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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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bevor nicht die Ober- und andere Älteste der berlinischen Judenschnft jedesmal
schriftlich und pflichtgemäß a,et<Z8tiree haben werden, daß solche Familie nicht
nur gehörig bemittelt, sondern auch dem ?udiieo nützlich sey, und daß dadurch
der von Uns intcznäirte Zweck wegen der zu ot-Mirenden l^bi-iHnon werde be¬
fördert werden."

Nach dem siebenjährigen Kriege hatte der König, um die erschöpften Staats¬
kassen zu füllen, das Kaffee- und Tabaksmonopol eingeführt und die Zölle er¬
höht. In Folge dessen entstand ein bedeutender Schmuggel, an welchem sich
die Juden ganz besonders lebhaft betheiligten. Friedrich aber verstand in solchen
Dingen keinen Scherz, und so ließ er am 22. November 1766 das General-
direetorium eine Warnung veröffentlichen, die mit den Worten schloß: "Also
haben S. Kgl. Maj. resolvirt, daß diejenigen Juden, welche ans Contrebande-
Hcmdel, es bestehe solcher auch in der geringsten Kleinigkeit, betreten werden,
nicht nur den Landesgesetzen gemäß bestrafet werden und noch überdem ihres
Schutz-?rivilo^ki verlustig seyn sollen, sondern auch, wenn dem ohngeachtet dieser
Handel nicht unterbleiben sollte, S. Königl. Maj. die sämtliche Juden
ans Dero Landen jagen zu lassen resolviren dürften."

Wir können die weiteren Maßnahmen des Königs gegen die Juden, die
der Verfasser aufzählt, nicht verfolgen und verweisen in Betreff derselben auf
die Schrift selbst. Nur das eine sei bemerkt, daß dieselben sich meist auf das
Betteln der von Polen eingedrungenen Juden, welches im Wiederholungsfalle
mit sechsmonatlichen Zuchthaus und beim dritten Mal mit lebenslänglicher
Karre bestraft werden soll, und auf das Hausirer beziehen.

Friedrich der Große ließ jeden nach seiner Facon selig werden, und so er¬
freuten sich die Juden als Religionsgesellschaft uuter ihm aller mögliche?" Tole¬
ranz. Ihren Rabbinern stand der schiedsrichterliche Spruch in Ehe-, Erbschafts¬
und Vormundssachen unbeschränkt zu. Durch besonderes Circular suchte ihnen
der König 1775 mehr Ansehen bei ihren Gemeinden zu verschaffen. 1786 wurde
der alte Judeneid von ihm durch einen für die Schwörenden weniger verletzen¬
den neuen ersetzt, und in demselben Jahre ließ Friedrich es ruhig geschehen,
daß der Schlesier Steblitzki vom Katholicismus zum Judenthum übertrat; denn
die gegen ihn von den Behörden angestrengte Untersuchung wurde von oberster
Stelle niedergeschlagen. Aber persönlich war der große König den Juden ab¬
geneigt. Als die Berliner Akademie Moses Mendelssohn unter ihre Mitglieder
aufnehmen wollte, strich ihn der Monarch von der ihm präsentirten Liste mit
dem Bemerken, daß "ihm der Name nicht gefalle". In einer Cabinetsordre
vom 17. April 1774 heißt es: "S. Königl. Maj. von Preußen sind denen
auf den Vorstädten bei Danzig etablirten Juden den Handel mit fremden
Woll-, Seiden-, Halbheiten- und baumwollner Waaren um so weniger zu be-


bevor nicht die Ober- und andere Älteste der berlinischen Judenschnft jedesmal
schriftlich und pflichtgemäß a,et<Z8tiree haben werden, daß solche Familie nicht
nur gehörig bemittelt, sondern auch dem ?udiieo nützlich sey, und daß dadurch
der von Uns intcznäirte Zweck wegen der zu ot-Mirenden l^bi-iHnon werde be¬
fördert werden."

Nach dem siebenjährigen Kriege hatte der König, um die erschöpften Staats¬
kassen zu füllen, das Kaffee- und Tabaksmonopol eingeführt und die Zölle er¬
höht. In Folge dessen entstand ein bedeutender Schmuggel, an welchem sich
die Juden ganz besonders lebhaft betheiligten. Friedrich aber verstand in solchen
Dingen keinen Scherz, und so ließ er am 22. November 1766 das General-
direetorium eine Warnung veröffentlichen, die mit den Worten schloß: „Also
haben S. Kgl. Maj. resolvirt, daß diejenigen Juden, welche ans Contrebande-
Hcmdel, es bestehe solcher auch in der geringsten Kleinigkeit, betreten werden,
nicht nur den Landesgesetzen gemäß bestrafet werden und noch überdem ihres
Schutz-?rivilo^ki verlustig seyn sollen, sondern auch, wenn dem ohngeachtet dieser
Handel nicht unterbleiben sollte, S. Königl. Maj. die sämtliche Juden
ans Dero Landen jagen zu lassen resolviren dürften."

Wir können die weiteren Maßnahmen des Königs gegen die Juden, die
der Verfasser aufzählt, nicht verfolgen und verweisen in Betreff derselben auf
die Schrift selbst. Nur das eine sei bemerkt, daß dieselben sich meist auf das
Betteln der von Polen eingedrungenen Juden, welches im Wiederholungsfalle
mit sechsmonatlichen Zuchthaus und beim dritten Mal mit lebenslänglicher
Karre bestraft werden soll, und auf das Hausirer beziehen.

Friedrich der Große ließ jeden nach seiner Facon selig werden, und so er¬
freuten sich die Juden als Religionsgesellschaft uuter ihm aller mögliche?« Tole¬
ranz. Ihren Rabbinern stand der schiedsrichterliche Spruch in Ehe-, Erbschafts¬
und Vormundssachen unbeschränkt zu. Durch besonderes Circular suchte ihnen
der König 1775 mehr Ansehen bei ihren Gemeinden zu verschaffen. 1786 wurde
der alte Judeneid von ihm durch einen für die Schwörenden weniger verletzen¬
den neuen ersetzt, und in demselben Jahre ließ Friedrich es ruhig geschehen,
daß der Schlesier Steblitzki vom Katholicismus zum Judenthum übertrat; denn
die gegen ihn von den Behörden angestrengte Untersuchung wurde von oberster
Stelle niedergeschlagen. Aber persönlich war der große König den Juden ab¬
geneigt. Als die Berliner Akademie Moses Mendelssohn unter ihre Mitglieder
aufnehmen wollte, strich ihn der Monarch von der ihm präsentirten Liste mit
dem Bemerken, daß „ihm der Name nicht gefalle". In einer Cabinetsordre
vom 17. April 1774 heißt es: „S. Königl. Maj. von Preußen sind denen
auf den Vorstädten bei Danzig etablirten Juden den Handel mit fremden
Woll-, Seiden-, Halbheiten- und baumwollner Waaren um so weniger zu be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/335>, abgerufen am 23.07.2024.