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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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verfolgt werden, wo Jüdinnen, die einen Christen heirateten, mit Gewalt
geraubt wurden und verschwanden, abtrünnige Söhne an Gut und Blut von
der Rache des Stammes ereilt wurden. Der einheitliche Geist dieser Aristo¬
kratie ist ein gewaltiger, die Energie in Verfechtung der gemeinen Interessen
der Kaste ist bewundernswerth. Ich kenne Fälle, wo eine große jüdische Ge¬
meinde sich jahrelang von ihrem jüdischen Vorstande lieber bestehlen und brand¬
schatzen ließ, als daß sie gegen solchen Unfug an die staatliche Macht appelliert
hätte; die Macht und der Kredit der Kaste stehen jedem Gliede zu ausgedehnter
Verfügung, find jedem Außenstehenden aber verschlossen. Wo der Jude über die
Grenze feiner Heimat tritt, da hält er doch starr fest an der Zugehörigkeit zu
seinem Blutsverbande. Und es ist ein Zeichen dafür, wie stark er das Bewußt¬
sein der Aristokratie in sich trägt, daß er nur dann von diesem Blutsverbande
sich trennt, wenn er in eine andere aristokratische, hohe Gesellschaftsklasse über¬
gehen kann. So lange der Jude in der Fremde arm bleibt, bleibt er auch
Jude und stützt sich auf seine Verbindungen daheim; nur der reiche oder sonst
ausgezeichnete Jude giebt sein Judenthum auf, um in die fremdländische Aristokratie
des Geldes oder der Intelligenz überzutreten. Erfahrungsmäßig ist in der
Fremde die Masse der armen eingewanderten Juden talmudistisch strenggläubig,
nur das vornehme Judenthum reformiert. Hievon ist, wie ich glaube, der Grund
nicht so sehr in der vermehrten Bildung der Vornehmen, als in jenem Umstände
zu suchen, daß durch den Abfall zur Reform das Band mit der heimatlichen
Kaste zerrissen wird, was nur derjenige wagt, der seine gesellschaftliche Stellung
auf andere Weise gesichert hat. Zu dieser Haltung treiben den Juden freilich
vielfach auch die Vorurtheile, dieser merkwürdige Widerwille der Volker. Indessen
ist das Bewußtsein seiner geistigen Kraft in dem einfachsten, verlumptesten Juden
so stark, daß er in keinem Lande der Welt ans das niedere Volk anders als
mit der Ueberlegenheit des Aristokraten herabsieht.

Dieser sittliche Mangel beim Volke Israel in Verbindung mit seiner
geistigen Macht und mit der Abwesenheit aller Verantwortlichkeit bei Ausübung
der geistigen Macht, das sind Umstände, welche die größte Aufmerksamkeit der
Staaten verdienen. Und ich bin der Meinung, daß keine BeHandlungsweise
so übel angebracht ist als diejenige, durch welche dem Judenthume eine halbe
Gleichstellung mit den übrigen Volksklassen gewährt wird, ohne daß zugleich
energisch auf eine Lösung ihrer innern Abgeschlossenheit hingewirkt wird. Diese
falsche Taktik verfolgt gegenwärtig die russische Regierung. Sie verbietet den
Juden den Eintritt in das innere Reich im allgemeinen, gestattet aber aus¬
drücklich Ausnahmen zu Gunsten gewisser höherer Berufsklassen und duldet noch
weit zahlreichere Ausnahmen zu Gunsten derjenigen, welche das bestehende Ge¬
setz auf die Gefahr mancher Unbequemlichkeiten und Bedrückungen hin über-


Grenzboten IV. 1380. 2S

verfolgt werden, wo Jüdinnen, die einen Christen heirateten, mit Gewalt
geraubt wurden und verschwanden, abtrünnige Söhne an Gut und Blut von
der Rache des Stammes ereilt wurden. Der einheitliche Geist dieser Aristo¬
kratie ist ein gewaltiger, die Energie in Verfechtung der gemeinen Interessen
der Kaste ist bewundernswerth. Ich kenne Fälle, wo eine große jüdische Ge¬
meinde sich jahrelang von ihrem jüdischen Vorstande lieber bestehlen und brand¬
schatzen ließ, als daß sie gegen solchen Unfug an die staatliche Macht appelliert
hätte; die Macht und der Kredit der Kaste stehen jedem Gliede zu ausgedehnter
Verfügung, find jedem Außenstehenden aber verschlossen. Wo der Jude über die
Grenze feiner Heimat tritt, da hält er doch starr fest an der Zugehörigkeit zu
seinem Blutsverbande. Und es ist ein Zeichen dafür, wie stark er das Bewußt¬
sein der Aristokratie in sich trägt, daß er nur dann von diesem Blutsverbande
sich trennt, wenn er in eine andere aristokratische, hohe Gesellschaftsklasse über¬
gehen kann. So lange der Jude in der Fremde arm bleibt, bleibt er auch
Jude und stützt sich auf seine Verbindungen daheim; nur der reiche oder sonst
ausgezeichnete Jude giebt sein Judenthum auf, um in die fremdländische Aristokratie
des Geldes oder der Intelligenz überzutreten. Erfahrungsmäßig ist in der
Fremde die Masse der armen eingewanderten Juden talmudistisch strenggläubig,
nur das vornehme Judenthum reformiert. Hievon ist, wie ich glaube, der Grund
nicht so sehr in der vermehrten Bildung der Vornehmen, als in jenem Umstände
zu suchen, daß durch den Abfall zur Reform das Band mit der heimatlichen
Kaste zerrissen wird, was nur derjenige wagt, der seine gesellschaftliche Stellung
auf andere Weise gesichert hat. Zu dieser Haltung treiben den Juden freilich
vielfach auch die Vorurtheile, dieser merkwürdige Widerwille der Volker. Indessen
ist das Bewußtsein seiner geistigen Kraft in dem einfachsten, verlumptesten Juden
so stark, daß er in keinem Lande der Welt ans das niedere Volk anders als
mit der Ueberlegenheit des Aristokraten herabsieht.

Dieser sittliche Mangel beim Volke Israel in Verbindung mit seiner
geistigen Macht und mit der Abwesenheit aller Verantwortlichkeit bei Ausübung
der geistigen Macht, das sind Umstände, welche die größte Aufmerksamkeit der
Staaten verdienen. Und ich bin der Meinung, daß keine BeHandlungsweise
so übel angebracht ist als diejenige, durch welche dem Judenthume eine halbe
Gleichstellung mit den übrigen Volksklassen gewährt wird, ohne daß zugleich
energisch auf eine Lösung ihrer innern Abgeschlossenheit hingewirkt wird. Diese
falsche Taktik verfolgt gegenwärtig die russische Regierung. Sie verbietet den
Juden den Eintritt in das innere Reich im allgemeinen, gestattet aber aus¬
drücklich Ausnahmen zu Gunsten gewisser höherer Berufsklassen und duldet noch
weit zahlreichere Ausnahmen zu Gunsten derjenigen, welche das bestehende Ge¬
setz auf die Gefahr mancher Unbequemlichkeiten und Bedrückungen hin über-


Grenzboten IV. 1380. 2S
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[0225] verfolgt werden, wo Jüdinnen, die einen Christen heirateten, mit Gewalt geraubt wurden und verschwanden, abtrünnige Söhne an Gut und Blut von der Rache des Stammes ereilt wurden. Der einheitliche Geist dieser Aristo¬ kratie ist ein gewaltiger, die Energie in Verfechtung der gemeinen Interessen der Kaste ist bewundernswerth. Ich kenne Fälle, wo eine große jüdische Ge¬ meinde sich jahrelang von ihrem jüdischen Vorstande lieber bestehlen und brand¬ schatzen ließ, als daß sie gegen solchen Unfug an die staatliche Macht appelliert hätte; die Macht und der Kredit der Kaste stehen jedem Gliede zu ausgedehnter Verfügung, find jedem Außenstehenden aber verschlossen. Wo der Jude über die Grenze feiner Heimat tritt, da hält er doch starr fest an der Zugehörigkeit zu seinem Blutsverbande. Und es ist ein Zeichen dafür, wie stark er das Bewußt¬ sein der Aristokratie in sich trägt, daß er nur dann von diesem Blutsverbande sich trennt, wenn er in eine andere aristokratische, hohe Gesellschaftsklasse über¬ gehen kann. So lange der Jude in der Fremde arm bleibt, bleibt er auch Jude und stützt sich auf seine Verbindungen daheim; nur der reiche oder sonst ausgezeichnete Jude giebt sein Judenthum auf, um in die fremdländische Aristokratie des Geldes oder der Intelligenz überzutreten. Erfahrungsmäßig ist in der Fremde die Masse der armen eingewanderten Juden talmudistisch strenggläubig, nur das vornehme Judenthum reformiert. Hievon ist, wie ich glaube, der Grund nicht so sehr in der vermehrten Bildung der Vornehmen, als in jenem Umstände zu suchen, daß durch den Abfall zur Reform das Band mit der heimatlichen Kaste zerrissen wird, was nur derjenige wagt, der seine gesellschaftliche Stellung auf andere Weise gesichert hat. Zu dieser Haltung treiben den Juden freilich vielfach auch die Vorurtheile, dieser merkwürdige Widerwille der Volker. Indessen ist das Bewußtsein seiner geistigen Kraft in dem einfachsten, verlumptesten Juden so stark, daß er in keinem Lande der Welt ans das niedere Volk anders als mit der Ueberlegenheit des Aristokraten herabsieht. Dieser sittliche Mangel beim Volke Israel in Verbindung mit seiner geistigen Macht und mit der Abwesenheit aller Verantwortlichkeit bei Ausübung der geistigen Macht, das sind Umstände, welche die größte Aufmerksamkeit der Staaten verdienen. Und ich bin der Meinung, daß keine BeHandlungsweise so übel angebracht ist als diejenige, durch welche dem Judenthume eine halbe Gleichstellung mit den übrigen Volksklassen gewährt wird, ohne daß zugleich energisch auf eine Lösung ihrer innern Abgeschlossenheit hingewirkt wird. Diese falsche Taktik verfolgt gegenwärtig die russische Regierung. Sie verbietet den Juden den Eintritt in das innere Reich im allgemeinen, gestattet aber aus¬ drücklich Ausnahmen zu Gunsten gewisser höherer Berufsklassen und duldet noch weit zahlreichere Ausnahmen zu Gunsten derjenigen, welche das bestehende Ge¬ setz auf die Gefahr mancher Unbequemlichkeiten und Bedrückungen hin über- Grenzboten IV. 1380. 2S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/225>, abgerufen am 28.12.2024.