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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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in den Bergen von Margariti und Paramythia circa 50000 giebt, und diese
Begehrlichkeit hat ihre großen Bedenken.

"Wir begreifen," sagt Becker S. 46, "recht wohl, daß die zögernde Politik
des Cabinets von Athen während des letzten Krieges, eine Politik, welche dem
Lande die Ausgaben für einen Krieg kostete, ohne ihm sichere Aussicht auf Ge-
winn zu verschaffe", und es dicht vor einen Bankerott führte, die hellenische
Negierung bewegt, ihr finanzielles Heil in der Einverleibung eines beträchtlichen
Landstriches Albaniens und Thessaliens zu suchen, der groß genug ist, um durch
seine Steuern das Gleichgewicht in ihrem Budget wieder herzustellen. Aber
kann Griechenland wirklich meinen, daß es Südalbanien bis über Janina hinaus
ohne einen erbitterten und langwierigen Kampf mit dem größtem Theile der
Albanesen zu gewinnen im Stande sein würde? Wir glaube" es uicht, und wir
können ferner nicht glauben, daß die Griechen aus einem solchen Kampfe als
Sieger hervorgehen würden. Indeß, setzen wir einmal den Fall, daß es denselben
zuletzt gelänge, den Widerstand der Albanesen zu brechen und die Grenze von Hellas
bis zum Kalcunas auszudehnen -- in welchen: Zustande würde sich dann das
Land befinden? Man weiß jetzt zur Genüge, in welchem Stil unter den Völkern
der Balkanhalbinsel Krieg geführt zu werden pflegt. Die Albanesen würden in
jenem Falle die ganze von Griechen bewohnte Region des Laudes mit Feuer
und Schwert verwüsten, und die Griechen, wenigstens die das reguläre Heer
begleitenden Freischaaren, würden mit den von Albanesen bewohnten Ortschaften
und Gegenden desgleichen thun. Zuletzt würde dem Sieger nichts als ein Land
voll Trümmerstätten, verwüstete Pflanzungen und Leichenhaufen übrig bleiben
wie die, welche nach 1827 den Peloponnes und Attika bedeckten. Jahre lang
würde der Staatsschatz in Athen aus seiner Eroberung in Epirus keine Drachme
an Steuer beziehen, und selbst die Einkünfte des weit fruchtbarem Thessalien
würden durch einen solchen grausamen Krieg vermindert werden; denn in Epirus
begonnen, würde derselbe sich bald über das Land östlich vom Pindus aus¬
breiten und mich hier arge Verheerung anrichten."

Noch mehr: der Krieg mit den Albanesen, welche ohne Zweifel von der
Pforte im Stillen nach Möglichkeit unterstützt werden würden, hätte sicherlich
nicht bloß eine Verminderung des Steuerertrags der zu annectirenden Land¬
striche zur Folge, sondern würde auch dem griechischen Staatsschatze, der sich
schon jetzt keineswegs in behäbiger Lage befindet, reckt theuer zu stehen kommen.
Schließlich aber würde Griechenland mit dem von der Pforte abgetretenen Lande
auch die auf dasselbe fallende Quote der ottomanischen Staatsschuld zu über¬
nehmen haben. Alles das zusammengenommen, könnte man, wenn man sich die
Sache vom kaufmännischen Standpunkte ansieht, nur in dem Falle von einem


in den Bergen von Margariti und Paramythia circa 50000 giebt, und diese
Begehrlichkeit hat ihre großen Bedenken.

„Wir begreifen," sagt Becker S. 46, „recht wohl, daß die zögernde Politik
des Cabinets von Athen während des letzten Krieges, eine Politik, welche dem
Lande die Ausgaben für einen Krieg kostete, ohne ihm sichere Aussicht auf Ge-
winn zu verschaffe», und es dicht vor einen Bankerott führte, die hellenische
Negierung bewegt, ihr finanzielles Heil in der Einverleibung eines beträchtlichen
Landstriches Albaniens und Thessaliens zu suchen, der groß genug ist, um durch
seine Steuern das Gleichgewicht in ihrem Budget wieder herzustellen. Aber
kann Griechenland wirklich meinen, daß es Südalbanien bis über Janina hinaus
ohne einen erbitterten und langwierigen Kampf mit dem größtem Theile der
Albanesen zu gewinnen im Stande sein würde? Wir glaube» es uicht, und wir
können ferner nicht glauben, daß die Griechen aus einem solchen Kampfe als
Sieger hervorgehen würden. Indeß, setzen wir einmal den Fall, daß es denselben
zuletzt gelänge, den Widerstand der Albanesen zu brechen und die Grenze von Hellas
bis zum Kalcunas auszudehnen — in welchen: Zustande würde sich dann das
Land befinden? Man weiß jetzt zur Genüge, in welchem Stil unter den Völkern
der Balkanhalbinsel Krieg geführt zu werden pflegt. Die Albanesen würden in
jenem Falle die ganze von Griechen bewohnte Region des Laudes mit Feuer
und Schwert verwüsten, und die Griechen, wenigstens die das reguläre Heer
begleitenden Freischaaren, würden mit den von Albanesen bewohnten Ortschaften
und Gegenden desgleichen thun. Zuletzt würde dem Sieger nichts als ein Land
voll Trümmerstätten, verwüstete Pflanzungen und Leichenhaufen übrig bleiben
wie die, welche nach 1827 den Peloponnes und Attika bedeckten. Jahre lang
würde der Staatsschatz in Athen aus seiner Eroberung in Epirus keine Drachme
an Steuer beziehen, und selbst die Einkünfte des weit fruchtbarem Thessalien
würden durch einen solchen grausamen Krieg vermindert werden; denn in Epirus
begonnen, würde derselbe sich bald über das Land östlich vom Pindus aus¬
breiten und mich hier arge Verheerung anrichten."

Noch mehr: der Krieg mit den Albanesen, welche ohne Zweifel von der
Pforte im Stillen nach Möglichkeit unterstützt werden würden, hätte sicherlich
nicht bloß eine Verminderung des Steuerertrags der zu annectirenden Land¬
striche zur Folge, sondern würde auch dem griechischen Staatsschatze, der sich
schon jetzt keineswegs in behäbiger Lage befindet, reckt theuer zu stehen kommen.
Schließlich aber würde Griechenland mit dem von der Pforte abgetretenen Lande
auch die auf dasselbe fallende Quote der ottomanischen Staatsschuld zu über¬
nehmen haben. Alles das zusammengenommen, könnte man, wenn man sich die
Sache vom kaufmännischen Standpunkte ansieht, nur in dem Falle von einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/85>, abgerufen am 23.07.2024.