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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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der Pflanzen aufgesaugt und im Pflanzenkörper verarbeitet werden können. Zu
diesem Zwecke hebt die Sonne das Wasser aus den ungeheueren Bassins, deren
flüssige Oberfläche nahezu doppelt so groß ist als die des Festlandes, hoch über
die höchsten Gebirge und läßt es von dort als Regen, Thau. Nebel oder Schnee
u. a. auf die Erde niederfallen. Damit das niedergefallene Wasser nicht in
Folge seiner Schwerkraft auf den kürzesten Wegen möglichst schnell den Sam-
melbassins, denen es entnommen ist, d. h. den Meeren, den Seen, Sümpfen und
Mooren wieder zueile, wird es von der Natur, dem allvermögenden Hydrotech¬
niker, auf die verschiedenste Art und Weise in seinem Ablauf verzögert. Beim
Rinnen über die Erdoberfläche wird es auf- und festgehalten durch deren Un¬
ebenheiten und durch die ungeheuere Flüchenanziehung der mehr oder weniger
sein zertheilten organischen und unorganischen Körper, mit denen die feste und
dichte Erdoberfläche bedeckt ist. Beim Einsickern in die Erdrinde wird es fest¬
gehalten in unendlich vielen feinen Canülchen durch deren Capillarattraction.
Bei dieser Verzögerung kommt das Wasser in Berührung mit den mannigfal¬
tigsten Erd- und Gesteinsarten, dringt in dieselben ein, löst sie auf und führt
sie mit sich fort. Die aufgelöst mitgeführten Stoffe aber kann das Wasser
nicht lauge festhalten, denn bei der Sonnenwürme verdunstet es und muß sie
als Nährstoffe für die Pflanzenwelt fallen lassen. Dieser Proceß dauert un¬
unterbrochen fort, er begleitet das Wasser auf seinem ganzen Wege bis hinein
in die großen und kleinen Sammelbassins, die Meere, die Sümpfe u. s. w.;
ununterbrochen verdunstet das Wasser, ununterbrochen setzt es Nährstoffe für
die Pflanzenwelt ab, ""unterbrochen aber fließt es auch weiter und trägt die
zurückgebliebenen abgebrauchteil und für die Vegetation schädlichen Stoffe in die
Wasserläufe und durch diese ins Meer. Hier endlich läßt es alle Siut- und
Nährstoffe fallen, wird durch die Sonne wieder als Dunst emporgehoben, als
Wolke über Berge und Thäler geführt, dort niedergeschlagen und beginnt seinen
ewigen Kreislauf von neuem.

Aber selbst in Einzelheiten hinein regulirt die Natur, der geniale Hydro¬
techniker, den ewigen Kreislauf des Wassers. Auf den Hochgebirgen, über der
Grenze des ewigen Schnees, legt sie ungeheuere Wasserreservoirs an in Form
von mächtigen Schnee- und Eisfeldern, damit in heißen, regenarmen Jahren
das von ihnen abschmelzende Wasser niederrinne und der Kreislauf des Wassers
nicht nachtheilig unterbrochen werde. Die Mittel- und Untergebirge bedeckt sie,
um die wässerigen Niederschläge zu condensiren und festzuhalten, mit Wald und
Matten, durchfurcht diese mit unzählbaren Bächen und Rinnen, Nilufer und
Adern, die sich das Wasser selbstthätig bilden muß. Durch die abgeschwemmten
und mitgeführten Sinkstoffe, welche in den kleinen und größeren Wasserläufen
sich als Stauschwellen ablagern, staut sie das Wasser auf, es bilden sich Moore,


der Pflanzen aufgesaugt und im Pflanzenkörper verarbeitet werden können. Zu
diesem Zwecke hebt die Sonne das Wasser aus den ungeheueren Bassins, deren
flüssige Oberfläche nahezu doppelt so groß ist als die des Festlandes, hoch über
die höchsten Gebirge und läßt es von dort als Regen, Thau. Nebel oder Schnee
u. a. auf die Erde niederfallen. Damit das niedergefallene Wasser nicht in
Folge seiner Schwerkraft auf den kürzesten Wegen möglichst schnell den Sam-
melbassins, denen es entnommen ist, d. h. den Meeren, den Seen, Sümpfen und
Mooren wieder zueile, wird es von der Natur, dem allvermögenden Hydrotech¬
niker, auf die verschiedenste Art und Weise in seinem Ablauf verzögert. Beim
Rinnen über die Erdoberfläche wird es auf- und festgehalten durch deren Un¬
ebenheiten und durch die ungeheuere Flüchenanziehung der mehr oder weniger
sein zertheilten organischen und unorganischen Körper, mit denen die feste und
dichte Erdoberfläche bedeckt ist. Beim Einsickern in die Erdrinde wird es fest¬
gehalten in unendlich vielen feinen Canülchen durch deren Capillarattraction.
Bei dieser Verzögerung kommt das Wasser in Berührung mit den mannigfal¬
tigsten Erd- und Gesteinsarten, dringt in dieselben ein, löst sie auf und führt
sie mit sich fort. Die aufgelöst mitgeführten Stoffe aber kann das Wasser
nicht lauge festhalten, denn bei der Sonnenwürme verdunstet es und muß sie
als Nährstoffe für die Pflanzenwelt fallen lassen. Dieser Proceß dauert un¬
unterbrochen fort, er begleitet das Wasser auf seinem ganzen Wege bis hinein
in die großen und kleinen Sammelbassins, die Meere, die Sümpfe u. s. w.;
ununterbrochen verdunstet das Wasser, ununterbrochen setzt es Nährstoffe für
die Pflanzenwelt ab, »«unterbrochen aber fließt es auch weiter und trägt die
zurückgebliebenen abgebrauchteil und für die Vegetation schädlichen Stoffe in die
Wasserläufe und durch diese ins Meer. Hier endlich läßt es alle Siut- und
Nährstoffe fallen, wird durch die Sonne wieder als Dunst emporgehoben, als
Wolke über Berge und Thäler geführt, dort niedergeschlagen und beginnt seinen
ewigen Kreislauf von neuem.

Aber selbst in Einzelheiten hinein regulirt die Natur, der geniale Hydro¬
techniker, den ewigen Kreislauf des Wassers. Auf den Hochgebirgen, über der
Grenze des ewigen Schnees, legt sie ungeheuere Wasserreservoirs an in Form
von mächtigen Schnee- und Eisfeldern, damit in heißen, regenarmen Jahren
das von ihnen abschmelzende Wasser niederrinne und der Kreislauf des Wassers
nicht nachtheilig unterbrochen werde. Die Mittel- und Untergebirge bedeckt sie,
um die wässerigen Niederschläge zu condensiren und festzuhalten, mit Wald und
Matten, durchfurcht diese mit unzählbaren Bächen und Rinnen, Nilufer und
Adern, die sich das Wasser selbstthätig bilden muß. Durch die abgeschwemmten
und mitgeführten Sinkstoffe, welche in den kleinen und größeren Wasserläufen
sich als Stauschwellen ablagern, staut sie das Wasser auf, es bilden sich Moore,


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[0043] der Pflanzen aufgesaugt und im Pflanzenkörper verarbeitet werden können. Zu diesem Zwecke hebt die Sonne das Wasser aus den ungeheueren Bassins, deren flüssige Oberfläche nahezu doppelt so groß ist als die des Festlandes, hoch über die höchsten Gebirge und läßt es von dort als Regen, Thau. Nebel oder Schnee u. a. auf die Erde niederfallen. Damit das niedergefallene Wasser nicht in Folge seiner Schwerkraft auf den kürzesten Wegen möglichst schnell den Sam- melbassins, denen es entnommen ist, d. h. den Meeren, den Seen, Sümpfen und Mooren wieder zueile, wird es von der Natur, dem allvermögenden Hydrotech¬ niker, auf die verschiedenste Art und Weise in seinem Ablauf verzögert. Beim Rinnen über die Erdoberfläche wird es auf- und festgehalten durch deren Un¬ ebenheiten und durch die ungeheuere Flüchenanziehung der mehr oder weniger sein zertheilten organischen und unorganischen Körper, mit denen die feste und dichte Erdoberfläche bedeckt ist. Beim Einsickern in die Erdrinde wird es fest¬ gehalten in unendlich vielen feinen Canülchen durch deren Capillarattraction. Bei dieser Verzögerung kommt das Wasser in Berührung mit den mannigfal¬ tigsten Erd- und Gesteinsarten, dringt in dieselben ein, löst sie auf und führt sie mit sich fort. Die aufgelöst mitgeführten Stoffe aber kann das Wasser nicht lauge festhalten, denn bei der Sonnenwürme verdunstet es und muß sie als Nährstoffe für die Pflanzenwelt fallen lassen. Dieser Proceß dauert un¬ unterbrochen fort, er begleitet das Wasser auf seinem ganzen Wege bis hinein in die großen und kleinen Sammelbassins, die Meere, die Sümpfe u. s. w.; ununterbrochen verdunstet das Wasser, ununterbrochen setzt es Nährstoffe für die Pflanzenwelt ab, »«unterbrochen aber fließt es auch weiter und trägt die zurückgebliebenen abgebrauchteil und für die Vegetation schädlichen Stoffe in die Wasserläufe und durch diese ins Meer. Hier endlich läßt es alle Siut- und Nährstoffe fallen, wird durch die Sonne wieder als Dunst emporgehoben, als Wolke über Berge und Thäler geführt, dort niedergeschlagen und beginnt seinen ewigen Kreislauf von neuem. Aber selbst in Einzelheiten hinein regulirt die Natur, der geniale Hydro¬ techniker, den ewigen Kreislauf des Wassers. Auf den Hochgebirgen, über der Grenze des ewigen Schnees, legt sie ungeheuere Wasserreservoirs an in Form von mächtigen Schnee- und Eisfeldern, damit in heißen, regenarmen Jahren das von ihnen abschmelzende Wasser niederrinne und der Kreislauf des Wassers nicht nachtheilig unterbrochen werde. Die Mittel- und Untergebirge bedeckt sie, um die wässerigen Niederschläge zu condensiren und festzuhalten, mit Wald und Matten, durchfurcht diese mit unzählbaren Bächen und Rinnen, Nilufer und Adern, die sich das Wasser selbstthätig bilden muß. Durch die abgeschwemmten und mitgeführten Sinkstoffe, welche in den kleinen und größeren Wasserläufen sich als Stauschwellen ablagern, staut sie das Wasser auf, es bilden sich Moore,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/43>, abgerufen am 03.07.2024.