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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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die der heilige Strom Okeanos umschloß und vou den Regionen des Unerkenn¬
baren trennte, für das praktische Bedürfniß nach Himmelsgegend und Wege¬
richtung zu gruppieren, zu verzeichnen und zu beschreiben, brachte die Schule
der Pythagoreer in Unteritalien die Lehre von der Kugelgestalt der Erde ans
Licht. Die Vermuthung, diese Erkenntniß stamme aus Babylon, ist nicht grund¬
los. Die Tradition berichtet einmüthig, daß Pythagoras wie andere nach ihm
in wissenschaftlicher Absicht Aegypten und Babylon besucht habe; das Alter und
die Reichhaltigkeit der astronomischen Beobachtungen der Chaldäer ist außer
Zweifel, und andrerseits führt jeder Anlauf zu einer rationellen Reconstruction
der astronomischen Erkenntnißreihen zu dem Resultate, daß langjährige Beob-
achtung der Sternbewegung zur Fiction der Hohlkugelgestalt des Himmels, diese
wieder zum Nachweise der Kugelgestalt der Erde geführt haben müsse. Für
die Art der letzten dazu nöthigen Schlüsse giebt es historische Andeutungen, für
den bestimmten Nachweis aber, wer sie gezogen habe, fehlt jeglicher Anhalt.

Die griechischen Philosophen der ersten Periode erschöpften sich, noch ohne
hinreichende Vorarbeit, in kühnen Versuchen, ein allgemeines Weltbild zu con-
struieren. Als Glied dieser Bewegung gerieth die Lehre von der Erdkugel mit
andern ihr entgegengestellten Hypothesen und mit der gesammten Naturphilosophie
zu Lebzeiten des Sokrates vor der öffentlichen Meinung in Mißcredit und in
Vernachlässigung und wurde endgiltig erst von Aristoteles, der es vermochte, die
bis zu seiner Zeit gelieferten Hilfsmittel zu einer genügenden Weltconstruction
zusammenzufassen, wieder erlöst und sichergestellt. Es gab aber noch eine andere
Art der Behandlung der Erdkugeltheorie, die ihre Lebenskraft in überraschender
Fruchtbarkeit zeigte, die rein mathematische, welche ausging von den Erörte¬
rungen über die Eigenschaften der Kugel. Sie hatte ein Asyl gefunden in der
Schule der Mathematiker, die wie andere Fachwissenschaften von der allgemein
philosophischen Bewegung abzweigend zur Selbständigkeit gelangt war, und deren
Bestand und Blüthe von Aristophanes an immer unter bestimmt abgrenzender
Namenbezeichnung häufig bezeugt wird. Wie im Hintergrunde der Zeit sind in
dieser Schule die Anfänge der mathematischen Geographie bewahrt und entwickelt
worden, bis eine neue Zeit sie hervor ans Licht zog und glänzend ver¬
werthete. Die Betrachtung der Himmelsbewegung und die Untersuchungen über
die der Kugel von Natur zuständige Bewegung mußte zu den Hypothesen der
Erdrotation und endlich der Erdbahn führen. Von der Zeit der Pythagoreer
an glimmten dieselben fort bis zu ihren entschiedensten wissenschaftlichen Ver^
tretern im dritten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert, zu Aristarch von


literarischen Belege beizufügen war hier nicht möglich. Sie finden sich der Hauptsache nach
in des Verfassers Sammlungen der geographischen Fragmente des Hipparch und Eratosthenes,
deren Material zu Grunde liegt.

die der heilige Strom Okeanos umschloß und vou den Regionen des Unerkenn¬
baren trennte, für das praktische Bedürfniß nach Himmelsgegend und Wege¬
richtung zu gruppieren, zu verzeichnen und zu beschreiben, brachte die Schule
der Pythagoreer in Unteritalien die Lehre von der Kugelgestalt der Erde ans
Licht. Die Vermuthung, diese Erkenntniß stamme aus Babylon, ist nicht grund¬
los. Die Tradition berichtet einmüthig, daß Pythagoras wie andere nach ihm
in wissenschaftlicher Absicht Aegypten und Babylon besucht habe; das Alter und
die Reichhaltigkeit der astronomischen Beobachtungen der Chaldäer ist außer
Zweifel, und andrerseits führt jeder Anlauf zu einer rationellen Reconstruction
der astronomischen Erkenntnißreihen zu dem Resultate, daß langjährige Beob-
achtung der Sternbewegung zur Fiction der Hohlkugelgestalt des Himmels, diese
wieder zum Nachweise der Kugelgestalt der Erde geführt haben müsse. Für
die Art der letzten dazu nöthigen Schlüsse giebt es historische Andeutungen, für
den bestimmten Nachweis aber, wer sie gezogen habe, fehlt jeglicher Anhalt.

Die griechischen Philosophen der ersten Periode erschöpften sich, noch ohne
hinreichende Vorarbeit, in kühnen Versuchen, ein allgemeines Weltbild zu con-
struieren. Als Glied dieser Bewegung gerieth die Lehre von der Erdkugel mit
andern ihr entgegengestellten Hypothesen und mit der gesammten Naturphilosophie
zu Lebzeiten des Sokrates vor der öffentlichen Meinung in Mißcredit und in
Vernachlässigung und wurde endgiltig erst von Aristoteles, der es vermochte, die
bis zu seiner Zeit gelieferten Hilfsmittel zu einer genügenden Weltconstruction
zusammenzufassen, wieder erlöst und sichergestellt. Es gab aber noch eine andere
Art der Behandlung der Erdkugeltheorie, die ihre Lebenskraft in überraschender
Fruchtbarkeit zeigte, die rein mathematische, welche ausging von den Erörte¬
rungen über die Eigenschaften der Kugel. Sie hatte ein Asyl gefunden in der
Schule der Mathematiker, die wie andere Fachwissenschaften von der allgemein
philosophischen Bewegung abzweigend zur Selbständigkeit gelangt war, und deren
Bestand und Blüthe von Aristophanes an immer unter bestimmt abgrenzender
Namenbezeichnung häufig bezeugt wird. Wie im Hintergrunde der Zeit sind in
dieser Schule die Anfänge der mathematischen Geographie bewahrt und entwickelt
worden, bis eine neue Zeit sie hervor ans Licht zog und glänzend ver¬
werthete. Die Betrachtung der Himmelsbewegung und die Untersuchungen über
die der Kugel von Natur zuständige Bewegung mußte zu den Hypothesen der
Erdrotation und endlich der Erdbahn führen. Von der Zeit der Pythagoreer
an glimmten dieselben fort bis zu ihren entschiedensten wissenschaftlichen Ver^
tretern im dritten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert, zu Aristarch von


literarischen Belege beizufügen war hier nicht möglich. Sie finden sich der Hauptsache nach
in des Verfassers Sammlungen der geographischen Fragmente des Hipparch und Eratosthenes,
deren Material zu Grunde liegt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/408>, abgerufen am 28.12.2024.