Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.gehörten, Geburtstagsglückwüusche und Geburtstagsgedichte -- letztere oft als Auch Epikur fehlte es an seinem 54. Geburtstage nicht an reichlichen Geschen¬ Der materielle Verlauf des Festessens ist aus einem Speisezettel (^"^"r"- "Die Grundlage aller Erkenntniß ist die sinnliche Wahrnehmung; sie ist an *) Wir wollen annehmen, daß die aufgetischten Würste nicht, was in Griechenland
öfter vorkam, mit Hunde- oder Eselsflcisch gefälscht waren. Der Tintenfisch, ein, wie Kenner sagen, nicht besonders zarter Fisch, war bei Gcbnrtstagsschmnußen in vielen griechischen Familien stehendes Gericht; das Olivenöl ersetzte die Butter, welche den Hellenen nur als Medikament bekannt war und "Milchöl" hieß. Kythnischer Käse war ein Lieblingsgericht Epikurs. Die harten Theile des Wcizcnbrodes wurden theils zu anderen Speisen gegessen, theils als Löffel (doch gab es anch metallene) gebraucht; die weichen aber mußten, zu einem Teige geknetet, Servietteudienstc thun: man reinigte damit während der Mahlzeit die Hände. gehörten, Geburtstagsglückwüusche und Geburtstagsgedichte — letztere oft als Auch Epikur fehlte es an seinem 54. Geburtstage nicht an reichlichen Geschen¬ Der materielle Verlauf des Festessens ist aus einem Speisezettel (^«^«r«- „Die Grundlage aller Erkenntniß ist die sinnliche Wahrnehmung; sie ist an *) Wir wollen annehmen, daß die aufgetischten Würste nicht, was in Griechenland
öfter vorkam, mit Hunde- oder Eselsflcisch gefälscht waren. Der Tintenfisch, ein, wie Kenner sagen, nicht besonders zarter Fisch, war bei Gcbnrtstagsschmnußen in vielen griechischen Familien stehendes Gericht; das Olivenöl ersetzte die Butter, welche den Hellenen nur als Medikament bekannt war und „Milchöl" hieß. Kythnischer Käse war ein Lieblingsgericht Epikurs. Die harten Theile des Wcizcnbrodes wurden theils zu anderen Speisen gegessen, theils als Löffel (doch gab es anch metallene) gebraucht; die weichen aber mußten, zu einem Teige geknetet, Servietteudienstc thun: man reinigte damit während der Mahlzeit die Hände. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147197"/> <p xml:id="ID_291" prev="#ID_290"> gehörten, Geburtstagsglückwüusche und Geburtstagsgedichte — letztere oft als<lb/> Epigramme mit Geschenken verbunden —, auch eine Festschrift und eine Ge-<lb/> lmrtstagsrede beim Geburtstagsschmauß, das waren die obligaten Bestandtheile<lb/> einer solchen Feier.</p><lb/> <p xml:id="ID_292"> Auch Epikur fehlte es an seinem 54. Geburtstage nicht an reichlichen Geschen¬<lb/> ken, die theils von seinen Freunden in Athen, theils von denen in Mitylene, Kolo-<lb/> phon und Lampsakos, Mo Epikur vom 32. bis zum 36. Lebensjahre gelehrt<lb/> hatte, dem allverehrten Meister gewidmet worden waren. Wir übergehen die<lb/> Matinee, in welcher Epikur im Kreise seiner Freunde nach einem den Geburts¬<lb/> tagsgöttern dargebrachten Ranchopfer die Glückwiiusche und Geschenke entgegen¬<lb/> nahm, und wenden uns sogleich zum Geburtstagsschmauße, mit dem Epikur<lb/> seine Gäste heute bewirthet.</p><lb/> <p xml:id="ID_293"> Der materielle Verlauf des Festessens ist aus einem Speisezettel (^«^«r«-<lb/> <)'t»^) zu ersehen, welchen der für diesen Tag gemiethete sicilische Koch dem<lb/> Hausherrn zum feierlichen Beginn vorgelegt hat: Maza, Bohnen, Würste, Hasen¬<lb/> braten, Tintenfisch mit Olivenöl, Weizenbrod, kythnischer Käse.*) Neben dem<lb/> reichlich zur Verfügung stehenden Wasser wurde heute auch jedem Gaste eine<lb/> xorv^ o^t^vo, wie sich Stobäus ausdrückt, „eine Schale Weinchens" gereicht,<lb/> nur Epikur blieb bei seinem „Besten", beim Wasser. Das Mahl hat begonnen,<lb/> die Gäste haben — zum Anfassen der heißen Speisen — ihre Handschuhe ange¬<lb/> legt; da winkt Metrodor einem Tischgenossen. Es ist ein Sclave des Epikur,<lb/> Namens Mys, der, schon längere Zeit ein fleißiger Schüler seines Herrn, heute<lb/> auf ausdrücklichen Befehl Epikurs unter den Gästen Platz genommen hat und<lb/> mit einer von ihm selbst verfaßten Festschrift den Meister erfreuen soll. Er<lb/> tritt an Epikur mit einer zierlich geschriebenen Rolle heran und spricht: „Herr,<lb/> gestatte, daß ich dir zum heutigen Tage vorlese, was ich dir längst zu schreiben<lb/> versprochen: eine Zusammenfassung deiner Lehren über Kanonik" (so nannte<lb/> Epikur die Erkenntnißlehre). — „Wohlan, beginne," sagte freundlichen Blickes<lb/> der Meister.</p><lb/> <p xml:id="ID_294" next="#ID_295"> „Die Grundlage aller Erkenntniß ist die sinnliche Wahrnehmung; sie ist an<lb/> sich immer gewiß; nur durch die Beziehung der Wahrnehmung auf einen ver¬<lb/> anlassenden Gegenstaud entsteht der Irrthum. Die entgegengesetzten Behaup-</p><lb/> <note xml:id="FID_52" place="foot"> *) Wir wollen annehmen, daß die aufgetischten Würste nicht, was in Griechenland<lb/> öfter vorkam, mit Hunde- oder Eselsflcisch gefälscht waren. Der Tintenfisch, ein, wie Kenner<lb/> sagen, nicht besonders zarter Fisch, war bei Gcbnrtstagsschmnußen in vielen griechischen<lb/> Familien stehendes Gericht; das Olivenöl ersetzte die Butter, welche den Hellenen nur als<lb/> Medikament bekannt war und „Milchöl" hieß. Kythnischer Käse war ein Lieblingsgericht<lb/> Epikurs. Die harten Theile des Wcizcnbrodes wurden theils zu anderen Speisen gegessen,<lb/> theils als Löffel (doch gab es anch metallene) gebraucht; die weichen aber mußten, zu einem<lb/> Teige geknetet, Servietteudienstc thun: man reinigte damit während der Mahlzeit die Hände.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
gehörten, Geburtstagsglückwüusche und Geburtstagsgedichte — letztere oft als
Epigramme mit Geschenken verbunden —, auch eine Festschrift und eine Ge-
lmrtstagsrede beim Geburtstagsschmauß, das waren die obligaten Bestandtheile
einer solchen Feier.
Auch Epikur fehlte es an seinem 54. Geburtstage nicht an reichlichen Geschen¬
ken, die theils von seinen Freunden in Athen, theils von denen in Mitylene, Kolo-
phon und Lampsakos, Mo Epikur vom 32. bis zum 36. Lebensjahre gelehrt
hatte, dem allverehrten Meister gewidmet worden waren. Wir übergehen die
Matinee, in welcher Epikur im Kreise seiner Freunde nach einem den Geburts¬
tagsgöttern dargebrachten Ranchopfer die Glückwiiusche und Geschenke entgegen¬
nahm, und wenden uns sogleich zum Geburtstagsschmauße, mit dem Epikur
seine Gäste heute bewirthet.
Der materielle Verlauf des Festessens ist aus einem Speisezettel (^«^«r«-
<)'t»^) zu ersehen, welchen der für diesen Tag gemiethete sicilische Koch dem
Hausherrn zum feierlichen Beginn vorgelegt hat: Maza, Bohnen, Würste, Hasen¬
braten, Tintenfisch mit Olivenöl, Weizenbrod, kythnischer Käse.*) Neben dem
reichlich zur Verfügung stehenden Wasser wurde heute auch jedem Gaste eine
xorv^ o^t^vo, wie sich Stobäus ausdrückt, „eine Schale Weinchens" gereicht,
nur Epikur blieb bei seinem „Besten", beim Wasser. Das Mahl hat begonnen,
die Gäste haben — zum Anfassen der heißen Speisen — ihre Handschuhe ange¬
legt; da winkt Metrodor einem Tischgenossen. Es ist ein Sclave des Epikur,
Namens Mys, der, schon längere Zeit ein fleißiger Schüler seines Herrn, heute
auf ausdrücklichen Befehl Epikurs unter den Gästen Platz genommen hat und
mit einer von ihm selbst verfaßten Festschrift den Meister erfreuen soll. Er
tritt an Epikur mit einer zierlich geschriebenen Rolle heran und spricht: „Herr,
gestatte, daß ich dir zum heutigen Tage vorlese, was ich dir längst zu schreiben
versprochen: eine Zusammenfassung deiner Lehren über Kanonik" (so nannte
Epikur die Erkenntnißlehre). — „Wohlan, beginne," sagte freundlichen Blickes
der Meister.
„Die Grundlage aller Erkenntniß ist die sinnliche Wahrnehmung; sie ist an
sich immer gewiß; nur durch die Beziehung der Wahrnehmung auf einen ver¬
anlassenden Gegenstaud entsteht der Irrthum. Die entgegengesetzten Behaup-
*) Wir wollen annehmen, daß die aufgetischten Würste nicht, was in Griechenland
öfter vorkam, mit Hunde- oder Eselsflcisch gefälscht waren. Der Tintenfisch, ein, wie Kenner
sagen, nicht besonders zarter Fisch, war bei Gcbnrtstagsschmnußen in vielen griechischen
Familien stehendes Gericht; das Olivenöl ersetzte die Butter, welche den Hellenen nur als
Medikament bekannt war und „Milchöl" hieß. Kythnischer Käse war ein Lieblingsgericht
Epikurs. Die harten Theile des Wcizcnbrodes wurden theils zu anderen Speisen gegessen,
theils als Löffel (doch gab es anch metallene) gebraucht; die weichen aber mußten, zu einem
Teige geknetet, Servietteudienstc thun: man reinigte damit während der Mahlzeit die Hände.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |