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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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preußischerseits die Folgen desselben ehrlich auf sich nehmen. "Und
nun meine Herren," habe Graf Bismarck hinzugesetzt, "lassen Sie uns an unser
Geschäft gehen."

Die weitere Erzählung des Verfassers jenes Beitrags, daß als Ersatz für
die Albertinische Dynastie an den Großherzog von Sachsen-Weimar gedacht
worden sei, entspricht allerdings einem im Hochsommer 1866 durch die Tages¬
presse verbreiteten Gerüchte, und noch heute wird am Dresdener Hofe an der
Legende festgehalten, daß der Bruder der Königin Augusta von Preußen die
sächsische Königskrone edelmüthig ausgeschlagen habe.

Man übersieht aber hierbei -- abgesehen von dem Umstände, daß zur näm¬
lichen Zeit in der Presse davor gewarnt wurde, jene Andeutungen ernst zu
nehmen (vgl. u. a. "Grenzboten" vom 31. August 1866. S. 398.), daß bisher
niemand zu sagen vermocht hat, von wem das angeblich dem Großherzoge
gemachte Anerbieten ausgegangen sei, und ebensowenig bedenkt man, daß diese
Combination, deren öffentliche Besprechung vielleicht dazu bestimmt gewesen ist,
auf die Entschließungen des Königs Johann einen mittelbaren Druck zu ver¬
suchen, an mehrfachen innern Unwahrscheinlichsten leidet. Insbe¬
sondere waren die Beziehungen zwischen der großherzoglich sächsischen und
der preußische" Regierung zu der angegebenen Zeit keineswegs so freundschaft¬
licher Natur, daß auf eine etwaige Unterstützung des fraglichen Gedankens durch
den leitenden Minister Preußens irgendwie geschlossen werden könnte. Auch
würde letzterer gegebenen Falls sich gewiß nicht verhehlt haben, daß es der groß-
herzoglichen Linie kaum jemals gelingen dürfte, die Bevölkerung des ihr zuge¬
dachten Landes mit dem Verluste ihres angestammten Fürstenhauses zu
versöhnen. Vor allem aber hätte einem solchen Tausch- oder einem Annexions-
Projecte der Sinn und Wortlaut des Artikels 5. der Nitvlsburger Friedens¬
präliminarien (Art. 6 des Prager Friedens) entgegengestanden, wo es heißt:

Auf den Wunsch Sr. M. des Kaisers von Oesterreich erklärt Se. M.
der König von Preußen Sich bereit, den gegenwärtigen Territorialbestand des
Königreichs Sachsen in seinem bisherigen Umfange bestehen zu lassen, indem Er
Sich dagegen vorbehält, die künftige Stellung des Königreichs Sachsen inner¬
halb des Norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. M. dem Könige von
Sachsen abzuschließenden besonderen Friedensvertrag näher zu regeln-
Dagegen verspricht Se. M. der Kaiser von Oesterreich die in Norddeutschland
herzustellenden neuen Einrichtungen, einschließlich der Territorialveränderungen,
anzuerkennen.

An Verlockungen von außen, diese Vereinbarung zu umgehen, mag es aller¬
dings für Preußen während der Verhandlungen mit Sachsen nicht gefehlt haben.


preußischerseits die Folgen desselben ehrlich auf sich nehmen. „Und
nun meine Herren," habe Graf Bismarck hinzugesetzt, „lassen Sie uns an unser
Geschäft gehen."

Die weitere Erzählung des Verfassers jenes Beitrags, daß als Ersatz für
die Albertinische Dynastie an den Großherzog von Sachsen-Weimar gedacht
worden sei, entspricht allerdings einem im Hochsommer 1866 durch die Tages¬
presse verbreiteten Gerüchte, und noch heute wird am Dresdener Hofe an der
Legende festgehalten, daß der Bruder der Königin Augusta von Preußen die
sächsische Königskrone edelmüthig ausgeschlagen habe.

Man übersieht aber hierbei — abgesehen von dem Umstände, daß zur näm¬
lichen Zeit in der Presse davor gewarnt wurde, jene Andeutungen ernst zu
nehmen (vgl. u. a. „Grenzboten" vom 31. August 1866. S. 398.), daß bisher
niemand zu sagen vermocht hat, von wem das angeblich dem Großherzoge
gemachte Anerbieten ausgegangen sei, und ebensowenig bedenkt man, daß diese
Combination, deren öffentliche Besprechung vielleicht dazu bestimmt gewesen ist,
auf die Entschließungen des Königs Johann einen mittelbaren Druck zu ver¬
suchen, an mehrfachen innern Unwahrscheinlichsten leidet. Insbe¬
sondere waren die Beziehungen zwischen der großherzoglich sächsischen und
der preußische» Regierung zu der angegebenen Zeit keineswegs so freundschaft¬
licher Natur, daß auf eine etwaige Unterstützung des fraglichen Gedankens durch
den leitenden Minister Preußens irgendwie geschlossen werden könnte. Auch
würde letzterer gegebenen Falls sich gewiß nicht verhehlt haben, daß es der groß-
herzoglichen Linie kaum jemals gelingen dürfte, die Bevölkerung des ihr zuge¬
dachten Landes mit dem Verluste ihres angestammten Fürstenhauses zu
versöhnen. Vor allem aber hätte einem solchen Tausch- oder einem Annexions-
Projecte der Sinn und Wortlaut des Artikels 5. der Nitvlsburger Friedens¬
präliminarien (Art. 6 des Prager Friedens) entgegengestanden, wo es heißt:

Auf den Wunsch Sr. M. des Kaisers von Oesterreich erklärt Se. M.
der König von Preußen Sich bereit, den gegenwärtigen Territorialbestand des
Königreichs Sachsen in seinem bisherigen Umfange bestehen zu lassen, indem Er
Sich dagegen vorbehält, die künftige Stellung des Königreichs Sachsen inner¬
halb des Norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. M. dem Könige von
Sachsen abzuschließenden besonderen Friedensvertrag näher zu regeln-
Dagegen verspricht Se. M. der Kaiser von Oesterreich die in Norddeutschland
herzustellenden neuen Einrichtungen, einschließlich der Territorialveränderungen,
anzuerkennen.

An Verlockungen von außen, diese Vereinbarung zu umgehen, mag es aller¬
dings für Preußen während der Verhandlungen mit Sachsen nicht gefehlt haben.


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[0362] preußischerseits die Folgen desselben ehrlich auf sich nehmen. „Und nun meine Herren," habe Graf Bismarck hinzugesetzt, „lassen Sie uns an unser Geschäft gehen." Die weitere Erzählung des Verfassers jenes Beitrags, daß als Ersatz für die Albertinische Dynastie an den Großherzog von Sachsen-Weimar gedacht worden sei, entspricht allerdings einem im Hochsommer 1866 durch die Tages¬ presse verbreiteten Gerüchte, und noch heute wird am Dresdener Hofe an der Legende festgehalten, daß der Bruder der Königin Augusta von Preußen die sächsische Königskrone edelmüthig ausgeschlagen habe. Man übersieht aber hierbei — abgesehen von dem Umstände, daß zur näm¬ lichen Zeit in der Presse davor gewarnt wurde, jene Andeutungen ernst zu nehmen (vgl. u. a. „Grenzboten" vom 31. August 1866. S. 398.), daß bisher niemand zu sagen vermocht hat, von wem das angeblich dem Großherzoge gemachte Anerbieten ausgegangen sei, und ebensowenig bedenkt man, daß diese Combination, deren öffentliche Besprechung vielleicht dazu bestimmt gewesen ist, auf die Entschließungen des Königs Johann einen mittelbaren Druck zu ver¬ suchen, an mehrfachen innern Unwahrscheinlichsten leidet. Insbe¬ sondere waren die Beziehungen zwischen der großherzoglich sächsischen und der preußische» Regierung zu der angegebenen Zeit keineswegs so freundschaft¬ licher Natur, daß auf eine etwaige Unterstützung des fraglichen Gedankens durch den leitenden Minister Preußens irgendwie geschlossen werden könnte. Auch würde letzterer gegebenen Falls sich gewiß nicht verhehlt haben, daß es der groß- herzoglichen Linie kaum jemals gelingen dürfte, die Bevölkerung des ihr zuge¬ dachten Landes mit dem Verluste ihres angestammten Fürstenhauses zu versöhnen. Vor allem aber hätte einem solchen Tausch- oder einem Annexions- Projecte der Sinn und Wortlaut des Artikels 5. der Nitvlsburger Friedens¬ präliminarien (Art. 6 des Prager Friedens) entgegengestanden, wo es heißt: Auf den Wunsch Sr. M. des Kaisers von Oesterreich erklärt Se. M. der König von Preußen Sich bereit, den gegenwärtigen Territorialbestand des Königreichs Sachsen in seinem bisherigen Umfange bestehen zu lassen, indem Er Sich dagegen vorbehält, die künftige Stellung des Königreichs Sachsen inner¬ halb des Norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. M. dem Könige von Sachsen abzuschließenden besonderen Friedensvertrag näher zu regeln- Dagegen verspricht Se. M. der Kaiser von Oesterreich die in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen, einschließlich der Territorialveränderungen, anzuerkennen. An Verlockungen von außen, diese Vereinbarung zu umgehen, mag es aller¬ dings für Preußen während der Verhandlungen mit Sachsen nicht gefehlt haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/362>, abgerufen am 28.12.2024.