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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Auge hatten. Sie erließen an die muhammedanischen Häuptlinge dieser Land¬
striche die Aufforderung, sich zu Verhandlungen in Prevesa einzufinden, und
diese Kapitcmi säumten nicht, dem Verlangen der Beamten des Sultans zu ent¬
sprechen. Etwa anderthalbhundert derselben stellten sich ein, darunter der mächtige
und einflußreiche Mustafa Pascha von Valona, und im Hause Abeddin Beis
discutirte man offen die Maßregeln, welche zu treffen seien, falls die türkische
Regierung sich genöthigt sehen sollte, dem Drucke der Großmächte nachzugeben
und Südalbanien mit Einschluß von Janina an Griechenland abzutreten. Die
Kapitcmi zeigten sich bereit, bei einer solchen nicht offiziellen Vertheidigung mit¬
zuwirken, und die Regierung beeilte sich, sie dazu in Stand zu setzen, indem
sie sofort auf den Lloyd-Dampfern, welche die albanesische Küste befahren, und
anderen Schiffen Kriegsvorräthe ins Land schaffen ließ. Die Stämme der mu-
haimnedanischen Tosken wurden mit Präcisionswaffen versehen, die Festungswerke
von Prevesa ausgebessert und armirt, an verschiedenen Punkten Verschanzungen
angelegt und Munition sowie Lebensmittel dahin gebracht, damit sie im Stande
seien, eine Belagerung auszuhalten. Sodann aber sandten die mahammedanischen
Tosken des Südens an ihre Glaubensgenossen im Norden Abgeordnete, um sich
mit denselben über gemeinschaftliches Handeln in Einvernehmen zu setzen. Die
Aufnahme derselben von Seiten der geghischen Malisoren war nach Becker eine
kühle, und das ist zu glauben, da Tosken und Geghen bis dahin fast völlig getrennt
von einander gelebt hatten und, wo sie sich berührt, eher feindlich als freund¬
lich gegen einander aufgetreten waren. Indeß erhoben Leute, die einen weiteren
Gesichtskreis als die übrigen hatten, ihre Stimme für eine Uebereinkunft, Muktar
Pascha, welcher inzwischen Oberbefehlshaber des dritten türkischen Armeecorps
geworden war, das in diesen Gegenden sich rekrutirt, wendete ebenfalls seinen
Einfluß zum Zwecke einer Verständigung an, und so kam zuletzt durch diese
Gesandtschaft wenigstens ein leidliches Abkommen zu Stande, nach welchem die
Tosken für den Fall eines Einbruchs der griechischen Armee auf bewaffneten
Beistand ihrer Landsleute im Norden rechnen können.

Nachdem durch diese Uebereinkunft der muselmännischen Bevölkerung Süd-
und Nordalbaniens der Grund zum Aufbau einer albanesischen Nationalität
gelegt war, war nur noch der Beitritt der christlichen Geghen und Tosken zu
dem Vorhaben der Liga zu erwarten, um das Gebäude zu vollenden. Dazu
aber fand sich, soweit es die römisch-katholischen Stämme anging, vor einigen
Monaten Gelegenheit, oder dazu wurde, wie Becker behauptet, durch die Pforte
Gelegenheit geschaffen, und zwar so, daß auf deren Betrieb unter Mitwirkung
der Italiener dem Fürsten nitida von Montenegro der Austausch des Gebietes
von Plawa und Gussinje gegen andere Gebietstheile Albaniens vorgeschlagen
wurde, die ganz von Albanesen und zwar von römisch-katholischen Albanesen


Auge hatten. Sie erließen an die muhammedanischen Häuptlinge dieser Land¬
striche die Aufforderung, sich zu Verhandlungen in Prevesa einzufinden, und
diese Kapitcmi säumten nicht, dem Verlangen der Beamten des Sultans zu ent¬
sprechen. Etwa anderthalbhundert derselben stellten sich ein, darunter der mächtige
und einflußreiche Mustafa Pascha von Valona, und im Hause Abeddin Beis
discutirte man offen die Maßregeln, welche zu treffen seien, falls die türkische
Regierung sich genöthigt sehen sollte, dem Drucke der Großmächte nachzugeben
und Südalbanien mit Einschluß von Janina an Griechenland abzutreten. Die
Kapitcmi zeigten sich bereit, bei einer solchen nicht offiziellen Vertheidigung mit¬
zuwirken, und die Regierung beeilte sich, sie dazu in Stand zu setzen, indem
sie sofort auf den Lloyd-Dampfern, welche die albanesische Küste befahren, und
anderen Schiffen Kriegsvorräthe ins Land schaffen ließ. Die Stämme der mu-
haimnedanischen Tosken wurden mit Präcisionswaffen versehen, die Festungswerke
von Prevesa ausgebessert und armirt, an verschiedenen Punkten Verschanzungen
angelegt und Munition sowie Lebensmittel dahin gebracht, damit sie im Stande
seien, eine Belagerung auszuhalten. Sodann aber sandten die mahammedanischen
Tosken des Südens an ihre Glaubensgenossen im Norden Abgeordnete, um sich
mit denselben über gemeinschaftliches Handeln in Einvernehmen zu setzen. Die
Aufnahme derselben von Seiten der geghischen Malisoren war nach Becker eine
kühle, und das ist zu glauben, da Tosken und Geghen bis dahin fast völlig getrennt
von einander gelebt hatten und, wo sie sich berührt, eher feindlich als freund¬
lich gegen einander aufgetreten waren. Indeß erhoben Leute, die einen weiteren
Gesichtskreis als die übrigen hatten, ihre Stimme für eine Uebereinkunft, Muktar
Pascha, welcher inzwischen Oberbefehlshaber des dritten türkischen Armeecorps
geworden war, das in diesen Gegenden sich rekrutirt, wendete ebenfalls seinen
Einfluß zum Zwecke einer Verständigung an, und so kam zuletzt durch diese
Gesandtschaft wenigstens ein leidliches Abkommen zu Stande, nach welchem die
Tosken für den Fall eines Einbruchs der griechischen Armee auf bewaffneten
Beistand ihrer Landsleute im Norden rechnen können.

Nachdem durch diese Uebereinkunft der muselmännischen Bevölkerung Süd-
und Nordalbaniens der Grund zum Aufbau einer albanesischen Nationalität
gelegt war, war nur noch der Beitritt der christlichen Geghen und Tosken zu
dem Vorhaben der Liga zu erwarten, um das Gebäude zu vollenden. Dazu
aber fand sich, soweit es die römisch-katholischen Stämme anging, vor einigen
Monaten Gelegenheit, oder dazu wurde, wie Becker behauptet, durch die Pforte
Gelegenheit geschaffen, und zwar so, daß auf deren Betrieb unter Mitwirkung
der Italiener dem Fürsten nitida von Montenegro der Austausch des Gebietes
von Plawa und Gussinje gegen andere Gebietstheile Albaniens vorgeschlagen
wurde, die ganz von Albanesen und zwar von römisch-katholischen Albanesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/83>, abgerufen am 23.07.2024.