Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.dem er zuvörderst die oben erwähnten Kreidezeichnungen in Oel ausgeführt Es scheint, als Hütte sich ihm selbst neuerdings die Ueberzeugung vou dieser dem er zuvörderst die oben erwähnten Kreidezeichnungen in Oel ausgeführt Es scheint, als Hütte sich ihm selbst neuerdings die Ueberzeugung vou dieser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148028"/> <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> dem er zuvörderst die oben erwähnten Kreidezeichnungen in Oel ausgeführt<lb/> hatte, schuf er der Reihe nach: „Luther als Currendeschüler singend," „Luther<lb/> bei Andreas Proles," „Ulrich von Hütten im Kampfe mit Franzosen/' „Kloster¬<lb/> freuden," „Knox und die schottischen Bilderstürmer," die „Ermordung Wilhelms<lb/> von Oranien", „Walter Raleigh von seiner Familie im Kerker besucht" und<lb/> „Venus an der Leiche des Adonis" (1874). Letzteres, eine Composition mit<lb/> lebensgroßen Figuren — Venus ist von ihren Frauen begleitet - - schloß sich<lb/> nach Stoff und Ausführung ganz an van Duck an. Es war nichts mehr als<lb/> ein Spiel mit Farbeneontrasten, zu dessen Gunsten Liudenschmit alles übrige,<lb/> Composition, Tiefe der Empfindung, Formenschönheit u. dergl. in. fallen ließ.<lb/> Gegen den hellbeleuchteten, trotzdem aber im Tone ziemlich unreinen und obenein<lb/> etwas schwammigen Körper der Venus, die nichts weniger als ein Ideal von<lb/> Schönheit war, contrastierte aufs schärfste der todte Adonis, dessen Leichnam<lb/> bereits von dem grünlichen Schimmer der Verwesung überzogen war. Die Be¬<lb/> gleiterinnen der Venus litten auch nicht an einem Ueberflusse von Schönheit;<lb/> nur der herabschwebende Amor war etwas besser weggekommen. Es scheint<lb/> jedoch, daß auch dieser engere Anschluß an van Dyck nur ein Experiment ge¬<lb/> wesen ist. In drei folgenden Bildern aus dem Reformationszeitalter ...... „Martin<lb/> Luther von seinen Eltern in die Klosterschule nach Magdeburg gebracht," „Luther<lb/> vor dem Cardinal Cajetan" und „Anna Boleyn übergiebt ihr Kind Elisabeth<lb/> dem Schutze des Mathew Parker" kehrte er wieder mit verstärkter Liebe zu<lb/> seinem bräunlichen Gesammttone zurück, der ihm diesmal seiue sonst gut com-<lb/> pvnierten und tief und wahr charakterisierten Bilder so gründlich wie nie zuvor<lb/> verdarb. Es war dies um so bedauerlicher, als aus diesen Gemälden die histo¬<lb/> rische Localfarbe ausgezeichnet getroffen war. Lindenschmits Figuren sind keine<lb/> Costümpuppen, welche eine Lanne des Künstlers unter das Notstand eines alter¬<lb/> thümlichen Hauses gebracht hat, sondern sie sind mit Tracht und Local innig<lb/> und natürlich verwachsen. In dem Bestreben, recht energisch und scharf zu<lb/> charakterisiere»:, geräth Liudenschmit bisweilen in die Carricatur; aber diese<lb/> Uebertreibungen würden nicht so störend wirken, wenn sich Lindenschmit zu einem<lb/> gesundem und frischern Colorit entschlösse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028" next="#ID_1029"> Es scheint, als Hütte sich ihm selbst neuerdings die Ueberzeugung vou dieser<lb/> Nothwendigkeit aufgedrängt. Nachdem er mehrere Jahre lang, vermuthlich durch<lb/> seine 1874 begonnene Lehrthätigkeit an der Münchener Akademie zu stark in<lb/> Anspruch genommen, nichts von sich hatte hören lassen, ist er 1880 mit dein<lb/> Brustbilde eines Gretchens, welches den Schmuck Mephistos betrachtet, auf der<lb/> Berliner akademischen Kunstausstellung wieder an eine größere Öffentlichkeit ge¬<lb/> treten. Es ist eine durch und durch erfreuliche Leistung, gefund, fröhlich und<lb/> wahr im Colorit, kräftig und doch weich in der Modellierung, eine verheißungs-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
dem er zuvörderst die oben erwähnten Kreidezeichnungen in Oel ausgeführt
hatte, schuf er der Reihe nach: „Luther als Currendeschüler singend," „Luther
bei Andreas Proles," „Ulrich von Hütten im Kampfe mit Franzosen/' „Kloster¬
freuden," „Knox und die schottischen Bilderstürmer," die „Ermordung Wilhelms
von Oranien", „Walter Raleigh von seiner Familie im Kerker besucht" und
„Venus an der Leiche des Adonis" (1874). Letzteres, eine Composition mit
lebensgroßen Figuren — Venus ist von ihren Frauen begleitet - - schloß sich
nach Stoff und Ausführung ganz an van Duck an. Es war nichts mehr als
ein Spiel mit Farbeneontrasten, zu dessen Gunsten Liudenschmit alles übrige,
Composition, Tiefe der Empfindung, Formenschönheit u. dergl. in. fallen ließ.
Gegen den hellbeleuchteten, trotzdem aber im Tone ziemlich unreinen und obenein
etwas schwammigen Körper der Venus, die nichts weniger als ein Ideal von
Schönheit war, contrastierte aufs schärfste der todte Adonis, dessen Leichnam
bereits von dem grünlichen Schimmer der Verwesung überzogen war. Die Be¬
gleiterinnen der Venus litten auch nicht an einem Ueberflusse von Schönheit;
nur der herabschwebende Amor war etwas besser weggekommen. Es scheint
jedoch, daß auch dieser engere Anschluß an van Dyck nur ein Experiment ge¬
wesen ist. In drei folgenden Bildern aus dem Reformationszeitalter ...... „Martin
Luther von seinen Eltern in die Klosterschule nach Magdeburg gebracht," „Luther
vor dem Cardinal Cajetan" und „Anna Boleyn übergiebt ihr Kind Elisabeth
dem Schutze des Mathew Parker" kehrte er wieder mit verstärkter Liebe zu
seinem bräunlichen Gesammttone zurück, der ihm diesmal seiue sonst gut com-
pvnierten und tief und wahr charakterisierten Bilder so gründlich wie nie zuvor
verdarb. Es war dies um so bedauerlicher, als aus diesen Gemälden die histo¬
rische Localfarbe ausgezeichnet getroffen war. Lindenschmits Figuren sind keine
Costümpuppen, welche eine Lanne des Künstlers unter das Notstand eines alter¬
thümlichen Hauses gebracht hat, sondern sie sind mit Tracht und Local innig
und natürlich verwachsen. In dem Bestreben, recht energisch und scharf zu
charakterisiere»:, geräth Liudenschmit bisweilen in die Carricatur; aber diese
Uebertreibungen würden nicht so störend wirken, wenn sich Lindenschmit zu einem
gesundem und frischern Colorit entschlösse.
Es scheint, als Hütte sich ihm selbst neuerdings die Ueberzeugung vou dieser
Nothwendigkeit aufgedrängt. Nachdem er mehrere Jahre lang, vermuthlich durch
seine 1874 begonnene Lehrthätigkeit an der Münchener Akademie zu stark in
Anspruch genommen, nichts von sich hatte hören lassen, ist er 1880 mit dein
Brustbilde eines Gretchens, welches den Schmuck Mephistos betrachtet, auf der
Berliner akademischen Kunstausstellung wieder an eine größere Öffentlichkeit ge¬
treten. Es ist eine durch und durch erfreuliche Leistung, gefund, fröhlich und
wahr im Colorit, kräftig und doch weich in der Modellierung, eine verheißungs-
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