselbe für 15000 si. jährlich auf drei Jahre an den
Director Müller verpachtete. Dieser wollte am 26. September d. I. die Vor-
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