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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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zwischen Deutschland und Oesterreich betrachtet er als mächtiges Culturwerkzeug
für die zwischen Griechenland und der Donau wohnenden Völkerstämme, eine
Auffassung, die er mit Lebhaftigkeit vertritt. Allerdings wünscht er ein Wachs¬
thum des französischen Einflusses, aber eine materielle Ausdehnung Frankreichs
würde ihn mit Besorgniß erfüllen. Seine festgewurzelten Ueberzeugungen, die
Mäßigung und Billigkeit seiner Anschauungen, sein Haß gegen den gemeinen
Chauvinismus und die Selbständigkeit seines Charakters sind Bürgschaften des
Friedens." Auch von anderen Seiten werden dem neuen Leiter der auswärtigen
Angelegenheiten Frankreichs Zeugnisse warmer Anerkennung ausgestellt. Schade,
daß er schon hochbejahrt ist, und daß neben ihm in Paris ein Jüngerer lebt,
der bis jetzt die Macht besaß, Minister nicht bloß zu machen, sondern auch
zu stürzen.

Vorläufig hat Barthelemy Samt Hilaire das bei seiner Berufung in ihn
gesetzte Vertrauen durchaus gerechtfertigt. Das Rundschreiben an die diploma¬
tischen Vertreter Frankreichs im Auslande, mit dem er sein Amt antrat, wird
überall, wo man die Erhaltung des Friedens wünscht, den besten Eindruck ge¬
macht und jede Trübung, welche Gambettas Cherbourger Punschrede in den
officiellen Beziehungen zwischen uns und unseren Nachbarn jenseits der Vogesen
etwa verursacht haben könnte, verwischt haben, sodaß gegenwärtig die Aussichten
nach dieser Richtung des Horizonts hin friedlicher als je seit 1871 sind. Wir
Pflichten der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei, wenn sie sagte: "Wider¬
legt schon die bloße Thatsache der Berufung des allgemein und wohl mit Recht
als Erben der Thiers'schen Traditionen betrachteten Herrn Barthelemy Samt
Hilaire zu einem so verantwortungsvollen Posten zur Genüge die Bedenken,
womit ein Theil der europäischen Presse nicht hinter dem Berge halten zu sollen
meinte, als sie nach den Gründen der Demission des Herrn de Freycinet forschte,
so verliert doch um deswillen eine Maßregel wie die von Herrn Barthelemy
Samt Hilaire ergriffene nicht das Geringste von ihrem Werthe. Die unzwei¬
deutige Versicherung, daß der jüngst vollzogene Cabinetswechsel nichts an der
von dem letzten Ministerium befolgten auswärtigen Politik ändern werde, wiegt
in der politischen Constellation um so schwerer, je offenkundiger sich herausstellt,
welche unschätzbaren Dienste das feste, ungetrübte Einvernehmen aller Mächte
in der Behandlung schwieriger Fragen leistet, deren Austragung der europäische
Areopag nun einmal unternommen hat. Herr Barthelemy Samt Hilaire will,
wie die unter Zuhilfenahme des elektrischen Drahtes bewirkte Veröffentlichung
seines Ruudschreibeus beweist, die Welt uicht einen einzigen Augenblick der Be¬
fürchtung anheimfallen lassen, als könne die Regierung Frankreichs von jetzt an
weniger Gewicht wie bisher auf die Erhaltung des Friedens legen, der ,so heil¬
sam für seine Wohlfahrt und seine Ehre ist". Für dieses Programm tritt, der


zwischen Deutschland und Oesterreich betrachtet er als mächtiges Culturwerkzeug
für die zwischen Griechenland und der Donau wohnenden Völkerstämme, eine
Auffassung, die er mit Lebhaftigkeit vertritt. Allerdings wünscht er ein Wachs¬
thum des französischen Einflusses, aber eine materielle Ausdehnung Frankreichs
würde ihn mit Besorgniß erfüllen. Seine festgewurzelten Ueberzeugungen, die
Mäßigung und Billigkeit seiner Anschauungen, sein Haß gegen den gemeinen
Chauvinismus und die Selbständigkeit seines Charakters sind Bürgschaften des
Friedens." Auch von anderen Seiten werden dem neuen Leiter der auswärtigen
Angelegenheiten Frankreichs Zeugnisse warmer Anerkennung ausgestellt. Schade,
daß er schon hochbejahrt ist, und daß neben ihm in Paris ein Jüngerer lebt,
der bis jetzt die Macht besaß, Minister nicht bloß zu machen, sondern auch
zu stürzen.

Vorläufig hat Barthelemy Samt Hilaire das bei seiner Berufung in ihn
gesetzte Vertrauen durchaus gerechtfertigt. Das Rundschreiben an die diploma¬
tischen Vertreter Frankreichs im Auslande, mit dem er sein Amt antrat, wird
überall, wo man die Erhaltung des Friedens wünscht, den besten Eindruck ge¬
macht und jede Trübung, welche Gambettas Cherbourger Punschrede in den
officiellen Beziehungen zwischen uns und unseren Nachbarn jenseits der Vogesen
etwa verursacht haben könnte, verwischt haben, sodaß gegenwärtig die Aussichten
nach dieser Richtung des Horizonts hin friedlicher als je seit 1871 sind. Wir
Pflichten der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei, wenn sie sagte: „Wider¬
legt schon die bloße Thatsache der Berufung des allgemein und wohl mit Recht
als Erben der Thiers'schen Traditionen betrachteten Herrn Barthelemy Samt
Hilaire zu einem so verantwortungsvollen Posten zur Genüge die Bedenken,
womit ein Theil der europäischen Presse nicht hinter dem Berge halten zu sollen
meinte, als sie nach den Gründen der Demission des Herrn de Freycinet forschte,
so verliert doch um deswillen eine Maßregel wie die von Herrn Barthelemy
Samt Hilaire ergriffene nicht das Geringste von ihrem Werthe. Die unzwei¬
deutige Versicherung, daß der jüngst vollzogene Cabinetswechsel nichts an der
von dem letzten Ministerium befolgten auswärtigen Politik ändern werde, wiegt
in der politischen Constellation um so schwerer, je offenkundiger sich herausstellt,
welche unschätzbaren Dienste das feste, ungetrübte Einvernehmen aller Mächte
in der Behandlung schwieriger Fragen leistet, deren Austragung der europäische
Areopag nun einmal unternommen hat. Herr Barthelemy Samt Hilaire will,
wie die unter Zuhilfenahme des elektrischen Drahtes bewirkte Veröffentlichung
seines Ruudschreibeus beweist, die Welt uicht einen einzigen Augenblick der Be¬
fürchtung anheimfallen lassen, als könne die Regierung Frankreichs von jetzt an
weniger Gewicht wie bisher auf die Erhaltung des Friedens legen, der ,so heil¬
sam für seine Wohlfahrt und seine Ehre ist". Für dieses Programm tritt, der


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[0135] zwischen Deutschland und Oesterreich betrachtet er als mächtiges Culturwerkzeug für die zwischen Griechenland und der Donau wohnenden Völkerstämme, eine Auffassung, die er mit Lebhaftigkeit vertritt. Allerdings wünscht er ein Wachs¬ thum des französischen Einflusses, aber eine materielle Ausdehnung Frankreichs würde ihn mit Besorgniß erfüllen. Seine festgewurzelten Ueberzeugungen, die Mäßigung und Billigkeit seiner Anschauungen, sein Haß gegen den gemeinen Chauvinismus und die Selbständigkeit seines Charakters sind Bürgschaften des Friedens." Auch von anderen Seiten werden dem neuen Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs Zeugnisse warmer Anerkennung ausgestellt. Schade, daß er schon hochbejahrt ist, und daß neben ihm in Paris ein Jüngerer lebt, der bis jetzt die Macht besaß, Minister nicht bloß zu machen, sondern auch zu stürzen. Vorläufig hat Barthelemy Samt Hilaire das bei seiner Berufung in ihn gesetzte Vertrauen durchaus gerechtfertigt. Das Rundschreiben an die diploma¬ tischen Vertreter Frankreichs im Auslande, mit dem er sein Amt antrat, wird überall, wo man die Erhaltung des Friedens wünscht, den besten Eindruck ge¬ macht und jede Trübung, welche Gambettas Cherbourger Punschrede in den officiellen Beziehungen zwischen uns und unseren Nachbarn jenseits der Vogesen etwa verursacht haben könnte, verwischt haben, sodaß gegenwärtig die Aussichten nach dieser Richtung des Horizonts hin friedlicher als je seit 1871 sind. Wir Pflichten der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei, wenn sie sagte: „Wider¬ legt schon die bloße Thatsache der Berufung des allgemein und wohl mit Recht als Erben der Thiers'schen Traditionen betrachteten Herrn Barthelemy Samt Hilaire zu einem so verantwortungsvollen Posten zur Genüge die Bedenken, womit ein Theil der europäischen Presse nicht hinter dem Berge halten zu sollen meinte, als sie nach den Gründen der Demission des Herrn de Freycinet forschte, so verliert doch um deswillen eine Maßregel wie die von Herrn Barthelemy Samt Hilaire ergriffene nicht das Geringste von ihrem Werthe. Die unzwei¬ deutige Versicherung, daß der jüngst vollzogene Cabinetswechsel nichts an der von dem letzten Ministerium befolgten auswärtigen Politik ändern werde, wiegt in der politischen Constellation um so schwerer, je offenkundiger sich herausstellt, welche unschätzbaren Dienste das feste, ungetrübte Einvernehmen aller Mächte in der Behandlung schwieriger Fragen leistet, deren Austragung der europäische Areopag nun einmal unternommen hat. Herr Barthelemy Samt Hilaire will, wie die unter Zuhilfenahme des elektrischen Drahtes bewirkte Veröffentlichung seines Ruudschreibeus beweist, die Welt uicht einen einzigen Augenblick der Be¬ fürchtung anheimfallen lassen, als könne die Regierung Frankreichs von jetzt an weniger Gewicht wie bisher auf die Erhaltung des Friedens legen, der ,so heil¬ sam für seine Wohlfahrt und seine Ehre ist". Für dieses Programm tritt, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/135>, abgerufen am 28.12.2024.