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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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dessen militärische Ueberlegenhsit zu jener Zeit nicht selten ebenso fest geglaubt
wurde wie an die eventuelle Neutralität der süddeutschen Staaten und das
Zustandekommen eines österreichisch-französischen Kriegsbündnisses), diese Rücken¬
deckung war somit, was die Verhandlung im Bundesrathe betrifft, vorweg
gescheitert, indem man gar nicht dazu kam, in dem oben angegebenen Sinne
sich zu äußern, geschweige denu sich überstimmen zu lassen.*) Was sächsischer-
seits daneben, etwa dem französischen Gesandten in Dresden, oder was etwa in
Paris durch den dasigen sächsischen Gesandten oder was anderwärts durch eine
vertraute Mittelsperson erklärt worden sein mag, läßt sich aus der Entfernung
schwer beurtheilen.

In Berlin hatte der Zwischenfall begreiflicher Weise einen sehr ungünstigen
Eindruck hinterlassen. Daraus ist es wohl auch im letzten Grunde zu erklären,
daß die sächsischen Truppen beim Beginne der Kriegsführung unter dem unmit¬
telbaren Befehle des Bnndesfeldherrn in einer ehrenvoller Reservestellung
zurückgehalten und erst, nachdem am 2., 4,, 6., 14. und 16. August die Hälfte
der Arbeit bereits gethan war, am l8. desselben Monats als äußerster linker
Flügel an den Feind gebracht wurden,^) wobei sie an zäher Tapferkeit
keiner andern deutscheu Truppe nachstanden. Andrerseits wird man nicht fehl¬
greisen, wenn man annimmt, daß der Wunsch, jenen Eindruck möglichst in
Vergessenheit zu bringen, dazu beigetragen habe, daß König Johann von Sachsen,
zumal als nach der Capitulation von Sedan die erwartete tsvös "zu masse
zur Vertreibung des Jnvasionsheeres nicht eintrat, im Oetover eine eigene De¬
koration des Militär-Sanct-Heinrichs-Ordens für den König Wilhelm stiftete
und dieselbe durch einen seiner Generaladjutanten dem siegreichen Heerführer in
Versailles überreichen ließ, was dann wieder die Franzosen sehr übel aufge¬
nommen haben.

Bei einer Vergleichung der Eingangs erwähnten beiden Vorkommnisse
darf man übrigens nicht außer Acht lassen, daß im Jahre 1806 zwischen
Preußen und Sachsen nur eine thatsächliche, auf die Abwehr des französischen
Heereszuges beschränkte Bundesgenossenschaft, kein traetatmäßiges Bündniß be¬
stand f), während in dem zweiten Falle Sachsen verfassungsrechtlich einen






*) Eine Abstimmung wäre nach Art, 11 der Norddeutschen Bundesverfassung uicht eil^
mal formell zulässig gewesen.
*
*) Vergl. Frhr, v. d. Goltz, Die Operationen der zweiten Armee, Seite 14t, wo es
heißt: Das Gardecorps, bisher für die Umfassung des feindlichen rechten Flügels bestimmt,
mußte jetzt die deutsche Front der französischen gegenüber verlängern. Für jene Umfassung
blieb allein das 12. (tgi. Sachs.) Armeecorps übrig.>'
Vgl. A. Memor (Pseudonym für Duo >ik "i'iimont), 1"8s" vt ü-rösi-ut, S. 17ö in
Verbindung mit desselben Autors I/^Apo"M" noavsUs, S. 29ö,
f) Vgl. v. Montbe, Die chursächsischen Truppen im Feldzuge 13V6, I, S. 4S und 68.

dessen militärische Ueberlegenhsit zu jener Zeit nicht selten ebenso fest geglaubt
wurde wie an die eventuelle Neutralität der süddeutschen Staaten und das
Zustandekommen eines österreichisch-französischen Kriegsbündnisses), diese Rücken¬
deckung war somit, was die Verhandlung im Bundesrathe betrifft, vorweg
gescheitert, indem man gar nicht dazu kam, in dem oben angegebenen Sinne
sich zu äußern, geschweige denu sich überstimmen zu lassen.*) Was sächsischer-
seits daneben, etwa dem französischen Gesandten in Dresden, oder was etwa in
Paris durch den dasigen sächsischen Gesandten oder was anderwärts durch eine
vertraute Mittelsperson erklärt worden sein mag, läßt sich aus der Entfernung
schwer beurtheilen.

In Berlin hatte der Zwischenfall begreiflicher Weise einen sehr ungünstigen
Eindruck hinterlassen. Daraus ist es wohl auch im letzten Grunde zu erklären,
daß die sächsischen Truppen beim Beginne der Kriegsführung unter dem unmit¬
telbaren Befehle des Bnndesfeldherrn in einer ehrenvoller Reservestellung
zurückgehalten und erst, nachdem am 2., 4,, 6., 14. und 16. August die Hälfte
der Arbeit bereits gethan war, am l8. desselben Monats als äußerster linker
Flügel an den Feind gebracht wurden,^) wobei sie an zäher Tapferkeit
keiner andern deutscheu Truppe nachstanden. Andrerseits wird man nicht fehl¬
greisen, wenn man annimmt, daß der Wunsch, jenen Eindruck möglichst in
Vergessenheit zu bringen, dazu beigetragen habe, daß König Johann von Sachsen,
zumal als nach der Capitulation von Sedan die erwartete tsvös «zu masse
zur Vertreibung des Jnvasionsheeres nicht eintrat, im Oetover eine eigene De¬
koration des Militär-Sanct-Heinrichs-Ordens für den König Wilhelm stiftete
und dieselbe durch einen seiner Generaladjutanten dem siegreichen Heerführer in
Versailles überreichen ließ, was dann wieder die Franzosen sehr übel aufge¬
nommen haben.

Bei einer Vergleichung der Eingangs erwähnten beiden Vorkommnisse
darf man übrigens nicht außer Acht lassen, daß im Jahre 1806 zwischen
Preußen und Sachsen nur eine thatsächliche, auf die Abwehr des französischen
Heereszuges beschränkte Bundesgenossenschaft, kein traetatmäßiges Bündniß be¬
stand f), während in dem zweiten Falle Sachsen verfassungsrechtlich einen






*) Eine Abstimmung wäre nach Art, 11 der Norddeutschen Bundesverfassung uicht eil^
mal formell zulässig gewesen.
*
*) Vergl. Frhr, v. d. Goltz, Die Operationen der zweiten Armee, Seite 14t, wo es
heißt: Das Gardecorps, bisher für die Umfassung des feindlichen rechten Flügels bestimmt,
mußte jetzt die deutsche Front der französischen gegenüber verlängern. Für jene Umfassung
blieb allein das 12. (tgi. Sachs.) Armeecorps übrig.>'
Vgl. A. Memor (Pseudonym für Duo >ik »i'iimont), 1»8s» vt ü-rösi-ut, S. 17ö in
Verbindung mit desselben Autors I/^Apo»M« noavsUs, S. 29ö,
f) Vgl. v. Montbe, Die chursächsischen Truppen im Feldzuge 13V6, I, S. 4S und 68.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/365>, abgerufen am 28.12.2024.