Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.den Glauben ermuthigt werde, die Verbrecher würden straflos ausgehen. Der Wir haben bereits angedeutet, daß manche meinen, die jetzige Bewegung den Glauben ermuthigt werde, die Verbrecher würden straflos ausgehen. Der Wir haben bereits angedeutet, daß manche meinen, die jetzige Bewegung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147941"/> <p xml:id="ID_808" prev="#ID_807"> den Glauben ermuthigt werde, die Verbrecher würden straflos ausgehen. Der<lb/> von der Regierung betretene Weg sollte überzeugen, daß eine derartige Vor¬<lb/> stellung grundlos und nichtig ist. Die Regierung hat Langmuth gezeigt, aber<lb/> ihre Geduld ist endlich erschöpft. Niemand kann ihr vorwerfen, hastig verfahren<lb/> zu sein und vor der Zeit ihre Maßregeln getroffen zu haben, und was die Wahl<lb/> ihrer Mittel betrifft, so ist das eine Sache, die wir wohl ihrer Discretion über¬<lb/> lasten dürfen. Nach der Natur der Dinge ist die irische Executive über alles<lb/> Einschlagende vollständiger und zuverlässiger unterrichtet als die Presse, und sie<lb/> besitzt ein Anrecht auf unser Vertrauen, wenn sie ihren Feldzug damit eröffnet,<lb/> daß sie gesetzfeindliche Wühler vor das gewöhnliche Recht citiert."</p><lb/> <p xml:id="ID_809" next="#ID_810"> Wir haben bereits angedeutet, daß manche meinen, die jetzige Bewegung<lb/> in Irland laufe parallel mit der vor siebenunddreißig Jahren, und Parnell sei<lb/> eine Art Nachfolger Daniel O'Connells. Wir haben diese Ansicht widerlegt und<lb/> wiederholen, daß die Bewegung für ein eignes irisches Parlament zwar eine<lb/> Verschwendung politischer Kräfte war, aber nichts Gemeines und Verbrecheri¬<lb/> sches hatte. Der Traum, den der „Befreier" träumte und andere träumen<lb/> machte, war ein glänzendes Phantom, welches dem Volke der Smaragdinsel<lb/> einen irrenden, aber immerhin edeln Enthusiasmus einflößte. Der Gedanke,<lb/> wieder ein besonderes Parlament gewinnen zu können, schmeichelte der Selbst¬<lb/> achtung der Iren, und Hunderttausende von Bauern litten geduldig Noth, indem<lb/> sie die Hoffnung nährten, daß sie eines Tages Ihre Majestät, die damals von<lb/> der gesammten irischen Nation hoch verehrt wurde, die wiederhergestellte Legis¬<lb/> latur in College Green eröffnen sehen würden. Da kam das Hungerjahr, bevor<lb/> die legislative Trennung von England errungen war, und der „verhaßte Sachse"<lb/> spendete Millionen, um den Kelten vor dem Verhungern zu bewahren. Als<lb/> dann auf der Bahn der Agitation das „Junge Irland" folgte, war sein Ziel<lb/> zwar gänzliche Losreißung, aber die Häupter dieser Partei waren weder Demo¬<lb/> kraten noch Socialisten, sie wendeten sich an den irischen Adel um Beistand,<lb/> und Smith O'Brien war besonders beliebt, weil er sich der Abstammung von<lb/> irischen Königen rühmen konnte. Die spätern Homerulers wendeten sich in be¬<lb/> scheidener Weise den Ideen O'Connells zu und hielten sich von Hochverrätheri¬<lb/> schen Plänen und Communismus so frei wie er. Die Landliga ist die erste<lb/> politische Organisation in Irland, welche nichts von Gefühlen weiß. Sie be¬<lb/> ruft sich nicht auf die nationale Geschichte, sondern begnügt sich, zur Erreichung<lb/> ihrer Zwecke die unsaubern Jnstincte des Volkes, seinen Neid und seine Hab¬<lb/> sucht zu wecken. Und das ist noch nicht alles. Smith O'Brien und sein feni-<lb/> scher Anhang organisierten einen offnen Aufstand, sie besaßen den Muth, die<lb/> Fahne der Unabhängigkeit aufzupflanzen und, wenn auch nur für einige Tage,<lb/> den Streitkräften der Regierung Trotz zu bieten. Jetzt dagegen ist der im Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
den Glauben ermuthigt werde, die Verbrecher würden straflos ausgehen. Der
von der Regierung betretene Weg sollte überzeugen, daß eine derartige Vor¬
stellung grundlos und nichtig ist. Die Regierung hat Langmuth gezeigt, aber
ihre Geduld ist endlich erschöpft. Niemand kann ihr vorwerfen, hastig verfahren
zu sein und vor der Zeit ihre Maßregeln getroffen zu haben, und was die Wahl
ihrer Mittel betrifft, so ist das eine Sache, die wir wohl ihrer Discretion über¬
lasten dürfen. Nach der Natur der Dinge ist die irische Executive über alles
Einschlagende vollständiger und zuverlässiger unterrichtet als die Presse, und sie
besitzt ein Anrecht auf unser Vertrauen, wenn sie ihren Feldzug damit eröffnet,
daß sie gesetzfeindliche Wühler vor das gewöhnliche Recht citiert."
Wir haben bereits angedeutet, daß manche meinen, die jetzige Bewegung
in Irland laufe parallel mit der vor siebenunddreißig Jahren, und Parnell sei
eine Art Nachfolger Daniel O'Connells. Wir haben diese Ansicht widerlegt und
wiederholen, daß die Bewegung für ein eignes irisches Parlament zwar eine
Verschwendung politischer Kräfte war, aber nichts Gemeines und Verbrecheri¬
sches hatte. Der Traum, den der „Befreier" träumte und andere träumen
machte, war ein glänzendes Phantom, welches dem Volke der Smaragdinsel
einen irrenden, aber immerhin edeln Enthusiasmus einflößte. Der Gedanke,
wieder ein besonderes Parlament gewinnen zu können, schmeichelte der Selbst¬
achtung der Iren, und Hunderttausende von Bauern litten geduldig Noth, indem
sie die Hoffnung nährten, daß sie eines Tages Ihre Majestät, die damals von
der gesammten irischen Nation hoch verehrt wurde, die wiederhergestellte Legis¬
latur in College Green eröffnen sehen würden. Da kam das Hungerjahr, bevor
die legislative Trennung von England errungen war, und der „verhaßte Sachse"
spendete Millionen, um den Kelten vor dem Verhungern zu bewahren. Als
dann auf der Bahn der Agitation das „Junge Irland" folgte, war sein Ziel
zwar gänzliche Losreißung, aber die Häupter dieser Partei waren weder Demo¬
kraten noch Socialisten, sie wendeten sich an den irischen Adel um Beistand,
und Smith O'Brien war besonders beliebt, weil er sich der Abstammung von
irischen Königen rühmen konnte. Die spätern Homerulers wendeten sich in be¬
scheidener Weise den Ideen O'Connells zu und hielten sich von Hochverrätheri¬
schen Plänen und Communismus so frei wie er. Die Landliga ist die erste
politische Organisation in Irland, welche nichts von Gefühlen weiß. Sie be¬
ruft sich nicht auf die nationale Geschichte, sondern begnügt sich, zur Erreichung
ihrer Zwecke die unsaubern Jnstincte des Volkes, seinen Neid und seine Hab¬
sucht zu wecken. Und das ist noch nicht alles. Smith O'Brien und sein feni-
scher Anhang organisierten einen offnen Aufstand, sie besaßen den Muth, die
Fahne der Unabhängigkeit aufzupflanzen und, wenn auch nur für einige Tage,
den Streitkräften der Regierung Trotz zu bieten. Jetzt dagegen ist der im Ver-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |