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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Bekanntlich liegt in diesen großen Porträtgruppen, dnrch welche theils die
Offiziere der Schützengilden, theils die Mitglieder des Magistrats oder die
"Regenten" einer Stiftung oder der Vorstand irgend eines Kollegiums sich ge¬
meinsam auf die Nachwelt zu bringen hofften, der Anfang und zugleich der Höhe¬
punkt aller holländischen Großmalerei des 17. Jahrhunderts. Das Bewußtsein
der persönlichen Bedeutung, die jedem in jenen großen Tagen junger Freiheit
schon durch seine Berufung zur Theilnahme an den öffentlichen Geschäften inne-
wohnte, verlieh diesen Spiegelbildern des öffentlichen Lebens schon von selbst
den Werth eigentlicher Geschichtsbilder; der große Geist, in welchem die großen
Meister der Zeit sich dieser Aufgabe bemächtigten, verlieh ihnen zugleich einen
Kunstwerth, der den größten Leistungen aller Zeiten und aller Völker nahe
kommt. Das Bedürfniß der Korporationen nach solchen gemeinsamen Bildniß-
gemälden erwachte aber früher als die Fähigkeit der Künstler, sie zu künstlerisch
durchgebildeten Gruppen zu gestalten. Die ältern Werke der Art zeigen die
Köpfe oder Büsten der Dargestellten in steifen, regelmüßigen Linien nebenein¬
ander und übereinander aufgereiht. Ihre Bedeutung für die holländische Kunst¬
geschichte erhielten sie erst, als wirkliche Meister sie zu wirklichen Kompositionen
umschufen und mit coloristischer Bildwirkung ausstatteten. Zu den frühesten
Meistern, unter deren Händen die "Schützen- und Regentenstücke" diese Bedeu¬
tung erlangten, gehörte MI. Mierevelt von Delft. Neben Frans Hals, dem
großen Haarlemer Vollender der Gattung, aber blühte Jan van Ravesteyn
im Haag.

Nach seinen Einzelbildnissen im königlichen Museum besuchten wir heute
seiue großen "Regentenstücke" im Gemeindemuseum, in dem ich auch für meine
besondern Zwecke manchen interessanten Fund machte. Das schönste von Nave-
steyns dortigen Bildern ist im Jahre 1636 gemalt und zeigt fünfzehn Mitglieder
des Haager Rathes in schwarzen Röcken am grünen Tische vor einer grünen
Wand. In der Composition ist das Bild immer noch etwas nüchtern; in der
Farbe aber ist es geistreich und wirksam bei großer Einfachheit, wenngleich die
Redensart, es sei, außer der Fleischfarbe der Hände und Köpfe, nur aus grün
und schwarz zusammengesetzt, eben eine Redensart ist. Ein rothes Tintenfaß
steht sehr pikant auf dem Tische; die Diener rechts tragen graue Röcke; und
große goldne Wappen schmücken die Wände.

Den 5. September 1878. Wenn man wieder so einige Tage lang im
großen Haager Museum aus und ein gegangen ist, Notizen geschrieben und eine
Fülle des Packenden gesehen hat, so fühlt man sich gekitzelt, seine Gedanken auch
über andre Dinge, als seine Speeialstndien zu Papier zu bringen. Aber wer
W. Burgers treffliches Buch I^s Nusöss cke 1a HollÄNÄö gelesen hat, wird es
schwer finden, etwas neues zu sagen; und er wird die Gefahr fürchten, nnwill-


Bekanntlich liegt in diesen großen Porträtgruppen, dnrch welche theils die
Offiziere der Schützengilden, theils die Mitglieder des Magistrats oder die
„Regenten" einer Stiftung oder der Vorstand irgend eines Kollegiums sich ge¬
meinsam auf die Nachwelt zu bringen hofften, der Anfang und zugleich der Höhe¬
punkt aller holländischen Großmalerei des 17. Jahrhunderts. Das Bewußtsein
der persönlichen Bedeutung, die jedem in jenen großen Tagen junger Freiheit
schon durch seine Berufung zur Theilnahme an den öffentlichen Geschäften inne-
wohnte, verlieh diesen Spiegelbildern des öffentlichen Lebens schon von selbst
den Werth eigentlicher Geschichtsbilder; der große Geist, in welchem die großen
Meister der Zeit sich dieser Aufgabe bemächtigten, verlieh ihnen zugleich einen
Kunstwerth, der den größten Leistungen aller Zeiten und aller Völker nahe
kommt. Das Bedürfniß der Korporationen nach solchen gemeinsamen Bildniß-
gemälden erwachte aber früher als die Fähigkeit der Künstler, sie zu künstlerisch
durchgebildeten Gruppen zu gestalten. Die ältern Werke der Art zeigen die
Köpfe oder Büsten der Dargestellten in steifen, regelmüßigen Linien nebenein¬
ander und übereinander aufgereiht. Ihre Bedeutung für die holländische Kunst¬
geschichte erhielten sie erst, als wirkliche Meister sie zu wirklichen Kompositionen
umschufen und mit coloristischer Bildwirkung ausstatteten. Zu den frühesten
Meistern, unter deren Händen die „Schützen- und Regentenstücke" diese Bedeu¬
tung erlangten, gehörte MI. Mierevelt von Delft. Neben Frans Hals, dem
großen Haarlemer Vollender der Gattung, aber blühte Jan van Ravesteyn
im Haag.

Nach seinen Einzelbildnissen im königlichen Museum besuchten wir heute
seiue großen „Regentenstücke" im Gemeindemuseum, in dem ich auch für meine
besondern Zwecke manchen interessanten Fund machte. Das schönste von Nave-
steyns dortigen Bildern ist im Jahre 1636 gemalt und zeigt fünfzehn Mitglieder
des Haager Rathes in schwarzen Röcken am grünen Tische vor einer grünen
Wand. In der Composition ist das Bild immer noch etwas nüchtern; in der
Farbe aber ist es geistreich und wirksam bei großer Einfachheit, wenngleich die
Redensart, es sei, außer der Fleischfarbe der Hände und Köpfe, nur aus grün
und schwarz zusammengesetzt, eben eine Redensart ist. Ein rothes Tintenfaß
steht sehr pikant auf dem Tische; die Diener rechts tragen graue Röcke; und
große goldne Wappen schmücken die Wände.

Den 5. September 1878. Wenn man wieder so einige Tage lang im
großen Haager Museum aus und ein gegangen ist, Notizen geschrieben und eine
Fülle des Packenden gesehen hat, so fühlt man sich gekitzelt, seine Gedanken auch
über andre Dinge, als seine Speeialstndien zu Papier zu bringen. Aber wer
W. Burgers treffliches Buch I^s Nusöss cke 1a HollÄNÄö gelesen hat, wird es
schwer finden, etwas neues zu sagen; und er wird die Gefahr fürchten, nnwill-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/232>, abgerufen am 28.12.2024.