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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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zur Bezeichnung des Unwahren, Unzuverlässiger, Falschen gebrauchte Ausdruck
"faule Fische" und die Redensart "einem den Staar stechen" (^- einen über
etwas aufklären) wenn nicht ihre Entstehung, so doch ihre häufige Anwendung
im übertragenen Sinne verdanken. Alliteration scheint ferner in: Spiele zu sein
bei der Entstehung von Redensarten wie "der Kuckuck und sein Küster" (er er¬
scheint meines Wissens nie in anderer Begleitung), "in hellen Haufen", "Feuer
sangen", lügen, daß sich "die Balken biegen", ebenso in Kraftwörtern wie "Tod
und Teufel" oder "Hol's der Henker"! Ein Beispiel endlich nicht ganz reiner
Alliteration mit Doppelconsonanz (in beiden Wörtern f in Verbindung mit einer
Liquida, das eine mal mit l, das zweite mal mit dem ihm nahe verwandten
und auch als nahe verwandt gefühlten r) bietet das Sprichwort, welches "Fliegen
und Freunde" im Sommer kommen läßt.

Nicht selten sind die Fälle, wo zur Verstärkung eines Begriffs dem be¬
treffenden Worte (z. B. einem Adjectiv) ein mit ihm alliterirendes anderes
Wort vorgesetzt wird. Wir sprechen von "nagelneu", freilich sehr bezeichnend, da
bei einem neuen Nagel das Blanke, Schmucke recht ins Auge fällt, wie dies
ja auch die Weiterbildung "funkelnagelneu" ausdrücklich hervorhebt. Aber daß
diese Thatsache allein den Grund zu der Bildung des Wortes enthielte, und
nicht vielmehr auch hier wieder die Alliteration mitgewirkt hätte, wird schwerlich
jemand glauben, so wenig wie bloß der Sinn, der ja auch manche andere,
eben so treffende Bildung zugelassen hätte, Anlaß gab zu Zusammensetzungen
wie goldgelb, grasgrün, Hans- oder himmelhoch, rosenroth, windelweich und anderen.
In solchen Zusammensetzungen wird eben sehr gern Alliteration angebracht; das
zeigen auch Wörter wie bitterböse, lichterloh, mort(s)mäßig. Auch in blitzblau
haben wir ein Beispiel dieser Art; wie in den Zusammensetzungen Blitzjunge,
Blitzmädel u. ähnlichen, so steht auch hier das "blitz", welches ja oft auch geradezu
als Interjektion erscheint, zur kräftige,: Bezeichnung des außergewöhnlich in die
Augen fallenden, frappanten. Daß aber unter allen Farben gerade das Blau
durch diese Vorsilbe ausgezeichnet wird, nicht auch, wie man ja wohl erwarten
könnte, das Roth, hat seinen Grund gewiß wieder in der Alliteration. Zu¬
weilen kann man auch in diesen Zusammensetzungen wieder bemerken, daß dem
Streben uach Alliteration zu Liebe ein weniger charakteristisches, ja selbst ein
völlig oder doch ziemlich sinnloses Wort vorgesetzt wird, dessen hauptsächlicher,
wenn nicht gar einziger Werth eben nur in der Alliteration liegt; so in dudel¬
dick (sich dudeldick betrinken), nudelnett, klimperklein, (auch klitzeklein) oder dem
in Hessen vorkommenden ritzerauseroth.

Auch dafür fehlt es nicht an Belegen, daß die Alliteration zuweilen in
scherzhaften Wendungen ihren Einfluß geltend macht. Etwas ist "klar wie
Kloßbrühe" oder "klar wie dicke Dinte" -- das sind scherzhafte Redensarten, von


zur Bezeichnung des Unwahren, Unzuverlässiger, Falschen gebrauchte Ausdruck
„faule Fische" und die Redensart „einem den Staar stechen" (^- einen über
etwas aufklären) wenn nicht ihre Entstehung, so doch ihre häufige Anwendung
im übertragenen Sinne verdanken. Alliteration scheint ferner in: Spiele zu sein
bei der Entstehung von Redensarten wie „der Kuckuck und sein Küster" (er er¬
scheint meines Wissens nie in anderer Begleitung), „in hellen Haufen", „Feuer
sangen", lügen, daß sich „die Balken biegen", ebenso in Kraftwörtern wie „Tod
und Teufel" oder „Hol's der Henker"! Ein Beispiel endlich nicht ganz reiner
Alliteration mit Doppelconsonanz (in beiden Wörtern f in Verbindung mit einer
Liquida, das eine mal mit l, das zweite mal mit dem ihm nahe verwandten
und auch als nahe verwandt gefühlten r) bietet das Sprichwort, welches „Fliegen
und Freunde" im Sommer kommen läßt.

Nicht selten sind die Fälle, wo zur Verstärkung eines Begriffs dem be¬
treffenden Worte (z. B. einem Adjectiv) ein mit ihm alliterirendes anderes
Wort vorgesetzt wird. Wir sprechen von „nagelneu", freilich sehr bezeichnend, da
bei einem neuen Nagel das Blanke, Schmucke recht ins Auge fällt, wie dies
ja auch die Weiterbildung „funkelnagelneu" ausdrücklich hervorhebt. Aber daß
diese Thatsache allein den Grund zu der Bildung des Wortes enthielte, und
nicht vielmehr auch hier wieder die Alliteration mitgewirkt hätte, wird schwerlich
jemand glauben, so wenig wie bloß der Sinn, der ja auch manche andere,
eben so treffende Bildung zugelassen hätte, Anlaß gab zu Zusammensetzungen
wie goldgelb, grasgrün, Hans- oder himmelhoch, rosenroth, windelweich und anderen.
In solchen Zusammensetzungen wird eben sehr gern Alliteration angebracht; das
zeigen auch Wörter wie bitterböse, lichterloh, mort(s)mäßig. Auch in blitzblau
haben wir ein Beispiel dieser Art; wie in den Zusammensetzungen Blitzjunge,
Blitzmädel u. ähnlichen, so steht auch hier das „blitz", welches ja oft auch geradezu
als Interjektion erscheint, zur kräftige,: Bezeichnung des außergewöhnlich in die
Augen fallenden, frappanten. Daß aber unter allen Farben gerade das Blau
durch diese Vorsilbe ausgezeichnet wird, nicht auch, wie man ja wohl erwarten
könnte, das Roth, hat seinen Grund gewiß wieder in der Alliteration. Zu¬
weilen kann man auch in diesen Zusammensetzungen wieder bemerken, daß dem
Streben uach Alliteration zu Liebe ein weniger charakteristisches, ja selbst ein
völlig oder doch ziemlich sinnloses Wort vorgesetzt wird, dessen hauptsächlicher,
wenn nicht gar einziger Werth eben nur in der Alliteration liegt; so in dudel¬
dick (sich dudeldick betrinken), nudelnett, klimperklein, (auch klitzeklein) oder dem
in Hessen vorkommenden ritzerauseroth.

Auch dafür fehlt es nicht an Belegen, daß die Alliteration zuweilen in
scherzhaften Wendungen ihren Einfluß geltend macht. Etwas ist „klar wie
Kloßbrühe" oder „klar wie dicke Dinte" — das sind scherzhafte Redensarten, von


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[0534] zur Bezeichnung des Unwahren, Unzuverlässiger, Falschen gebrauchte Ausdruck „faule Fische" und die Redensart „einem den Staar stechen" (^- einen über etwas aufklären) wenn nicht ihre Entstehung, so doch ihre häufige Anwendung im übertragenen Sinne verdanken. Alliteration scheint ferner in: Spiele zu sein bei der Entstehung von Redensarten wie „der Kuckuck und sein Küster" (er er¬ scheint meines Wissens nie in anderer Begleitung), „in hellen Haufen", „Feuer sangen", lügen, daß sich „die Balken biegen", ebenso in Kraftwörtern wie „Tod und Teufel" oder „Hol's der Henker"! Ein Beispiel endlich nicht ganz reiner Alliteration mit Doppelconsonanz (in beiden Wörtern f in Verbindung mit einer Liquida, das eine mal mit l, das zweite mal mit dem ihm nahe verwandten und auch als nahe verwandt gefühlten r) bietet das Sprichwort, welches „Fliegen und Freunde" im Sommer kommen läßt. Nicht selten sind die Fälle, wo zur Verstärkung eines Begriffs dem be¬ treffenden Worte (z. B. einem Adjectiv) ein mit ihm alliterirendes anderes Wort vorgesetzt wird. Wir sprechen von „nagelneu", freilich sehr bezeichnend, da bei einem neuen Nagel das Blanke, Schmucke recht ins Auge fällt, wie dies ja auch die Weiterbildung „funkelnagelneu" ausdrücklich hervorhebt. Aber daß diese Thatsache allein den Grund zu der Bildung des Wortes enthielte, und nicht vielmehr auch hier wieder die Alliteration mitgewirkt hätte, wird schwerlich jemand glauben, so wenig wie bloß der Sinn, der ja auch manche andere, eben so treffende Bildung zugelassen hätte, Anlaß gab zu Zusammensetzungen wie goldgelb, grasgrün, Hans- oder himmelhoch, rosenroth, windelweich und anderen. In solchen Zusammensetzungen wird eben sehr gern Alliteration angebracht; das zeigen auch Wörter wie bitterböse, lichterloh, mort(s)mäßig. Auch in blitzblau haben wir ein Beispiel dieser Art; wie in den Zusammensetzungen Blitzjunge, Blitzmädel u. ähnlichen, so steht auch hier das „blitz", welches ja oft auch geradezu als Interjektion erscheint, zur kräftige,: Bezeichnung des außergewöhnlich in die Augen fallenden, frappanten. Daß aber unter allen Farben gerade das Blau durch diese Vorsilbe ausgezeichnet wird, nicht auch, wie man ja wohl erwarten könnte, das Roth, hat seinen Grund gewiß wieder in der Alliteration. Zu¬ weilen kann man auch in diesen Zusammensetzungen wieder bemerken, daß dem Streben uach Alliteration zu Liebe ein weniger charakteristisches, ja selbst ein völlig oder doch ziemlich sinnloses Wort vorgesetzt wird, dessen hauptsächlicher, wenn nicht gar einziger Werth eben nur in der Alliteration liegt; so in dudel¬ dick (sich dudeldick betrinken), nudelnett, klimperklein, (auch klitzeklein) oder dem in Hessen vorkommenden ritzerauseroth. Auch dafür fehlt es nicht an Belegen, daß die Alliteration zuweilen in scherzhaften Wendungen ihren Einfluß geltend macht. Etwas ist „klar wie Kloßbrühe" oder „klar wie dicke Dinte" — das sind scherzhafte Redensarten, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/534>, abgerufen am 23.07.2024.