Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.und der schönen Gasparde in der Schenke von Melun, das Duell Schadau's Noch vorzüglicher durchgeführt, noch eigenthümlicher, farbengesättigter ist Wir rechten mit dem Dichter weder um das eine noch um das andere. und der schönen Gasparde in der Schenke von Melun, das Duell Schadau's Noch vorzüglicher durchgeführt, noch eigenthümlicher, farbengesättigter ist Wir rechten mit dem Dichter weder um das eine noch um das andere. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147242"/> <p xml:id="ID_407" prev="#ID_406"> und der schönen Gasparde in der Schenke von Melun, das Duell Schadau's<lb/> mit Guiche, auch die ersten Momente bei Coligny und der Eintritt König<lb/> Karls IX. bei dem Admiral, erscheinen so lebendig, so unmittelbar angeschaut,<lb/> daß man den innersten Antheil daran nimmt. Dicht daneben nun finden sich<lb/> wieder jene Lücken der seelischen Entwicklung, deren wir früher schon gedacht,<lb/> in der allzu flüchtigen Darstellung der Neigung Gasparde's zu ihrem künftigen<lb/> Gemahl, ein gewisses Verfliegen der Stimmung in der allzu skizzenhaften Er¬<lb/> zählung des Ganges durch Paris am Morgen nach der Bartholomäusnacht.<lb/> Aber freilich läßt sich mit Herrn von Schadau, der seine Erlebnisse erzählt, sehr<lb/> schwer darüber rechten, wie viel er nach mehr als einem Vierteljahrhundert von<lb/> seinen Eindrücken behalten hat und Me deutlich oder skizzenhaft er uns seine<lb/> Erinnerungen gönnen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_408"> Noch vorzüglicher durchgeführt, noch eigenthümlicher, farbengesättigter ist<lb/> die größere Novelle „Der Heilige". Auch hier ist der Erzähler ein Schweizer,<lb/> Hans der Armbruster, der nach Zürich kommt, als sie gerade dort das Fest<lb/> eiues neuen Heiligen, des Thomas von Canterbury, begehen. Der kunstreiche<lb/> Bogen- und Armbrustverfertiger hat als junger Mann große Fahrten durch<lb/> die Welt gethan und längere Zeit in Diensten des Königs Heinrich von Eng¬<lb/> land gestanden. Er weiß daher über Leben und Tod des Thomas Wecket mehr<lb/> zu erzählen, als ihm lieb ist und muß einem der Chorherren in Zürich alle<lb/> seine Abenteuer in Süd und Nord berichten. Der Fluß der Erzählung ist hier<lb/> energischer, gleichmäßiger, die Detailausführung sicherer als in den früheren<lb/> Novellen C. F. Meyers. Die ferne Zeit, in welcher „Der Heilige" spielt, ge¬<lb/> stattet nicht nur die Einmischung sagen- und legendenhafter Elemente, sondern<lb/> fordert geradezu dazu heraus. Die Stimmung, in welche diese ganze Erzählung<lb/> getaucht ist, hebt die Prüfung der einzelnen Voraussetzungen und der Motive,<lb/> aus denen die Katastrophe herauswächst, gewissermaßen auf, jedoch bleibt der<lb/> Totaleindruck bestehen, daß für unseren Poeten die Lust des bunten, interessanten<lb/> Fabulirens über der Vertiefung in das innerste Wesen der Welt und die Räthsel<lb/> des menschlichen Herzens steht. Nicht, als ob sich der Verfasser des „Heiligen"<lb/> nach dieser Richtung hin leichte Aufgaben setzte — wahrlich nicht! Sondern<lb/> weil man deutlich empfindet, daß seine Neigung und Fähigkeit in der ange¬<lb/> deuteten Richtung weit stärker wächst (denn die Novelle „Der Heilige" ist un¬<lb/> zweifelhaft ein Fortschritt) als in der entgegengesetzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_409" next="#ID_410"> Wir rechten mit dem Dichter weder um das eine noch um das andere.<lb/> Innerhalb der Grenzen seines Talentes (die eine so eigenthümlich productive<lb/> Natur ja wohl erweitern kann, die wir aber doch zur Zeit wahrzunehmen meinen)<lb/> sind echte poetische Wirkungen möglich, und er hat sich nur zu hüten, daß die<lb/> Eigenart nicht zur starren Manier werde und die Vorliebe für das Colorit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
und der schönen Gasparde in der Schenke von Melun, das Duell Schadau's
mit Guiche, auch die ersten Momente bei Coligny und der Eintritt König
Karls IX. bei dem Admiral, erscheinen so lebendig, so unmittelbar angeschaut,
daß man den innersten Antheil daran nimmt. Dicht daneben nun finden sich
wieder jene Lücken der seelischen Entwicklung, deren wir früher schon gedacht,
in der allzu flüchtigen Darstellung der Neigung Gasparde's zu ihrem künftigen
Gemahl, ein gewisses Verfliegen der Stimmung in der allzu skizzenhaften Er¬
zählung des Ganges durch Paris am Morgen nach der Bartholomäusnacht.
Aber freilich läßt sich mit Herrn von Schadau, der seine Erlebnisse erzählt, sehr
schwer darüber rechten, wie viel er nach mehr als einem Vierteljahrhundert von
seinen Eindrücken behalten hat und Me deutlich oder skizzenhaft er uns seine
Erinnerungen gönnen will.
Noch vorzüglicher durchgeführt, noch eigenthümlicher, farbengesättigter ist
die größere Novelle „Der Heilige". Auch hier ist der Erzähler ein Schweizer,
Hans der Armbruster, der nach Zürich kommt, als sie gerade dort das Fest
eiues neuen Heiligen, des Thomas von Canterbury, begehen. Der kunstreiche
Bogen- und Armbrustverfertiger hat als junger Mann große Fahrten durch
die Welt gethan und längere Zeit in Diensten des Königs Heinrich von Eng¬
land gestanden. Er weiß daher über Leben und Tod des Thomas Wecket mehr
zu erzählen, als ihm lieb ist und muß einem der Chorherren in Zürich alle
seine Abenteuer in Süd und Nord berichten. Der Fluß der Erzählung ist hier
energischer, gleichmäßiger, die Detailausführung sicherer als in den früheren
Novellen C. F. Meyers. Die ferne Zeit, in welcher „Der Heilige" spielt, ge¬
stattet nicht nur die Einmischung sagen- und legendenhafter Elemente, sondern
fordert geradezu dazu heraus. Die Stimmung, in welche diese ganze Erzählung
getaucht ist, hebt die Prüfung der einzelnen Voraussetzungen und der Motive,
aus denen die Katastrophe herauswächst, gewissermaßen auf, jedoch bleibt der
Totaleindruck bestehen, daß für unseren Poeten die Lust des bunten, interessanten
Fabulirens über der Vertiefung in das innerste Wesen der Welt und die Räthsel
des menschlichen Herzens steht. Nicht, als ob sich der Verfasser des „Heiligen"
nach dieser Richtung hin leichte Aufgaben setzte — wahrlich nicht! Sondern
weil man deutlich empfindet, daß seine Neigung und Fähigkeit in der ange¬
deuteten Richtung weit stärker wächst (denn die Novelle „Der Heilige" ist un¬
zweifelhaft ein Fortschritt) als in der entgegengesetzten.
Wir rechten mit dem Dichter weder um das eine noch um das andere.
Innerhalb der Grenzen seines Talentes (die eine so eigenthümlich productive
Natur ja wohl erweitern kann, die wir aber doch zur Zeit wahrzunehmen meinen)
sind echte poetische Wirkungen möglich, und er hat sich nur zu hüten, daß die
Eigenart nicht zur starren Manier werde und die Vorliebe für das Colorit
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