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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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dem Künstler, die Harmonie des coloristischen Gesammteindrncks bei erheblich ge¬
steigerter Farbenwirkung noch kräftiger zu gestalten.

Die Gemälde Adams haben besonders -- im Vereine mit einigen der letzten
Arbeiten Bleibtrens das von gewissen Seiten mit auffallender Geflissentlich¬
keit verbreitete Vorurtheil gegen die künstlerische Darstellbarkeit der modernen
Schlacht aufs glänzendste widerlegt. Man pflegt im allgemeinen das Hinein¬
tragen politischer Diskussionen in die literarische Behandlung künstlerischer
Fragen zu perhorrescieren. Wie mir scheint, mit Unrecht. Denn die Kunst ist
so innig mit den politischen, socialen und Cultur-Strömungen der Zeit
verwachsen, daß ihre Betrachtung nur eine einseitige und deshalb unvollkommene
sein würde, wollte man sie aus dem gesammten Culturgemälde herausreißen
und gleichsam auf den Jsolierstuhl setzen. Diese zimperliche Scheu ist noch eine
Tradition aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren, wo man sich zwar
in das idyllische Gebiet der Kunst flüchtete, um der Dismssiou politischer Fragen
zu entgehen, die damals freilich viel Unbequemes, zuweilen auch Gefährliches
hatte. So vollzog sich allmählich eine entschiedene Trennung der Kunst vou
allen Fragen, welche das öffentliche Leben bewegten. Und dieser Zopf wird
so heilig gehalten, daß heute ein großer Theil der Presse, und zwar merkwür¬
diger Weise der liberalen und fortschrittlichen, Zetermordio schreit, wenn einer
es wagt, das stille Gebiet der Kunst einmal an der Politik zu messen. In
Frankreich und Belgien ist man über solche Beschränktheiten längst hinaus. In
Deutschland will man aber immer noch nicht einsehen, daß auch die Kunst ein
Wort in die öffentlichen Angelegenheiten hineinzureden berechtigt ist, weil auch sie
von dem Wellenschlage des politischen Lebens nicht unberührt ist und nicht un¬
berührt sein darf. Unsere modernen Kunstgeschichtsbücher sind meist deshalb so
ungeheuer langweilig, weil sie diesen Factor unberücksichtigt lassen. Ich bin
weit entfernt, damit proclamieren zu wollen, daß die Kunstkritik nach einem ge¬
wissen Parteistandpunkte gedrillt werden müsse, so daß etwa der eine Kritiker
ein Gemälde vom Standpunkte der Secessionisten zu beurtheilen hätte, während
der andere die Ansichten der Gruppe Löwe darüber auseinandersetzen würde.
Ich meine nur, daß eine vollkommene Geschichte der Kunst auch die jeweiligen
politischen Strömungen mit in den Kreis ihrer Darstellung zu ziehen hat. Dem
Kunsthistoriker liegt dabei natürlich dieselbe Pflicht der Objectivität ob wie
jedem andern Geschichtsschreiber.

Weil es zum Programm der Demokraten und Fortschrittsleute gehört, den
Krieg, die allgemeine Wehrpflicht, das stehende Heer zu perhorrescieren, so predigt
ihre Presse in Consequenz dieses Programms unverdrossen gegen die "Schlachtenge¬
mälde" , um welche sie eine Art Pestcordon gezogen hat, der die armen Kriegs¬
bilder hermetisch von der Historienmalerei abschließt. Ich habe noch niemals


dem Künstler, die Harmonie des coloristischen Gesammteindrncks bei erheblich ge¬
steigerter Farbenwirkung noch kräftiger zu gestalten.

Die Gemälde Adams haben besonders — im Vereine mit einigen der letzten
Arbeiten Bleibtrens das von gewissen Seiten mit auffallender Geflissentlich¬
keit verbreitete Vorurtheil gegen die künstlerische Darstellbarkeit der modernen
Schlacht aufs glänzendste widerlegt. Man pflegt im allgemeinen das Hinein¬
tragen politischer Diskussionen in die literarische Behandlung künstlerischer
Fragen zu perhorrescieren. Wie mir scheint, mit Unrecht. Denn die Kunst ist
so innig mit den politischen, socialen und Cultur-Strömungen der Zeit
verwachsen, daß ihre Betrachtung nur eine einseitige und deshalb unvollkommene
sein würde, wollte man sie aus dem gesammten Culturgemälde herausreißen
und gleichsam auf den Jsolierstuhl setzen. Diese zimperliche Scheu ist noch eine
Tradition aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren, wo man sich zwar
in das idyllische Gebiet der Kunst flüchtete, um der Dismssiou politischer Fragen
zu entgehen, die damals freilich viel Unbequemes, zuweilen auch Gefährliches
hatte. So vollzog sich allmählich eine entschiedene Trennung der Kunst vou
allen Fragen, welche das öffentliche Leben bewegten. Und dieser Zopf wird
so heilig gehalten, daß heute ein großer Theil der Presse, und zwar merkwür¬
diger Weise der liberalen und fortschrittlichen, Zetermordio schreit, wenn einer
es wagt, das stille Gebiet der Kunst einmal an der Politik zu messen. In
Frankreich und Belgien ist man über solche Beschränktheiten längst hinaus. In
Deutschland will man aber immer noch nicht einsehen, daß auch die Kunst ein
Wort in die öffentlichen Angelegenheiten hineinzureden berechtigt ist, weil auch sie
von dem Wellenschlage des politischen Lebens nicht unberührt ist und nicht un¬
berührt sein darf. Unsere modernen Kunstgeschichtsbücher sind meist deshalb so
ungeheuer langweilig, weil sie diesen Factor unberücksichtigt lassen. Ich bin
weit entfernt, damit proclamieren zu wollen, daß die Kunstkritik nach einem ge¬
wissen Parteistandpunkte gedrillt werden müsse, so daß etwa der eine Kritiker
ein Gemälde vom Standpunkte der Secessionisten zu beurtheilen hätte, während
der andere die Ansichten der Gruppe Löwe darüber auseinandersetzen würde.
Ich meine nur, daß eine vollkommene Geschichte der Kunst auch die jeweiligen
politischen Strömungen mit in den Kreis ihrer Darstellung zu ziehen hat. Dem
Kunsthistoriker liegt dabei natürlich dieselbe Pflicht der Objectivität ob wie
jedem andern Geschichtsschreiber.

Weil es zum Programm der Demokraten und Fortschrittsleute gehört, den
Krieg, die allgemeine Wehrpflicht, das stehende Heer zu perhorrescieren, so predigt
ihre Presse in Consequenz dieses Programms unverdrossen gegen die „Schlachtenge¬
mälde" , um welche sie eine Art Pestcordon gezogen hat, der die armen Kriegs¬
bilder hermetisch von der Historienmalerei abschließt. Ich habe noch niemals


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[0376] dem Künstler, die Harmonie des coloristischen Gesammteindrncks bei erheblich ge¬ steigerter Farbenwirkung noch kräftiger zu gestalten. Die Gemälde Adams haben besonders — im Vereine mit einigen der letzten Arbeiten Bleibtrens das von gewissen Seiten mit auffallender Geflissentlich¬ keit verbreitete Vorurtheil gegen die künstlerische Darstellbarkeit der modernen Schlacht aufs glänzendste widerlegt. Man pflegt im allgemeinen das Hinein¬ tragen politischer Diskussionen in die literarische Behandlung künstlerischer Fragen zu perhorrescieren. Wie mir scheint, mit Unrecht. Denn die Kunst ist so innig mit den politischen, socialen und Cultur-Strömungen der Zeit verwachsen, daß ihre Betrachtung nur eine einseitige und deshalb unvollkommene sein würde, wollte man sie aus dem gesammten Culturgemälde herausreißen und gleichsam auf den Jsolierstuhl setzen. Diese zimperliche Scheu ist noch eine Tradition aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren, wo man sich zwar in das idyllische Gebiet der Kunst flüchtete, um der Dismssiou politischer Fragen zu entgehen, die damals freilich viel Unbequemes, zuweilen auch Gefährliches hatte. So vollzog sich allmählich eine entschiedene Trennung der Kunst vou allen Fragen, welche das öffentliche Leben bewegten. Und dieser Zopf wird so heilig gehalten, daß heute ein großer Theil der Presse, und zwar merkwür¬ diger Weise der liberalen und fortschrittlichen, Zetermordio schreit, wenn einer es wagt, das stille Gebiet der Kunst einmal an der Politik zu messen. In Frankreich und Belgien ist man über solche Beschränktheiten längst hinaus. In Deutschland will man aber immer noch nicht einsehen, daß auch die Kunst ein Wort in die öffentlichen Angelegenheiten hineinzureden berechtigt ist, weil auch sie von dem Wellenschlage des politischen Lebens nicht unberührt ist und nicht un¬ berührt sein darf. Unsere modernen Kunstgeschichtsbücher sind meist deshalb so ungeheuer langweilig, weil sie diesen Factor unberücksichtigt lassen. Ich bin weit entfernt, damit proclamieren zu wollen, daß die Kunstkritik nach einem ge¬ wissen Parteistandpunkte gedrillt werden müsse, so daß etwa der eine Kritiker ein Gemälde vom Standpunkte der Secessionisten zu beurtheilen hätte, während der andere die Ansichten der Gruppe Löwe darüber auseinandersetzen würde. Ich meine nur, daß eine vollkommene Geschichte der Kunst auch die jeweiligen politischen Strömungen mit in den Kreis ihrer Darstellung zu ziehen hat. Dem Kunsthistoriker liegt dabei natürlich dieselbe Pflicht der Objectivität ob wie jedem andern Geschichtsschreiber. Weil es zum Programm der Demokraten und Fortschrittsleute gehört, den Krieg, die allgemeine Wehrpflicht, das stehende Heer zu perhorrescieren, so predigt ihre Presse in Consequenz dieses Programms unverdrossen gegen die „Schlachtenge¬ mälde" , um welche sie eine Art Pestcordon gezogen hat, der die armen Kriegs¬ bilder hermetisch von der Historienmalerei abschließt. Ich habe noch niemals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/376>, abgerufen am 29.12.2024.