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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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girren die eigentlichen Ausstellungsinteressen mehr und mehr in den Hinter¬
grund zu treten. Die Comitees sind zufrieden, wenn so und soviel Quadrat¬
meter Raum, um die Kosten zu decken, an Aussteller vermiethet sind. Ob die
Ausstellung dann ein wirkliches Bild von dem Stande der Industrie in der
betreffenden Provinz bietet, ist am Ende ganz gleichgiltig, wenn die Geschichte
nur nicht mit einem Deficit schließt.

Diese Schilderung mag manchem vielleicht zu sehr ins Schwarze gemalt
erscheinen. Man kann jedoch, da wiederum an verschiedenen Orten Deutsch¬
lands Ansstellungsprojecte auftauchen, die Schattenseiten solcher Unternehmungen
nicht stark genug hervorheben. Die deutsche Industrie bedarf dringend der Ruhe,
um sich zu sammeln und die durch gegenseitigen Austausch gewonnenen Erfah¬
rungen zu verarbeiten. Wenn das Ausstellnngsfieber so weiter grassirt wie in
den letzten Jahren, wird Deutschland am Ende zu einem großen Bazar. Die
Industrie arbeitet nur noch für die Ausstellung und nicht mehr für das Haus.

Möge mau zehn Jahre in ruhiger, emsiger Arbeit vorübergehen lassen und
dann das Neuerrungene wieder zur Schau stellen. Möge man die Thätigkeit
der Knnstgewerbeschulen sich bewähren und eine jugendfrische Generation von
Kunsthandwerkern heranwachsen lassen, die dann zeigen können, was sie unter
dem Einfluß der neuen Ideen gelernt haben. Im deutschen Reiche bestehen
gegenwärtig vierundzwanzig kunstgewerbliche und Zeicheuschulen, die zum größeren
Theile ihrer Thätigkeit erst in den siebziger Jahren begonnen haben. Es ist
begreiflich, daß diese Thätigkeit noch keine durchgreifenden Erfolge zu verzeichnen
hat, und deshalb spielen die Arbeiten unserer Fachschulen auf den Ausstellungen
noch bei weitem nicht die tonangebende Führerrolle, welche sich die Fachschulen
in Frankreich und Oesterreich errungen haben.

Die GeWerbeausstellung in Düsseldorf hat uns die Nothwendigkeit, daß die
Kette der Ausstellungen endlich durch eine große Pause unterbrochen werden
muß, am dringendsten nahe gelegt. Abgesehen von der Montanindustrie, welche
eine durchaus würdige Vertretung gefunden hatte, bot die Ausstellung ein
sehr ungenügendes Bild von der Industrie Rheinlands und Westfalens-
Nicht bloß ganze Judustriebezirke, sondern auch ganze Industriezweige fehlten,
sei es daß die Ungunst der Zeiten' keinen großen Aufwand für eine in ihren
Erfolgen immerhin zweifelhafte Sache gestattet, sei es daß sich die Ueberzeugung
von dem geringen praktischen Werthe solcher Ausstellungen bereits Bahn ge¬
brochen hatte.

Etwas günstiger als mit allgemeinen Industrieausstellungen verhält es sich
mit Ausstellungen kunstgewerblicher Alterthümer. Einerseits ist
die Zahl der Aussteller eine geringere und deshalb leichter eine Einigung oder
doch eine glänzende Betheiligung zu erzielen, zumal da die Eitelkeit der Sammler,


girren die eigentlichen Ausstellungsinteressen mehr und mehr in den Hinter¬
grund zu treten. Die Comitees sind zufrieden, wenn so und soviel Quadrat¬
meter Raum, um die Kosten zu decken, an Aussteller vermiethet sind. Ob die
Ausstellung dann ein wirkliches Bild von dem Stande der Industrie in der
betreffenden Provinz bietet, ist am Ende ganz gleichgiltig, wenn die Geschichte
nur nicht mit einem Deficit schließt.

Diese Schilderung mag manchem vielleicht zu sehr ins Schwarze gemalt
erscheinen. Man kann jedoch, da wiederum an verschiedenen Orten Deutsch¬
lands Ansstellungsprojecte auftauchen, die Schattenseiten solcher Unternehmungen
nicht stark genug hervorheben. Die deutsche Industrie bedarf dringend der Ruhe,
um sich zu sammeln und die durch gegenseitigen Austausch gewonnenen Erfah¬
rungen zu verarbeiten. Wenn das Ausstellnngsfieber so weiter grassirt wie in
den letzten Jahren, wird Deutschland am Ende zu einem großen Bazar. Die
Industrie arbeitet nur noch für die Ausstellung und nicht mehr für das Haus.

Möge mau zehn Jahre in ruhiger, emsiger Arbeit vorübergehen lassen und
dann das Neuerrungene wieder zur Schau stellen. Möge man die Thätigkeit
der Knnstgewerbeschulen sich bewähren und eine jugendfrische Generation von
Kunsthandwerkern heranwachsen lassen, die dann zeigen können, was sie unter
dem Einfluß der neuen Ideen gelernt haben. Im deutschen Reiche bestehen
gegenwärtig vierundzwanzig kunstgewerbliche und Zeicheuschulen, die zum größeren
Theile ihrer Thätigkeit erst in den siebziger Jahren begonnen haben. Es ist
begreiflich, daß diese Thätigkeit noch keine durchgreifenden Erfolge zu verzeichnen
hat, und deshalb spielen die Arbeiten unserer Fachschulen auf den Ausstellungen
noch bei weitem nicht die tonangebende Führerrolle, welche sich die Fachschulen
in Frankreich und Oesterreich errungen haben.

Die GeWerbeausstellung in Düsseldorf hat uns die Nothwendigkeit, daß die
Kette der Ausstellungen endlich durch eine große Pause unterbrochen werden
muß, am dringendsten nahe gelegt. Abgesehen von der Montanindustrie, welche
eine durchaus würdige Vertretung gefunden hatte, bot die Ausstellung ein
sehr ungenügendes Bild von der Industrie Rheinlands und Westfalens-
Nicht bloß ganze Judustriebezirke, sondern auch ganze Industriezweige fehlten,
sei es daß die Ungunst der Zeiten' keinen großen Aufwand für eine in ihren
Erfolgen immerhin zweifelhafte Sache gestattet, sei es daß sich die Ueberzeugung
von dem geringen praktischen Werthe solcher Ausstellungen bereits Bahn ge¬
brochen hatte.

Etwas günstiger als mit allgemeinen Industrieausstellungen verhält es sich
mit Ausstellungen kunstgewerblicher Alterthümer. Einerseits ist
die Zahl der Aussteller eine geringere und deshalb leichter eine Einigung oder
doch eine glänzende Betheiligung zu erzielen, zumal da die Eitelkeit der Sammler,


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[0453] girren die eigentlichen Ausstellungsinteressen mehr und mehr in den Hinter¬ grund zu treten. Die Comitees sind zufrieden, wenn so und soviel Quadrat¬ meter Raum, um die Kosten zu decken, an Aussteller vermiethet sind. Ob die Ausstellung dann ein wirkliches Bild von dem Stande der Industrie in der betreffenden Provinz bietet, ist am Ende ganz gleichgiltig, wenn die Geschichte nur nicht mit einem Deficit schließt. Diese Schilderung mag manchem vielleicht zu sehr ins Schwarze gemalt erscheinen. Man kann jedoch, da wiederum an verschiedenen Orten Deutsch¬ lands Ansstellungsprojecte auftauchen, die Schattenseiten solcher Unternehmungen nicht stark genug hervorheben. Die deutsche Industrie bedarf dringend der Ruhe, um sich zu sammeln und die durch gegenseitigen Austausch gewonnenen Erfah¬ rungen zu verarbeiten. Wenn das Ausstellnngsfieber so weiter grassirt wie in den letzten Jahren, wird Deutschland am Ende zu einem großen Bazar. Die Industrie arbeitet nur noch für die Ausstellung und nicht mehr für das Haus. Möge mau zehn Jahre in ruhiger, emsiger Arbeit vorübergehen lassen und dann das Neuerrungene wieder zur Schau stellen. Möge man die Thätigkeit der Knnstgewerbeschulen sich bewähren und eine jugendfrische Generation von Kunsthandwerkern heranwachsen lassen, die dann zeigen können, was sie unter dem Einfluß der neuen Ideen gelernt haben. Im deutschen Reiche bestehen gegenwärtig vierundzwanzig kunstgewerbliche und Zeicheuschulen, die zum größeren Theile ihrer Thätigkeit erst in den siebziger Jahren begonnen haben. Es ist begreiflich, daß diese Thätigkeit noch keine durchgreifenden Erfolge zu verzeichnen hat, und deshalb spielen die Arbeiten unserer Fachschulen auf den Ausstellungen noch bei weitem nicht die tonangebende Führerrolle, welche sich die Fachschulen in Frankreich und Oesterreich errungen haben. Die GeWerbeausstellung in Düsseldorf hat uns die Nothwendigkeit, daß die Kette der Ausstellungen endlich durch eine große Pause unterbrochen werden muß, am dringendsten nahe gelegt. Abgesehen von der Montanindustrie, welche eine durchaus würdige Vertretung gefunden hatte, bot die Ausstellung ein sehr ungenügendes Bild von der Industrie Rheinlands und Westfalens- Nicht bloß ganze Judustriebezirke, sondern auch ganze Industriezweige fehlten, sei es daß die Ungunst der Zeiten' keinen großen Aufwand für eine in ihren Erfolgen immerhin zweifelhafte Sache gestattet, sei es daß sich die Ueberzeugung von dem geringen praktischen Werthe solcher Ausstellungen bereits Bahn ge¬ brochen hatte. Etwas günstiger als mit allgemeinen Industrieausstellungen verhält es sich mit Ausstellungen kunstgewerblicher Alterthümer. Einerseits ist die Zahl der Aussteller eine geringere und deshalb leichter eine Einigung oder doch eine glänzende Betheiligung zu erzielen, zumal da die Eitelkeit der Sammler,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/453>, abgerufen am 23.07.2024.