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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Erde entstehen sehen würden, wenn es gelänge, das Meer vollständig auszu-
stopfen. Humboldt bestimmt die mittlere Höhe der Continente annähernd ans
tausend Fuß über dem Meeresspiegel, während Bache aus der Zeit, welche die
am 23. December 1859 im Hafen von Limoda in Japan 30 Fuß über
das gewöhnliche Meeresniveau sich erhebende Erdbebenwelle brauchte, um durch
den Stillen Ocean nach San Francisco und San Diego (in Californien) fort¬
zuschreiten (Geschwindigkeit 6,1 Seemeilen in der Minute bei 217 Meilen
Wcllenbreite), die mittlere Tiefe des Stillen Oceans auf 14190 Fuß berechnet,
eine Tiefe, welche natürlich an den tiefsten Stellen noch bedeutend übertroffen
wird. Roß erreichte bei 15° 3' südlicher Breite und 23° 4' westlicher Läuge
bei 27 600 englischen Fuß noch keinen Grund, Denham auf dem Schiffe Herald
im südlichen Atlantischen Ocean erst bei 46 000 Fuß, während Packer auf der
Fregatte Congreß nahe bei derselben Stelle bei 50000 Fuß Tiefe dies nicht er¬
reichte und Brooke im Indischen Ocean, einem Meere, in welchem schon die alten
Kauffahrer eine Stelle an der Mündung des Hoogly im bengalischen Meerlinsen
unter dem Namen tus dottamloss xitt als grundlos bezeichneten, eine Ablothnng
von 42240 Fuß ausführte.

Die ungeheueren Wassermassen nun, welche die Natur als Dunst aus diesen
unergründlichen Sammelbassins, daneben aber auch aus unzähligen großen und
kleinen Wasserbecken und Niederungen emporhebt und ans die Erdoberfläche fallen
läßt, bilden auf den Hochgebirgen, Mittelgebirgen und Niederungen nicht allein
ungeheuere Wasserreservoire, sie sind auch gewaltige Kraftreservoire, denn die
Hochwasser-, die Mittelwasser-, ja selbst die Niederwassermengen werden bei ihrem
Niedergange zu Thal, bez. ins Meer, lebendige Kräfte, von denen ein verhält¬
nißmäßig kleiner Theil schon hinreichend sein würde, um allen Maschinen auf
Erden als Motor dienen zu können.

Die Triebkraft dieser ungeheuren lebendigen Kräfte macht der weise und
geniale Hydrotechuiker uicht allseitig und gleichzeitig frei, sondern hält sie in
unendlich vielen großen und kleinen Seen, Teichen, Weihern, Brüchen, Mooren
und Tümpeln gebunden, jederzeit aber bereit, sie dem Menschen zu überlassen
wenn er es versteht, sie sich nutzbar zu machen. Erstaunen und Bewunderung
erfaßt uns, wenn wir die anscheinend tief durchdachten und in unendlich weiser
Zweckmäßigkeit gewählten Mittel und Wege verfolgen, auf welchen die Natur
diese Ziele erreicht.

Im Verhältniß der Besonnung fließen aus den als Eis und Schnee nieder¬
gelegten Wasserreservoiren die Wasserfäden von den Hochgebirgen herab und
werden auf dem gefrorenen Boden zu gleitenden Flächen, zu Gletschern. Auf
diesen gleitet das Eis in den Einfurchungen der Hochgebirgswände und Böschun¬
gen vorwärts, füllt diese aus, schützt sie dadurch vor dem Geröll und Geschiebe,


Erde entstehen sehen würden, wenn es gelänge, das Meer vollständig auszu-
stopfen. Humboldt bestimmt die mittlere Höhe der Continente annähernd ans
tausend Fuß über dem Meeresspiegel, während Bache aus der Zeit, welche die
am 23. December 1859 im Hafen von Limoda in Japan 30 Fuß über
das gewöhnliche Meeresniveau sich erhebende Erdbebenwelle brauchte, um durch
den Stillen Ocean nach San Francisco und San Diego (in Californien) fort¬
zuschreiten (Geschwindigkeit 6,1 Seemeilen in der Minute bei 217 Meilen
Wcllenbreite), die mittlere Tiefe des Stillen Oceans auf 14190 Fuß berechnet,
eine Tiefe, welche natürlich an den tiefsten Stellen noch bedeutend übertroffen
wird. Roß erreichte bei 15° 3' südlicher Breite und 23° 4' westlicher Läuge
bei 27 600 englischen Fuß noch keinen Grund, Denham auf dem Schiffe Herald
im südlichen Atlantischen Ocean erst bei 46 000 Fuß, während Packer auf der
Fregatte Congreß nahe bei derselben Stelle bei 50000 Fuß Tiefe dies nicht er¬
reichte und Brooke im Indischen Ocean, einem Meere, in welchem schon die alten
Kauffahrer eine Stelle an der Mündung des Hoogly im bengalischen Meerlinsen
unter dem Namen tus dottamloss xitt als grundlos bezeichneten, eine Ablothnng
von 42240 Fuß ausführte.

Die ungeheueren Wassermassen nun, welche die Natur als Dunst aus diesen
unergründlichen Sammelbassins, daneben aber auch aus unzähligen großen und
kleinen Wasserbecken und Niederungen emporhebt und ans die Erdoberfläche fallen
läßt, bilden auf den Hochgebirgen, Mittelgebirgen und Niederungen nicht allein
ungeheuere Wasserreservoire, sie sind auch gewaltige Kraftreservoire, denn die
Hochwasser-, die Mittelwasser-, ja selbst die Niederwassermengen werden bei ihrem
Niedergange zu Thal, bez. ins Meer, lebendige Kräfte, von denen ein verhält¬
nißmäßig kleiner Theil schon hinreichend sein würde, um allen Maschinen auf
Erden als Motor dienen zu können.

Die Triebkraft dieser ungeheuren lebendigen Kräfte macht der weise und
geniale Hydrotechuiker uicht allseitig und gleichzeitig frei, sondern hält sie in
unendlich vielen großen und kleinen Seen, Teichen, Weihern, Brüchen, Mooren
und Tümpeln gebunden, jederzeit aber bereit, sie dem Menschen zu überlassen
wenn er es versteht, sie sich nutzbar zu machen. Erstaunen und Bewunderung
erfaßt uns, wenn wir die anscheinend tief durchdachten und in unendlich weiser
Zweckmäßigkeit gewählten Mittel und Wege verfolgen, auf welchen die Natur
diese Ziele erreicht.

Im Verhältniß der Besonnung fließen aus den als Eis und Schnee nieder¬
gelegten Wasserreservoiren die Wasserfäden von den Hochgebirgen herab und
werden auf dem gefrorenen Boden zu gleitenden Flächen, zu Gletschern. Auf
diesen gleitet das Eis in den Einfurchungen der Hochgebirgswände und Böschun¬
gen vorwärts, füllt diese aus, schützt sie dadurch vor dem Geröll und Geschiebe,


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[0045] Erde entstehen sehen würden, wenn es gelänge, das Meer vollständig auszu- stopfen. Humboldt bestimmt die mittlere Höhe der Continente annähernd ans tausend Fuß über dem Meeresspiegel, während Bache aus der Zeit, welche die am 23. December 1859 im Hafen von Limoda in Japan 30 Fuß über das gewöhnliche Meeresniveau sich erhebende Erdbebenwelle brauchte, um durch den Stillen Ocean nach San Francisco und San Diego (in Californien) fort¬ zuschreiten (Geschwindigkeit 6,1 Seemeilen in der Minute bei 217 Meilen Wcllenbreite), die mittlere Tiefe des Stillen Oceans auf 14190 Fuß berechnet, eine Tiefe, welche natürlich an den tiefsten Stellen noch bedeutend übertroffen wird. Roß erreichte bei 15° 3' südlicher Breite und 23° 4' westlicher Läuge bei 27 600 englischen Fuß noch keinen Grund, Denham auf dem Schiffe Herald im südlichen Atlantischen Ocean erst bei 46 000 Fuß, während Packer auf der Fregatte Congreß nahe bei derselben Stelle bei 50000 Fuß Tiefe dies nicht er¬ reichte und Brooke im Indischen Ocean, einem Meere, in welchem schon die alten Kauffahrer eine Stelle an der Mündung des Hoogly im bengalischen Meerlinsen unter dem Namen tus dottamloss xitt als grundlos bezeichneten, eine Ablothnng von 42240 Fuß ausführte. Die ungeheueren Wassermassen nun, welche die Natur als Dunst aus diesen unergründlichen Sammelbassins, daneben aber auch aus unzähligen großen und kleinen Wasserbecken und Niederungen emporhebt und ans die Erdoberfläche fallen läßt, bilden auf den Hochgebirgen, Mittelgebirgen und Niederungen nicht allein ungeheuere Wasserreservoire, sie sind auch gewaltige Kraftreservoire, denn die Hochwasser-, die Mittelwasser-, ja selbst die Niederwassermengen werden bei ihrem Niedergange zu Thal, bez. ins Meer, lebendige Kräfte, von denen ein verhält¬ nißmäßig kleiner Theil schon hinreichend sein würde, um allen Maschinen auf Erden als Motor dienen zu können. Die Triebkraft dieser ungeheuren lebendigen Kräfte macht der weise und geniale Hydrotechuiker uicht allseitig und gleichzeitig frei, sondern hält sie in unendlich vielen großen und kleinen Seen, Teichen, Weihern, Brüchen, Mooren und Tümpeln gebunden, jederzeit aber bereit, sie dem Menschen zu überlassen wenn er es versteht, sie sich nutzbar zu machen. Erstaunen und Bewunderung erfaßt uns, wenn wir die anscheinend tief durchdachten und in unendlich weiser Zweckmäßigkeit gewählten Mittel und Wege verfolgen, auf welchen die Natur diese Ziele erreicht. Im Verhältniß der Besonnung fließen aus den als Eis und Schnee nieder¬ gelegten Wasserreservoiren die Wasserfäden von den Hochgebirgen herab und werden auf dem gefrorenen Boden zu gleitenden Flächen, zu Gletschern. Auf diesen gleitet das Eis in den Einfurchungen der Hochgebirgswände und Böschun¬ gen vorwärts, füllt diese aus, schützt sie dadurch vor dem Geröll und Geschiebe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/45>, abgerufen am 23.07.2024.