Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.mied jedoch sorgfältig jedes Wort, das sie in Bezug auf eine neue Gebiets¬ Aus diesen Gründen wird England vermuthlich die Türkei nicht zwingen, mied jedoch sorgfältig jedes Wort, das sie in Bezug auf eine neue Gebiets¬ Aus diesen Gründen wird England vermuthlich die Türkei nicht zwingen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147862"/> <p xml:id="ID_598" prev="#ID_597"> mied jedoch sorgfältig jedes Wort, das sie in Bezug auf eine neue Gebiets¬<lb/> vertheilung hätte binden können. Sie hatte zu einer solchen Zusage auch keinerlei<lb/> Grund. Keinen Augenblick war das türkische Reich einer ernstlichen Gefahr<lb/> durch griechische Unternehmungen ausgesetzt. Seine Uebermacht zur See wäre<lb/> in einem solchen Kampfe ein ausreichendes Vertheidigungsmittel gegen alle<lb/> denkbaren Anstrebuugen der Griechen gewesen. Die einzigen Besorgnisse,<lb/> welche Ihrer Majestät Regierung im vorigen Frühlinge wegen der mög¬<lb/> lichen Folgen eines Krieges zwischen der Türkei und Griechenland hegte,<lb/> waren ganz entgegengesetzter Art. Um Griechenland vor den Folgen eines<lb/> Angriffs an der Grenze zu schützen, fanden wir gerathen, dem türkischen Minister<lb/> unverhohlen anzudeuten, daß Flottenoperationen gegen Athen uicht gestattet werden<lb/> würden. Wie ersichtlich, waren die (späteren) Bemühungen unsrer Regierung<lb/> für eine Berichtigung der Grenze einzig und allein durch allgemeine politische<lb/> Rücksichten veranlaßt, nicht aber die Erfüllung irgend einer der griechischen<lb/> Regierung gegenüber eingegangenen Verpflichtung." Das Ministerium Beacons-<lb/> field hat also den Griechen keine Gebietsvergrößerung als Preis für ihre fried¬<lb/> liche Haltung gegenüber der Pforte versprochen, wären aber derartige Zusagen<lb/> von Gladstone gemacht worden, so müßte er dies jetzt bekennen und den aus¬<lb/> gestellten Wechsel einlösen — d. h. wenn er könnte. Denn hier käme dann<lb/> die zweite der obigen Fragen in Betracht, und auf diese ist zu antworten: Der<lb/> Sultan wird sich die Abtretung Thessaliens und des südlichen Epirus bis nach<lb/> Janina nicht auf diplomatischem Wege abringen lassen, und die griechische<lb/> Grenzberichtigung wird von den außereuglischen Mächten nicht so nachdrücklich<lb/> Pressirt werden wie die montenegrinische. Sie werden ein vereinzeltes Vorgehen<lb/> Englands vielleicht sogar zu verhindern suche«. Endlich hat England in der<lb/> Beruhigung Irlands eine Aufgabe vor sich, die einen sehr großen Theil seiner<lb/> Kraft in Anspruch nimmt, sodaß ihm davon kaum etwas zur Verwirklichung<lb/> etwaiger abenteuerlicher Pläne Gladstones übrig bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_599" next="#ID_600"> Aus diesen Gründen wird England vermuthlich die Türkei nicht zwingen,<lb/> die griechischen Forderungen zu gewähren. Eine andere Frage ist es allerdings,<lb/> was geschehen würde, wenn die Griechen auf eigene Hand zur Occupation der<lb/> ihnen zugesprochenen Gebiete der Pforte schreiten sollten. Doch würde England<lb/> dann schwerlich über einen Einspruch gegen die Verwendung der türkischen Flotte<lb/> hinausgehen, und damit allein kann den Griechen nicht gedient sein. Sie würden<lb/> daher weise handeln, wenn sie sich statt große Worte zu mache» und imposante<lb/> Stellungen einzunehmen, für jetzt mit dem begnügten, was der Sultan ihnen<lb/> gewähren will, ihre Freiwilligen bald nach Hause schickten und sich in Betreff<lb/> ihrer weiteren Bedürfnisse und Anliegen mit der Zukunft trösteten, für die ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
mied jedoch sorgfältig jedes Wort, das sie in Bezug auf eine neue Gebiets¬
vertheilung hätte binden können. Sie hatte zu einer solchen Zusage auch keinerlei
Grund. Keinen Augenblick war das türkische Reich einer ernstlichen Gefahr
durch griechische Unternehmungen ausgesetzt. Seine Uebermacht zur See wäre
in einem solchen Kampfe ein ausreichendes Vertheidigungsmittel gegen alle
denkbaren Anstrebuugen der Griechen gewesen. Die einzigen Besorgnisse,
welche Ihrer Majestät Regierung im vorigen Frühlinge wegen der mög¬
lichen Folgen eines Krieges zwischen der Türkei und Griechenland hegte,
waren ganz entgegengesetzter Art. Um Griechenland vor den Folgen eines
Angriffs an der Grenze zu schützen, fanden wir gerathen, dem türkischen Minister
unverhohlen anzudeuten, daß Flottenoperationen gegen Athen uicht gestattet werden
würden. Wie ersichtlich, waren die (späteren) Bemühungen unsrer Regierung
für eine Berichtigung der Grenze einzig und allein durch allgemeine politische
Rücksichten veranlaßt, nicht aber die Erfüllung irgend einer der griechischen
Regierung gegenüber eingegangenen Verpflichtung." Das Ministerium Beacons-
field hat also den Griechen keine Gebietsvergrößerung als Preis für ihre fried¬
liche Haltung gegenüber der Pforte versprochen, wären aber derartige Zusagen
von Gladstone gemacht worden, so müßte er dies jetzt bekennen und den aus¬
gestellten Wechsel einlösen — d. h. wenn er könnte. Denn hier käme dann
die zweite der obigen Fragen in Betracht, und auf diese ist zu antworten: Der
Sultan wird sich die Abtretung Thessaliens und des südlichen Epirus bis nach
Janina nicht auf diplomatischem Wege abringen lassen, und die griechische
Grenzberichtigung wird von den außereuglischen Mächten nicht so nachdrücklich
Pressirt werden wie die montenegrinische. Sie werden ein vereinzeltes Vorgehen
Englands vielleicht sogar zu verhindern suche«. Endlich hat England in der
Beruhigung Irlands eine Aufgabe vor sich, die einen sehr großen Theil seiner
Kraft in Anspruch nimmt, sodaß ihm davon kaum etwas zur Verwirklichung
etwaiger abenteuerlicher Pläne Gladstones übrig bleibt.
Aus diesen Gründen wird England vermuthlich die Türkei nicht zwingen,
die griechischen Forderungen zu gewähren. Eine andere Frage ist es allerdings,
was geschehen würde, wenn die Griechen auf eigene Hand zur Occupation der
ihnen zugesprochenen Gebiete der Pforte schreiten sollten. Doch würde England
dann schwerlich über einen Einspruch gegen die Verwendung der türkischen Flotte
hinausgehen, und damit allein kann den Griechen nicht gedient sein. Sie würden
daher weise handeln, wenn sie sich statt große Worte zu mache» und imposante
Stellungen einzunehmen, für jetzt mit dem begnügten, was der Sultan ihnen
gewähren will, ihre Freiwilligen bald nach Hause schickten und sich in Betreff
ihrer weiteren Bedürfnisse und Anliegen mit der Zukunft trösteten, für die ihnen
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