Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.Gebrauch vor den Gegenständen etwas schwerfällig gearbeitete, für das Studium In eine ganz andere Welt von Ideen und Anschauungen führt uns das Gebrauch vor den Gegenständen etwas schwerfällig gearbeitete, für das Studium In eine ganz andere Welt von Ideen und Anschauungen führt uns das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147551"/> <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> Gebrauch vor den Gegenständen etwas schwerfällig gearbeitete, für das Studium<lb/> in Muße aber sehr brauchbare Katalog die fünf Seitenräume — veranschaulicht<lb/> uns das Wohnzimmer eines reichen Patriziers aus der Mitte des 15. Jahr¬<lb/> hunderts, also aus jener Zeit, wo die Gothik bereits zu ihrer höchsten Ent¬<lb/> wicklung emporgediehen war. Es ist bekannt, daß sie ihre schönsten Blüthen<lb/> im Kirchenbau getrieben hat, während sie den Privatbau mehr als billig ver¬<lb/> nachlässigt und namentlich für die Ausstattung der inneren Räumlichkeiten so<lb/> gut wie nichts gethan hat. Der Patrizierwohnraum macht deshalb auch einen<lb/> nach unseren heutigen Begriffen sehr ärmlichen und ungastlichen Eindruck, ob¬<lb/> wohl alle Möbel und Geräthe zusammengebracht worden sind, welche nach<lb/> unserer Kenntniß zur opulenten Ausstattung eines damaligen Zimmers gehörten.<lb/> Nur wenige durften sich damals den Luxus gönnen, den mit glasirten Thon-<lb/> platten belegten oder gewöhnlich aus rohen Ziegeln hergestellten Fußboden mit<lb/> Teppichen zu bedecken, welche ihn ganz verbargen. Ein kleiner Fensterteppich<lb/> zeugte schon von großer Wohlhabenheit. Der mächtige Kamin mit seinen eisernen<lb/> Feuerböcken mußte, so gut es ging, die Wirkung der kalten Fußböden Paraly¬<lb/> siren. Sonst war die Neigung für Bequemlichkeit und Wohlleben stark genug<lb/> ausgeprägt, wie n. a. die geräumige Bettstatt beweist, die angeblich aus dem<lb/> Besitze der Gattin Luthers, Katharina von Bora, stammt, und selbst ein Ge¬<lb/> räth wie der Handtuchhalter, den man für eine ganz moderne Erfindung halten<lb/> mochte, war damals durchaus nicht unbekannt. Es ist merkwürdig, daß sich<lb/> selbst so geringfügige Gegenstände bis auf unsere Zeit erhalten haben. Von<lb/> historischem Interesse ist in dem gothischen Zimmer auch der in der Mitte<lb/> stehende geschnitzte Tisch, welcher an den Innenseiten seiner aufzuklappenden<lb/> Platten Triktrcck- und Damenspielbretter in eingelegter Arbeit zeigt, auf denen<lb/> die Häupter der Wiedertäufer zu Münster gespielt haben sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1282" next="#ID_1283"> In eine ganz andere Welt von Ideen und Anschauungen führt uns das<lb/> dritte „Culturbild", das Zimmer der Renaissance, welches Bürgermeister Thewalt<lb/> in Cöln, einer der kunstverständigsten und feinsinnigsten Sammler des Rhein¬<lb/> lands, arrangirt hat. Freilich ist man in dem Bestreben, eine möglichst voll¬<lb/> ständige Vorstellung von dem üppigen Wohlleben, der gesteigerten Kunst- und<lb/> Prachtliebe jener Epoche zu geben, in der Ausstattung dieses Raumes etwas zu<lb/> weit gegangen. So sieht ein Museum kunstgewerblicher Alterthümer aus, aber<lb/> nicht die Herrenstube eiues Cölner Patriziers aus dem Ende des 16. Jahrhun-<lb/> derts. Sieht man aber von diesem Uebermaß des Guten ab, so bleibt uns für<lb/> die Fülle von Perlen der Kunstindustrie nur eitel Bewunderung übrig, die noch<lb/> steigt, wenn wir erfahren, daß alle diese Schätze ausschließlich aus cölnischen<lb/> Stadt- und Privatbesitz stammen. So rührt z. B. die Holzdecke, welche noch<lb/> ein gothisirendes Ornament zeigt — in der Holzarchitectur hat sich der gothische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
Gebrauch vor den Gegenständen etwas schwerfällig gearbeitete, für das Studium
in Muße aber sehr brauchbare Katalog die fünf Seitenräume — veranschaulicht
uns das Wohnzimmer eines reichen Patriziers aus der Mitte des 15. Jahr¬
hunderts, also aus jener Zeit, wo die Gothik bereits zu ihrer höchsten Ent¬
wicklung emporgediehen war. Es ist bekannt, daß sie ihre schönsten Blüthen
im Kirchenbau getrieben hat, während sie den Privatbau mehr als billig ver¬
nachlässigt und namentlich für die Ausstattung der inneren Räumlichkeiten so
gut wie nichts gethan hat. Der Patrizierwohnraum macht deshalb auch einen
nach unseren heutigen Begriffen sehr ärmlichen und ungastlichen Eindruck, ob¬
wohl alle Möbel und Geräthe zusammengebracht worden sind, welche nach
unserer Kenntniß zur opulenten Ausstattung eines damaligen Zimmers gehörten.
Nur wenige durften sich damals den Luxus gönnen, den mit glasirten Thon-
platten belegten oder gewöhnlich aus rohen Ziegeln hergestellten Fußboden mit
Teppichen zu bedecken, welche ihn ganz verbargen. Ein kleiner Fensterteppich
zeugte schon von großer Wohlhabenheit. Der mächtige Kamin mit seinen eisernen
Feuerböcken mußte, so gut es ging, die Wirkung der kalten Fußböden Paraly¬
siren. Sonst war die Neigung für Bequemlichkeit und Wohlleben stark genug
ausgeprägt, wie n. a. die geräumige Bettstatt beweist, die angeblich aus dem
Besitze der Gattin Luthers, Katharina von Bora, stammt, und selbst ein Ge¬
räth wie der Handtuchhalter, den man für eine ganz moderne Erfindung halten
mochte, war damals durchaus nicht unbekannt. Es ist merkwürdig, daß sich
selbst so geringfügige Gegenstände bis auf unsere Zeit erhalten haben. Von
historischem Interesse ist in dem gothischen Zimmer auch der in der Mitte
stehende geschnitzte Tisch, welcher an den Innenseiten seiner aufzuklappenden
Platten Triktrcck- und Damenspielbretter in eingelegter Arbeit zeigt, auf denen
die Häupter der Wiedertäufer zu Münster gespielt haben sollen.
In eine ganz andere Welt von Ideen und Anschauungen führt uns das
dritte „Culturbild", das Zimmer der Renaissance, welches Bürgermeister Thewalt
in Cöln, einer der kunstverständigsten und feinsinnigsten Sammler des Rhein¬
lands, arrangirt hat. Freilich ist man in dem Bestreben, eine möglichst voll¬
ständige Vorstellung von dem üppigen Wohlleben, der gesteigerten Kunst- und
Prachtliebe jener Epoche zu geben, in der Ausstattung dieses Raumes etwas zu
weit gegangen. So sieht ein Museum kunstgewerblicher Alterthümer aus, aber
nicht die Herrenstube eiues Cölner Patriziers aus dem Ende des 16. Jahrhun-
derts. Sieht man aber von diesem Uebermaß des Guten ab, so bleibt uns für
die Fülle von Perlen der Kunstindustrie nur eitel Bewunderung übrig, die noch
steigt, wenn wir erfahren, daß alle diese Schätze ausschließlich aus cölnischen
Stadt- und Privatbesitz stammen. So rührt z. B. die Holzdecke, welche noch
ein gothisirendes Ornament zeigt — in der Holzarchitectur hat sich der gothische
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