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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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überbringt. Während die Jungfrau in ängstlicher Spannung mit der Schale
in der Hand die Ausführung desselben erwartet, begeben sich die Schergen in
ein unterirdisches Gefängniß, um die Rachelust der Herodias zu befriedigen.
Die Figuren sind eigentlich das Gleichgültigste an der ganzen Geschichte. Der
historische Moment hat dem Künstler nur zum Vorwande gedient, nur seine
technische Virtuosität, welche in der Nachahmung des Stofflichen mit Alma
Tadema wetteifert, an der täuschenden Nachbildung von Marmorgetäfel an
Wänden und Fußböden, von Teppichen, Vorhängen, Gewändern und Geräthen
zu erproben. Wenn es das Endziel der Kunst ist, in solchem todten geistlosen
Kram aufzugehen, dann ist Herr Professor Albert Baur in Düsseldorf ein großer
Künstler. Ich für meinen Theil halte seine Historienbilder für die frostigsten,
welche zur Zeit in Deutschland gemalt werden. Und damit ist wirklich nicht
wenig gesagt!

Auch einige mythologische Compositionen gehören in die Gruppe der Ge¬
mälde großen Stils, namentlich "Perseus und Andromeda" von Gustav Wert¬
heimer in Wien, und derselbe Gegenstand von Heinrich Büret, der ihn aber
des schöneren Effectes wegen unter dem' pompösen Titel "(Aoris. viotorl!"
ausgestellt hat. Wertheimer ist ein Colorist von gediegener, ja glänzender Tech¬
nik, der seine Aufgabe in glücklicher Weise dadurch gelöst hat, daß er den
Körper der schonen Königstochter in ein volles, warmes Licht gesetzt, dagegen
den von oben herabschwebenden Perseus und das Meerungeheuer in ein beson¬
ders für das letztere wohlthätiges Helldunkel gehüllt hat, so daß der ganze
Vorgang auch durch die Farbe den ihm so nothwendigen Charakter des Ge¬
heimnißvollen und Mythischen erhält. Dagegen hat Heinrich Büret seine Figuren
in die nüchterne Deutlichkeit des hellsten Tageslichts gerückt. Mit poetischer
Willkür hat er die Sage so umgewandelt, daß er Perseus mit der geretteten
Andromeda auf dem Pegasos gen Himmel schweben läßt. Ein fliegendes Pferd
in colossaler Größe und obenein mit doppelter Last ist schon an und für sich
eine mißliche Geschichte. Andromeda kniet, völlig unbekleidet, auf dem linken
Flügel des Rosses. In der Rechten hebt sich Schwert und Lorbeer des Siegers
zum blauen Himmel empor, während sie sich mit der Linken am Halse des
Perseus festhält. Dieser führt mit der einen Hand den Zügel des sich hoch
aufbäumenden Pferdes, mit der anderen streckt er das schwarzlockige Haupt der
Medusa weit von sich. Die Idee ist gewiß poetisch und die Erfindung nicht
ohne Schwung. Wenn trotzdem die gewaltige Leinwand eine ebenso ge¬
waltige Geschmacksverirrung ist, so trägt die unglückselige Farbe die Schuld
an diesem herben Endurtheil. Heinrich Büret war schon längere Zeit in
Dresden als Genremaler mit Erfolg thätig, als er eines Tages beschloß,
nach Berlin zu gehen und in der Malklasse Gussows sich die technische Vir-


überbringt. Während die Jungfrau in ängstlicher Spannung mit der Schale
in der Hand die Ausführung desselben erwartet, begeben sich die Schergen in
ein unterirdisches Gefängniß, um die Rachelust der Herodias zu befriedigen.
Die Figuren sind eigentlich das Gleichgültigste an der ganzen Geschichte. Der
historische Moment hat dem Künstler nur zum Vorwande gedient, nur seine
technische Virtuosität, welche in der Nachahmung des Stofflichen mit Alma
Tadema wetteifert, an der täuschenden Nachbildung von Marmorgetäfel an
Wänden und Fußböden, von Teppichen, Vorhängen, Gewändern und Geräthen
zu erproben. Wenn es das Endziel der Kunst ist, in solchem todten geistlosen
Kram aufzugehen, dann ist Herr Professor Albert Baur in Düsseldorf ein großer
Künstler. Ich für meinen Theil halte seine Historienbilder für die frostigsten,
welche zur Zeit in Deutschland gemalt werden. Und damit ist wirklich nicht
wenig gesagt!

Auch einige mythologische Compositionen gehören in die Gruppe der Ge¬
mälde großen Stils, namentlich „Perseus und Andromeda" von Gustav Wert¬
heimer in Wien, und derselbe Gegenstand von Heinrich Büret, der ihn aber
des schöneren Effectes wegen unter dem' pompösen Titel „(Aoris. viotorl!"
ausgestellt hat. Wertheimer ist ein Colorist von gediegener, ja glänzender Tech¬
nik, der seine Aufgabe in glücklicher Weise dadurch gelöst hat, daß er den
Körper der schonen Königstochter in ein volles, warmes Licht gesetzt, dagegen
den von oben herabschwebenden Perseus und das Meerungeheuer in ein beson¬
ders für das letztere wohlthätiges Helldunkel gehüllt hat, so daß der ganze
Vorgang auch durch die Farbe den ihm so nothwendigen Charakter des Ge¬
heimnißvollen und Mythischen erhält. Dagegen hat Heinrich Büret seine Figuren
in die nüchterne Deutlichkeit des hellsten Tageslichts gerückt. Mit poetischer
Willkür hat er die Sage so umgewandelt, daß er Perseus mit der geretteten
Andromeda auf dem Pegasos gen Himmel schweben läßt. Ein fliegendes Pferd
in colossaler Größe und obenein mit doppelter Last ist schon an und für sich
eine mißliche Geschichte. Andromeda kniet, völlig unbekleidet, auf dem linken
Flügel des Rosses. In der Rechten hebt sich Schwert und Lorbeer des Siegers
zum blauen Himmel empor, während sie sich mit der Linken am Halse des
Perseus festhält. Dieser führt mit der einen Hand den Zügel des sich hoch
aufbäumenden Pferdes, mit der anderen streckt er das schwarzlockige Haupt der
Medusa weit von sich. Die Idee ist gewiß poetisch und die Erfindung nicht
ohne Schwung. Wenn trotzdem die gewaltige Leinwand eine ebenso ge¬
waltige Geschmacksverirrung ist, so trägt die unglückselige Farbe die Schuld
an diesem herben Endurtheil. Heinrich Büret war schon längere Zeit in
Dresden als Genremaler mit Erfolg thätig, als er eines Tages beschloß,
nach Berlin zu gehen und in der Malklasse Gussows sich die technische Vir-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/507>, abgerufen am 23.07.2024.