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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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nasium in Marburg schickten, weil sie dort Gelegenheit hätten, das Deutsche sich
vollständig anzueignen, ohne doch das Slovenische, das ja auch dort gelehrt
werde, vernachlässigen zu müssen. In demselben Sinne sprach sich die Gemeinde¬
vertretung von Pettau aus. Eine entschlossene Gegenwehr that und thut hier
um so mehr noth, als die slovenischen Forderungen sich keineswegs auf die
Slovenisierung der Mittelschulen beschränken, sondern in Krain wenigstens auf
die volle Gleichberechtigung beider Landessprachen wie in Böhmen und die Ent¬
fernung aller des Slovenischen nicht mächtigen Beamten hinauslaufen, natürlich
unter dem Einflüsse des Beispiels, welches in Böhmen gegeben wurde, denn
was den Tschechen recht war, das sollte den Slovenen nicht billig sein? Dar¬
über kam es im Juli im Laibacher Landtage zu sehr erregten Scenen. Als
der Abgeordnete Socken unumwunden es aussprach, man müsse in Krain dem
Beispiele der Magyaren folgen und die deutsche Sprache hinauswerfen, womit
er Ausfälle gegen die Verfassungspartei verband, erklärte der Landeshauptmann
Kaltenegger, er habe den Redner nur deshalb nicht zur Ordnung gerufen, weil
er seine Ausfälle nicht für ernst genommen und als bloße Phrasen betrachtet
habe. Wie gefährlich aber die Befriedigung slavischer Gelüste nicht etwa nur
den Deutschen, sondern auch der Einheit des Reiches ist, bewies schneidend in
demselben Landtage der Slovene Hermann, als er bei der Budgetdebatte klagte,
man sei in Oesterreich viel zu sehr "verkaisert"; an Stelle des Kaisers müsse
überall wieder der Landesfürst treten, ein Standpunkt, den er dann im klerikal¬
feudalen "Vaterland" weiter vertreten durfte.

Begreiflicherweise blieben andere Nationalitäten hinter so leuchtenden Vor¬
bildern nicht zurück. Die galizischen Polen wollten sich keine Beamten deutscher
Abkunft gefallen lassen, auch wenn sie polnisch sprächen, forderten, daß die Ver¬
waltung der galizischen Transversalbahn nur polnisch amtiere, dieselben Polen,
die sich bitter über die Russificierungsbestrebungen im Weichsellande beschweren.
Auch im Landtage der Bukowina, wo Ruthenen, Rumänen und Deutsche bunt
durcheinanderwohnen, ergingen sich rumänische Abgeordnete in leidenschaftlichen
Ausfällen gegen das Deutsche als Unterrichtssprache in den Schulen des Kron¬
landes (15. Juli).

Allerorten kehrten so die Slaven lihren "nationalen" Standpunkt hervor.
War nun schon die Sprachenverordnung nicht ohne Antwort von deutscher Seite
geblieben, die aber der Natur der Sache nach im wesentlichen von den Deut¬
schen Böhmens und Mährens ausging, so erregten diese fortgesetzten Agitationen
und Versetzungen allmählich eine Bewegung unter allen Deutschen Oesterreichs,
die keinen Zweifel darüber übrig ließ, daß sie ihr nationales Bewußtsein, ihren
deutschen Stolz wiedergefunden. Allen andern Nationen sollte es erlaubt sein,
national zu empfinden, nur den Deutschen nicht? Den Magyaren ließ man


nasium in Marburg schickten, weil sie dort Gelegenheit hätten, das Deutsche sich
vollständig anzueignen, ohne doch das Slovenische, das ja auch dort gelehrt
werde, vernachlässigen zu müssen. In demselben Sinne sprach sich die Gemeinde¬
vertretung von Pettau aus. Eine entschlossene Gegenwehr that und thut hier
um so mehr noth, als die slovenischen Forderungen sich keineswegs auf die
Slovenisierung der Mittelschulen beschränken, sondern in Krain wenigstens auf
die volle Gleichberechtigung beider Landessprachen wie in Böhmen und die Ent¬
fernung aller des Slovenischen nicht mächtigen Beamten hinauslaufen, natürlich
unter dem Einflüsse des Beispiels, welches in Böhmen gegeben wurde, denn
was den Tschechen recht war, das sollte den Slovenen nicht billig sein? Dar¬
über kam es im Juli im Laibacher Landtage zu sehr erregten Scenen. Als
der Abgeordnete Socken unumwunden es aussprach, man müsse in Krain dem
Beispiele der Magyaren folgen und die deutsche Sprache hinauswerfen, womit
er Ausfälle gegen die Verfassungspartei verband, erklärte der Landeshauptmann
Kaltenegger, er habe den Redner nur deshalb nicht zur Ordnung gerufen, weil
er seine Ausfälle nicht für ernst genommen und als bloße Phrasen betrachtet
habe. Wie gefährlich aber die Befriedigung slavischer Gelüste nicht etwa nur
den Deutschen, sondern auch der Einheit des Reiches ist, bewies schneidend in
demselben Landtage der Slovene Hermann, als er bei der Budgetdebatte klagte,
man sei in Oesterreich viel zu sehr „verkaisert"; an Stelle des Kaisers müsse
überall wieder der Landesfürst treten, ein Standpunkt, den er dann im klerikal¬
feudalen „Vaterland" weiter vertreten durfte.

Begreiflicherweise blieben andere Nationalitäten hinter so leuchtenden Vor¬
bildern nicht zurück. Die galizischen Polen wollten sich keine Beamten deutscher
Abkunft gefallen lassen, auch wenn sie polnisch sprächen, forderten, daß die Ver¬
waltung der galizischen Transversalbahn nur polnisch amtiere, dieselben Polen,
die sich bitter über die Russificierungsbestrebungen im Weichsellande beschweren.
Auch im Landtage der Bukowina, wo Ruthenen, Rumänen und Deutsche bunt
durcheinanderwohnen, ergingen sich rumänische Abgeordnete in leidenschaftlichen
Ausfällen gegen das Deutsche als Unterrichtssprache in den Schulen des Kron¬
landes (15. Juli).

Allerorten kehrten so die Slaven lihren „nationalen" Standpunkt hervor.
War nun schon die Sprachenverordnung nicht ohne Antwort von deutscher Seite
geblieben, die aber der Natur der Sache nach im wesentlichen von den Deut¬
schen Böhmens und Mährens ausging, so erregten diese fortgesetzten Agitationen
und Versetzungen allmählich eine Bewegung unter allen Deutschen Oesterreichs,
die keinen Zweifel darüber übrig ließ, daß sie ihr nationales Bewußtsein, ihren
deutschen Stolz wiedergefunden. Allen andern Nationen sollte es erlaubt sein,
national zu empfinden, nur den Deutschen nicht? Den Magyaren ließ man


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[0446] nasium in Marburg schickten, weil sie dort Gelegenheit hätten, das Deutsche sich vollständig anzueignen, ohne doch das Slovenische, das ja auch dort gelehrt werde, vernachlässigen zu müssen. In demselben Sinne sprach sich die Gemeinde¬ vertretung von Pettau aus. Eine entschlossene Gegenwehr that und thut hier um so mehr noth, als die slovenischen Forderungen sich keineswegs auf die Slovenisierung der Mittelschulen beschränken, sondern in Krain wenigstens auf die volle Gleichberechtigung beider Landessprachen wie in Böhmen und die Ent¬ fernung aller des Slovenischen nicht mächtigen Beamten hinauslaufen, natürlich unter dem Einflüsse des Beispiels, welches in Böhmen gegeben wurde, denn was den Tschechen recht war, das sollte den Slovenen nicht billig sein? Dar¬ über kam es im Juli im Laibacher Landtage zu sehr erregten Scenen. Als der Abgeordnete Socken unumwunden es aussprach, man müsse in Krain dem Beispiele der Magyaren folgen und die deutsche Sprache hinauswerfen, womit er Ausfälle gegen die Verfassungspartei verband, erklärte der Landeshauptmann Kaltenegger, er habe den Redner nur deshalb nicht zur Ordnung gerufen, weil er seine Ausfälle nicht für ernst genommen und als bloße Phrasen betrachtet habe. Wie gefährlich aber die Befriedigung slavischer Gelüste nicht etwa nur den Deutschen, sondern auch der Einheit des Reiches ist, bewies schneidend in demselben Landtage der Slovene Hermann, als er bei der Budgetdebatte klagte, man sei in Oesterreich viel zu sehr „verkaisert"; an Stelle des Kaisers müsse überall wieder der Landesfürst treten, ein Standpunkt, den er dann im klerikal¬ feudalen „Vaterland" weiter vertreten durfte. Begreiflicherweise blieben andere Nationalitäten hinter so leuchtenden Vor¬ bildern nicht zurück. Die galizischen Polen wollten sich keine Beamten deutscher Abkunft gefallen lassen, auch wenn sie polnisch sprächen, forderten, daß die Ver¬ waltung der galizischen Transversalbahn nur polnisch amtiere, dieselben Polen, die sich bitter über die Russificierungsbestrebungen im Weichsellande beschweren. Auch im Landtage der Bukowina, wo Ruthenen, Rumänen und Deutsche bunt durcheinanderwohnen, ergingen sich rumänische Abgeordnete in leidenschaftlichen Ausfällen gegen das Deutsche als Unterrichtssprache in den Schulen des Kron¬ landes (15. Juli). Allerorten kehrten so die Slaven lihren „nationalen" Standpunkt hervor. War nun schon die Sprachenverordnung nicht ohne Antwort von deutscher Seite geblieben, die aber der Natur der Sache nach im wesentlichen von den Deut¬ schen Böhmens und Mährens ausging, so erregten diese fortgesetzten Agitationen und Versetzungen allmählich eine Bewegung unter allen Deutschen Oesterreichs, die keinen Zweifel darüber übrig ließ, daß sie ihr nationales Bewußtsein, ihren deutschen Stolz wiedergefunden. Allen andern Nationen sollte es erlaubt sein, national zu empfinden, nur den Deutschen nicht? Den Magyaren ließ man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/446>, abgerufen am 29.12.2024.