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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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ist, zwischen dem See von Skutari und dem Adriatischen Meer, aber man hat
gelassen zugesehen, wie die Barre vor ihr von Jahr zu Jahr mehr versandete,
und wie die Drina sich unterhalb der Stadt Skutari in die Bojcma ergoß und
dort alles Gestein und allen Schlamm, die ihr von den Gebirgen zufließen, zu¬
sammenhäufte, wozu nach überdies kommt, daß man am Ausflusse des Sees,
um den Fischfang zu erleichtern, einen Zaun von Pfahlwerk errichtet hat, der den vom
Strome herangeschwemmten Schlamm und Unrath festhält, sodaß gegenwärtig die
Barre zwischen dem Flusse und der See nur mit fünf Fuß tiefgehenden Fahr¬
zeugen zu Passiren ist, und daß die Bojcma vor Skutari im Sommer nur einen
Wasserstand von drei Fuß aufweist.

Die Seehäfen Albaniens befinden sich ebenfalls im Zustande ärgster Ver¬
nachlässigung. Die ganze albanische Küste von Cattaro an bis hinab nach der
Höhe von Korfu besitzt keine Rhede, die den Bedürfnissen der Schifffahrt hinrei¬
chend entspräche. Die der Stadt Durazzo ließe sich ohne großen Aufwand von
Arbeit und Geldmitteln in einen vortrefflichen Hafen verwandeln, indeß ist
unter der türkischen Verwaltung, unter der Alles stagnirt und verrottet, nichts
zu ihrer Verbesserung geschehen, und jedes Jahr scheitern infolge dessen hier
Schiffe. Albanien besitzt mehrere natürliche Häfen wie Sajada, Murto, Gum-
mitza und Prevesa, aber die nöthigen Kunstbauten fehlen, und überdieß hat
der Hafen von Prevesa den Uebelstand, daß der Kanal, welcher den Golf von
Area mit der See verbindet, nur eine Tiefe von 8 bis 9 Fuß hat, größere"
Fahrzeugen also nicht zugänglich ist."

Man begreift, daß bei einer solchen Lage der Landwirthschaft, des Gewerb-
fleiszes, der Straßen und Häfen der Handel des Landes trotz der reichen Hilfs¬
quellen der Natur desselben nur sehr geringe Bedeutung hat. Der Ackerbau
beschränkt sich auf einen verhältnißmäßig kleinen Theil der Thalniederungen
und Küstenstriche. Man gewinnt Mais, Weizen, Gerste, Wein, Korinthen (im
Süden), vortreffliches Oel, das aber schlecht bereitet wird, Tabak und Baum¬
wolle, von der jedoch nicht genug für das Bedürfniß der Bevölkerung erzeugt
wird, so daß man einen Theil des Bedarfs aus Thessalien einzuführen gezwungen
ist. Aehnlich steht es mit dem Getreide. Während Albanien, gut entwässert
und angebaut, die Kornkammer des Adriatischen und Ionischen Meeres sein
könnte, mangelte es ihm im verflossenen Winter an Brotstoffen, und man mußte
große Quantitäten davon importiren. Nur nach besonders guten Erntejähren
wurden etwa fünfzig Schiffsladungen Getreide ausgeführt und zwar gingen diese
Sendungen nach den Ionischen Inseln, Malta und Italien. Sonst besteht der
Export in etwas Bauholz, Oel, Tabak, Wolle, Händen und Käse. Tabak liefert
besonders Oberalbanien. Der einzige Manufacturartikel, der ausgeführt wird,
siud grobe Wollenzeuge. Eingeführt werden Zucker, Kaffee, Leinwand, Tuch,


ist, zwischen dem See von Skutari und dem Adriatischen Meer, aber man hat
gelassen zugesehen, wie die Barre vor ihr von Jahr zu Jahr mehr versandete,
und wie die Drina sich unterhalb der Stadt Skutari in die Bojcma ergoß und
dort alles Gestein und allen Schlamm, die ihr von den Gebirgen zufließen, zu¬
sammenhäufte, wozu nach überdies kommt, daß man am Ausflusse des Sees,
um den Fischfang zu erleichtern, einen Zaun von Pfahlwerk errichtet hat, der den vom
Strome herangeschwemmten Schlamm und Unrath festhält, sodaß gegenwärtig die
Barre zwischen dem Flusse und der See nur mit fünf Fuß tiefgehenden Fahr¬
zeugen zu Passiren ist, und daß die Bojcma vor Skutari im Sommer nur einen
Wasserstand von drei Fuß aufweist.

Die Seehäfen Albaniens befinden sich ebenfalls im Zustande ärgster Ver¬
nachlässigung. Die ganze albanische Küste von Cattaro an bis hinab nach der
Höhe von Korfu besitzt keine Rhede, die den Bedürfnissen der Schifffahrt hinrei¬
chend entspräche. Die der Stadt Durazzo ließe sich ohne großen Aufwand von
Arbeit und Geldmitteln in einen vortrefflichen Hafen verwandeln, indeß ist
unter der türkischen Verwaltung, unter der Alles stagnirt und verrottet, nichts
zu ihrer Verbesserung geschehen, und jedes Jahr scheitern infolge dessen hier
Schiffe. Albanien besitzt mehrere natürliche Häfen wie Sajada, Murto, Gum-
mitza und Prevesa, aber die nöthigen Kunstbauten fehlen, und überdieß hat
der Hafen von Prevesa den Uebelstand, daß der Kanal, welcher den Golf von
Area mit der See verbindet, nur eine Tiefe von 8 bis 9 Fuß hat, größere»
Fahrzeugen also nicht zugänglich ist."

Man begreift, daß bei einer solchen Lage der Landwirthschaft, des Gewerb-
fleiszes, der Straßen und Häfen der Handel des Landes trotz der reichen Hilfs¬
quellen der Natur desselben nur sehr geringe Bedeutung hat. Der Ackerbau
beschränkt sich auf einen verhältnißmäßig kleinen Theil der Thalniederungen
und Küstenstriche. Man gewinnt Mais, Weizen, Gerste, Wein, Korinthen (im
Süden), vortreffliches Oel, das aber schlecht bereitet wird, Tabak und Baum¬
wolle, von der jedoch nicht genug für das Bedürfniß der Bevölkerung erzeugt
wird, so daß man einen Theil des Bedarfs aus Thessalien einzuführen gezwungen
ist. Aehnlich steht es mit dem Getreide. Während Albanien, gut entwässert
und angebaut, die Kornkammer des Adriatischen und Ionischen Meeres sein
könnte, mangelte es ihm im verflossenen Winter an Brotstoffen, und man mußte
große Quantitäten davon importiren. Nur nach besonders guten Erntejähren
wurden etwa fünfzig Schiffsladungen Getreide ausgeführt und zwar gingen diese
Sendungen nach den Ionischen Inseln, Malta und Italien. Sonst besteht der
Export in etwas Bauholz, Oel, Tabak, Wolle, Händen und Käse. Tabak liefert
besonders Oberalbanien. Der einzige Manufacturartikel, der ausgeführt wird,
siud grobe Wollenzeuge. Eingeführt werden Zucker, Kaffee, Leinwand, Tuch,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/16>, abgerufen am 03.07.2024.