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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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uns bedünken, als hätte er ihn in diesem Jahre hüben und drüben, in Berlin
wie in Düsseldorf, geschlagen. Auf der Marine in Düsseldorf, einem Noth¬
hafen an der norwegischen Küste, ist der Hauptaeeent auf die imposante Fels-
sormation gelegt, welche den Blick gegen das Land abschließt. Eines der Ber¬
liner Gemälde, "In Sicht der norwegischen Küste", -- im Hintergrunde rechts
ist die Küste als niedrige Felsenbank erkenntlich -- ist dagegen nnr auf den colo-
ristischen Effect gemalt, den das Licht durch seine Begegnung mit dem smaragd¬
grünen Wasser hervorruft. Wie häufig bei Gude, ist das Beleuchtungmotiv auch
hier das sogenannte "gedrückte Sonnenlicht", d. h. die Sonne ist gegen den Be¬
schauer durch leicht geballte Wolken versteckt und wirft ihr volles Licht nnr auf
den schmalen Streifen, welcher die Unterscheidungslinie zwischen Himmel und
Meer bildet. Dort glitzert und glänzt es in tausend goldenen Funken, während
die See im Vorder- und Mittelgrunde unter dem verhaltenen Licht die eigene
Leuchtkraft behalten hat, deren gleichmäßige Intensität nur durch die überköpfenden
Wellen unterbrochen wird. Gold und grün ist eine der schönsten Farbenverbin¬
dungen, die wir kennen, volle Accorde, die einander ergänzen, ohne die Mittel¬
töne unumgänglich zu brauchen. Auf den auf- und niedersteigenden Wogen
tanzen zwei starkbemannte Schaluppen; die eine ist eben zu Thal gestiegen,
während die andere auf dem schaumgekrönten Kamm einer Welle sitzt. Drei¬
master und Dampfer beleben die nur leicht gehende See noch weiter. Der Maler
hat hier ein Hoheslied zum Preise des Meeres angestimmt, welches in jedem
Verse eine dichterische Kraft ersten Ranges verräth. Noch stimmungsvoller,
wenn auch coloristisch einfacher behandelt ist "Die Heide von Listen im südlichen
Norwegen". Die Heide zieht sich am Gestade des Meeres hin, dessen glatter Spiegel
im Hintergrunde unter dem Sonnenlichte wie eine krystallene, in Silber ge¬
faßte Schaale aufleuchtet.

Die hehre Poesie der nordischen Meere liefert aber nicht bloß den nach
Deutschland übergesiedelte Scandinaviern unerschöpflichen Stoff, auch die deutschen
Marinemaler lenken mit Vorliebe ihre Studienreisen nach dem Norden. Der
junge Oesterley hat sich mit einem unter phantastischer Beleuchtung gemalten
norwegischen Fjord in München die große goldene Medaille geholt, und in
Berlin sucht er den neu erworbenen Ruhm durch ein ähnliches Effectstück
"Sommernacht bei den Lofoten" zu behaupten. Seine Malweise ist jedoch im
Vergleich mit der flüssigen Art Gudes sehr grobkörnig. Er setzt die Lichter
in plastischer Körperlichkeit auf, so daß der Beschauer schon viel guten Willen
mitbringen muß, um über diesen derben Farbenpcchen hinwegzusehen. Die
Wirkung geht auch mehr ins Decorative. Wie es dem Wasser an Transparenz
und Leuchtkraft gebricht, fehlt es dem Ganzen an Seele und Wärme der
Empfindung.


uns bedünken, als hätte er ihn in diesem Jahre hüben und drüben, in Berlin
wie in Düsseldorf, geschlagen. Auf der Marine in Düsseldorf, einem Noth¬
hafen an der norwegischen Küste, ist der Hauptaeeent auf die imposante Fels-
sormation gelegt, welche den Blick gegen das Land abschließt. Eines der Ber¬
liner Gemälde, „In Sicht der norwegischen Küste", — im Hintergrunde rechts
ist die Küste als niedrige Felsenbank erkenntlich — ist dagegen nnr auf den colo-
ristischen Effect gemalt, den das Licht durch seine Begegnung mit dem smaragd¬
grünen Wasser hervorruft. Wie häufig bei Gude, ist das Beleuchtungmotiv auch
hier das sogenannte „gedrückte Sonnenlicht", d. h. die Sonne ist gegen den Be¬
schauer durch leicht geballte Wolken versteckt und wirft ihr volles Licht nnr auf
den schmalen Streifen, welcher die Unterscheidungslinie zwischen Himmel und
Meer bildet. Dort glitzert und glänzt es in tausend goldenen Funken, während
die See im Vorder- und Mittelgrunde unter dem verhaltenen Licht die eigene
Leuchtkraft behalten hat, deren gleichmäßige Intensität nur durch die überköpfenden
Wellen unterbrochen wird. Gold und grün ist eine der schönsten Farbenverbin¬
dungen, die wir kennen, volle Accorde, die einander ergänzen, ohne die Mittel¬
töne unumgänglich zu brauchen. Auf den auf- und niedersteigenden Wogen
tanzen zwei starkbemannte Schaluppen; die eine ist eben zu Thal gestiegen,
während die andere auf dem schaumgekrönten Kamm einer Welle sitzt. Drei¬
master und Dampfer beleben die nur leicht gehende See noch weiter. Der Maler
hat hier ein Hoheslied zum Preise des Meeres angestimmt, welches in jedem
Verse eine dichterische Kraft ersten Ranges verräth. Noch stimmungsvoller,
wenn auch coloristisch einfacher behandelt ist „Die Heide von Listen im südlichen
Norwegen". Die Heide zieht sich am Gestade des Meeres hin, dessen glatter Spiegel
im Hintergrunde unter dem Sonnenlichte wie eine krystallene, in Silber ge¬
faßte Schaale aufleuchtet.

Die hehre Poesie der nordischen Meere liefert aber nicht bloß den nach
Deutschland übergesiedelte Scandinaviern unerschöpflichen Stoff, auch die deutschen
Marinemaler lenken mit Vorliebe ihre Studienreisen nach dem Norden. Der
junge Oesterley hat sich mit einem unter phantastischer Beleuchtung gemalten
norwegischen Fjord in München die große goldene Medaille geholt, und in
Berlin sucht er den neu erworbenen Ruhm durch ein ähnliches Effectstück
„Sommernacht bei den Lofoten" zu behaupten. Seine Malweise ist jedoch im
Vergleich mit der flüssigen Art Gudes sehr grobkörnig. Er setzt die Lichter
in plastischer Körperlichkeit auf, so daß der Beschauer schon viel guten Willen
mitbringen muß, um über diesen derben Farbenpcchen hinwegzusehen. Die
Wirkung geht auch mehr ins Decorative. Wie es dem Wasser an Transparenz
und Leuchtkraft gebricht, fehlt es dem Ganzen an Seele und Wärme der
Empfindung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/541>, abgerufen am 23.07.2024.