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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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liberalen Mehrheit des letzten Landtages nicht einverstanden waren, eine gewisse
Zuversicht einflößte, hat im Verein mit der immer unverhüllter sich kundgeben¬
den Volksmeinung die Spitze der Partei nach rechts hinüber gedrängt, so daß
selbst die Herren Kiefer, Fieser und Bähr für den liberalen Schutzzöllner ein¬
traten. Der Erfolg war, daß, obgleich alle anderen Parteien mit höchster An¬
strengung gegen die nationale und liberale Partei in den Wahlkampf traten,
doch die letztere beinahe die Mehrheit erhielt und nur gegen 200 Stimmen
weniger hatte als die ultramontan-conservative, die demokratische und die social
demokratische Partei zusammen. Bei der am 26. Juni vorgenommenen Stich¬
wahl aber erfocht die liberale Partei einen glänzenden Sieg: der gemüßigt
liberale und schutzzöllnerische Candidat Klumpp siegte mit 9611 Stimmen gegen
den Candidaten der vereinigten Conservativen und Ultramontanen, Pfarrer
Mühlhänser, der nur 6084 Stimmen erhielt.

Möchte dieser Sieg nun auch die Folgen haben, die ihn allein erst zu einem
erfreulichen machen können: daß man die wirthschaftliche Frage ein- für allemal
von der Politik ablöst, und daß man in Zukunft ebenso Candidaten auf deu Schild
zu heben sucht, deren Persönlichkeit von vornherein den Wählern so sympathisch
ist wie in diesem Falle. Das deutsche Volk im allgemeinen, unser badisches
aber uicht am wenigsten, hat einen großen Widerwillen gegen die Beamten- und
Priester-Parlamente. Man verlangt nach Volksvertretern, die auch für des
Volkes Wohl und Wehe vermöge ihrer bürgerlichen und wirthschaftlichen Stellung
Verständniß haben. Man ist es überdrüssig, sich bloß an der Theorie zu erfreuen.

Ein großes, freudiges Aufsehen erregte im ganzen Lande eine kürzlich von
dem Großherzog beim Besuche der GeWerbeausstellung in Schopfheim gehaltene
Rede, in welcher derselbe betonte, daß von der befürchteten Versumpfung in
der badischen Politik keine Rede sein könne, sondern die Regierung in den seit¬
herigen Bahnen weitergehen werde. Freilich stand damit eine andere Rede des
Fürsten, in welcher er der katholischen Studentenverbindung Arminia ein größeres
Wachsthum prophezeite, im scheinbaren Gegensatze; aber die Thaten, nach denen
man doch allein jede Regierung beurtheilen sollte, sprechen dafür, daß es dem
Großherzog Ernst damit ist, den Herren v. Marschall und v. Gobler ans seine
Regierung niemals Einfluß zu gestatten. So können wir im Augenblicke hier
sehr zufrieden sein. Die Regierung hat eine selbständige, gemäßigt liberale
Richtung, und die liberale Partei hat mitsammt ihren Führern eine Rechts¬
schwenkung gemacht, welche ihr wie dem Lande nur zum Besten gereichen kann.




liberalen Mehrheit des letzten Landtages nicht einverstanden waren, eine gewisse
Zuversicht einflößte, hat im Verein mit der immer unverhüllter sich kundgeben¬
den Volksmeinung die Spitze der Partei nach rechts hinüber gedrängt, so daß
selbst die Herren Kiefer, Fieser und Bähr für den liberalen Schutzzöllner ein¬
traten. Der Erfolg war, daß, obgleich alle anderen Parteien mit höchster An¬
strengung gegen die nationale und liberale Partei in den Wahlkampf traten,
doch die letztere beinahe die Mehrheit erhielt und nur gegen 200 Stimmen
weniger hatte als die ultramontan-conservative, die demokratische und die social
demokratische Partei zusammen. Bei der am 26. Juni vorgenommenen Stich¬
wahl aber erfocht die liberale Partei einen glänzenden Sieg: der gemüßigt
liberale und schutzzöllnerische Candidat Klumpp siegte mit 9611 Stimmen gegen
den Candidaten der vereinigten Conservativen und Ultramontanen, Pfarrer
Mühlhänser, der nur 6084 Stimmen erhielt.

Möchte dieser Sieg nun auch die Folgen haben, die ihn allein erst zu einem
erfreulichen machen können: daß man die wirthschaftliche Frage ein- für allemal
von der Politik ablöst, und daß man in Zukunft ebenso Candidaten auf deu Schild
zu heben sucht, deren Persönlichkeit von vornherein den Wählern so sympathisch
ist wie in diesem Falle. Das deutsche Volk im allgemeinen, unser badisches
aber uicht am wenigsten, hat einen großen Widerwillen gegen die Beamten- und
Priester-Parlamente. Man verlangt nach Volksvertretern, die auch für des
Volkes Wohl und Wehe vermöge ihrer bürgerlichen und wirthschaftlichen Stellung
Verständniß haben. Man ist es überdrüssig, sich bloß an der Theorie zu erfreuen.

Ein großes, freudiges Aufsehen erregte im ganzen Lande eine kürzlich von
dem Großherzog beim Besuche der GeWerbeausstellung in Schopfheim gehaltene
Rede, in welcher derselbe betonte, daß von der befürchteten Versumpfung in
der badischen Politik keine Rede sein könne, sondern die Regierung in den seit¬
herigen Bahnen weitergehen werde. Freilich stand damit eine andere Rede des
Fürsten, in welcher er der katholischen Studentenverbindung Arminia ein größeres
Wachsthum prophezeite, im scheinbaren Gegensatze; aber die Thaten, nach denen
man doch allein jede Regierung beurtheilen sollte, sprechen dafür, daß es dem
Großherzog Ernst damit ist, den Herren v. Marschall und v. Gobler ans seine
Regierung niemals Einfluß zu gestatten. So können wir im Augenblicke hier
sehr zufrieden sein. Die Regierung hat eine selbständige, gemäßigt liberale
Richtung, und die liberale Partei hat mitsammt ihren Führern eine Rechts¬
schwenkung gemacht, welche ihr wie dem Lande nur zum Besten gereichen kann.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/51>, abgerufen am 23.07.2024.