Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.lebendes Bild einen ungemein günstigen Eindruck machte, welcher durch die Hiermit war die Reihe der Darstellungen abgeschlossen, die uns wie eine lebendes Bild einen ungemein günstigen Eindruck machte, welcher durch die Hiermit war die Reihe der Darstellungen abgeschlossen, die uns wie eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147293"/> <p xml:id="ID_513" prev="#ID_512"> lebendes Bild einen ungemein günstigen Eindruck machte, welcher durch die<lb/> glücklich nachgeahmte Abendbeleuchtung eine nicht unwesentliche Steigerung er¬<lb/> hielt. Freier und nach der Richtung der die Gesetzmäßigkeit mehr verhüllenden<lb/> als laut verkündenden Cvmposttionsweise sich aufbauend, ist Kaspar Netschers<lb/> „Musikunterricht", in welchem die starke Seite des Meisters, die sich sür diese Art<lb/> der Darstellung so trefflich eignende Feinheit im Costüm, trefflich zur Geltung<lb/> gebracht wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_514"> Hiermit war die Reihe der Darstellungen abgeschlossen, die uns wie eine<lb/> Probe auf die Frage cmmuthete: Welche Art von Bildern eignet sich am besten<lb/> zur Darstellung lebender Bilder, und zwar in solchem Grade, daß das lebende<lb/> Bild dadurch selbst als eine künstlerische Leistung erscheinen kann? Das letztere<lb/> wird natürlich nur dann der Fall sein, wenn der stellende Künstler ganz auf<lb/> die Intentionen des Meisters eingeht und sich so in den Geist desselben hin-<lb/> eindenkt, daß er auch da in seinem Sinne arbeitet, wo er ihm nicht sclavisch<lb/> folgen kann. Denn da die Kunst ihrem eigenen Gesetze folgt und ihrerseits<lb/> das Leben sich zum Vorbilde nimmt, aber nicht sclavisch nachahmt, so wird nur<lb/> in den seltensten Fällen eine einfache Ersetzung der gemalten Körper und Stoffe<lb/> dnrch natürliche genügen, damit das gestellte Bild denselben Eindruck mache<lb/> wie das gemalte. Es wird vielmehr ein Kompromiß zwischen Kunst und Natur<lb/> nothwendig sein wie vorher zwischen Natur und Kunst, und der stellende Künstler<lb/> wird reichlich Gelegenheit haben zu zeigen, in welchem Grade er sich in die<lb/> Existenz- und Bildungsgesetze der beiden Gegensätze eingelebt hat. Für ihn<lb/> selbst aber wird gerade in dem Bemühen, den Eigenthümlichkeiten beider nach¬<lb/> zugehen, zu ergründen, wo sie sich decken, wo jede ihren eigenen Weg, dem ihrer<lb/> Natur entspringenden Gesetze zufolge, einzuschlagen hat, bis zu welchem Grade<lb/> diese freie Bewegung gehen darf, ohne daß der Zweck verfehlt wird, eine nicht<lb/> zu unterschätzende Forderung liegen, deren eigenthümlicher Werth darin begründet<lb/> ist, daß sie auf dem umgekehrten Wege gewonnen ist, auf welchem sonst das<lb/> Studium des Künstlers liegt: in der Nachahmung der Kunst durch die Natur<lb/> im Gegensatz zu der gewöhnlich geübten Nachahmung der Natur durch die Kunst.<lb/> Dies vermag vielleicht ein kleines Gegengewicht gegen die Einseitigkeit des ge¬<lb/> wöhnlichen Bildungsweges in die Wagschale zu legen, und Einseitigkeit in der<lb/> Bildung der Künstler ist es ja, was mehr als alles andere einen selbständigen,<lb/> eigenartigen Aufschwung der Kunst hindert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
lebendes Bild einen ungemein günstigen Eindruck machte, welcher durch die
glücklich nachgeahmte Abendbeleuchtung eine nicht unwesentliche Steigerung er¬
hielt. Freier und nach der Richtung der die Gesetzmäßigkeit mehr verhüllenden
als laut verkündenden Cvmposttionsweise sich aufbauend, ist Kaspar Netschers
„Musikunterricht", in welchem die starke Seite des Meisters, die sich sür diese Art
der Darstellung so trefflich eignende Feinheit im Costüm, trefflich zur Geltung
gebracht wurde.
Hiermit war die Reihe der Darstellungen abgeschlossen, die uns wie eine
Probe auf die Frage cmmuthete: Welche Art von Bildern eignet sich am besten
zur Darstellung lebender Bilder, und zwar in solchem Grade, daß das lebende
Bild dadurch selbst als eine künstlerische Leistung erscheinen kann? Das letztere
wird natürlich nur dann der Fall sein, wenn der stellende Künstler ganz auf
die Intentionen des Meisters eingeht und sich so in den Geist desselben hin-
eindenkt, daß er auch da in seinem Sinne arbeitet, wo er ihm nicht sclavisch
folgen kann. Denn da die Kunst ihrem eigenen Gesetze folgt und ihrerseits
das Leben sich zum Vorbilde nimmt, aber nicht sclavisch nachahmt, so wird nur
in den seltensten Fällen eine einfache Ersetzung der gemalten Körper und Stoffe
dnrch natürliche genügen, damit das gestellte Bild denselben Eindruck mache
wie das gemalte. Es wird vielmehr ein Kompromiß zwischen Kunst und Natur
nothwendig sein wie vorher zwischen Natur und Kunst, und der stellende Künstler
wird reichlich Gelegenheit haben zu zeigen, in welchem Grade er sich in die
Existenz- und Bildungsgesetze der beiden Gegensätze eingelebt hat. Für ihn
selbst aber wird gerade in dem Bemühen, den Eigenthümlichkeiten beider nach¬
zugehen, zu ergründen, wo sie sich decken, wo jede ihren eigenen Weg, dem ihrer
Natur entspringenden Gesetze zufolge, einzuschlagen hat, bis zu welchem Grade
diese freie Bewegung gehen darf, ohne daß der Zweck verfehlt wird, eine nicht
zu unterschätzende Forderung liegen, deren eigenthümlicher Werth darin begründet
ist, daß sie auf dem umgekehrten Wege gewonnen ist, auf welchem sonst das
Studium des Künstlers liegt: in der Nachahmung der Kunst durch die Natur
im Gegensatz zu der gewöhnlich geübten Nachahmung der Natur durch die Kunst.
Dies vermag vielleicht ein kleines Gegengewicht gegen die Einseitigkeit des ge¬
wöhnlichen Bildungsweges in die Wagschale zu legen, und Einseitigkeit in der
Bildung der Künstler ist es ja, was mehr als alles andere einen selbständigen,
eigenartigen Aufschwung der Kunst hindert.
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