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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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betreiben, auch hat ihr Zeugniß gegen Nichtjuden keine volle Giltigkeit. Ober¬
eigenthum und gutsherrliche Rechte darf kein Jude erwerben. Zu den Zünften
haben die mit Staatsbürgerrecht versehenen Juden Zutritt. Indeß ist davon
die der Bäcker ausgenommen, auch sind die Juden von der Brauerei, der Gast-
und Schenkwirthschaft und dem Hausirhandel ausgeschlossen.

Im Altenburgischen und in Coburg/Gotha gab es vor 1848 keine Juden¬
gesetze, da sich dort gar keine und hier nur wenige jüdische Familien aufhielten.
In letzterem Staate wurden sie als geduldete Schutzverwandte ohne Staats¬
bürgerrecht behandelt.

Im Großherzogthum Oldenburg galten von 1827 bis 1848 nachstehende
Anordnungen. "Die Juden haben das Staatsbürgerrecht, dasselbe ist jedoch
von Ertheilung eines Schutzbriefes abhängig. Der Schutz wird nach dem Ab¬
leben dessen, dem er gewährt worden, meist um auf ein Familienglied desselben
übertragen und zwar in der Regel auf den ältesten Sohn. Indeß kann auch
bei Lebzeiten des Vaters einem Sohne die selbständige Niederlassung gestattet
werden, wenn er eine Fabrik errichtet, sich auf ein Handwerk legt oder Grund¬
stücke zu eigner Bewirthschaftung ankauft. Uebrigen lauten die Schutzbewilli¬
gungen immer nur auf einen bestimmten Ort und ein bestimmtes Gewerbe, und
fremden Juden wird nur ausnahmsweise die Niederlassung erlaubt. Kein Jude
hat ferner Zutritt zu Gemeindeämtern und zum höheren Staatsdienst. Der
Erwerb von Grundstücken und die Vertragsfähigkeit sind unbeschränkt, die
Übersiedelung von Ort zu Ort ist an die Genehmigung der Regierung gebunden,
ebenso die Verheirathung von Juden. Misch-Ehen solcher mit Christen sind
unzulässig. Der Trödelhandel wird nur solchen gestattet, die sich anderweit
nicht ernähren können. Die Juden' sind endlich der Wehrpflicht unterworfen."

In Holstein waren die Juden bis 1848 nur in einigen Städten geduldet,
und der Aufeuthalt auf dem Lande war ihnen gänzlich untersagt. Der Gewerbe¬
betrieb stand ihnen frei, soweit nicht einzelne Zunftrollen ihnen denselben ent¬
zogen. Staats- und Gemeindeämter konnten sie nicht bekleiden; dagegen waren
sie zur Ausübung der Heilkunde und in besondern Fällen zur Advocatur zu¬
gelassen, nur durften sie in letzterer Beziehung keine geistlichen und keine
Peinlichen Sachen sichren, auch waren sie in der Führung von Armensachen
beschränkt.

Die vor 1848 in Mecklenburg bestehende Gesetzgebung verfügte Folgendes:
"Die Juden im Lande sind Schutzgenossen. Fremde werden nicht mehr privi-
legirt. Von Staats- und Gemeindeämtern sind die Juden ausgeschlossen. Bei
Versteigerungen von Grundstücken dürfen sie nicht mitbieten. Der Gewerbe¬
betrieb ist von der im Schutzbriefe ertheilten Concession abhängig, und die Juden
sollen nur nach der zu ermessenden Nothdurft mit Handlungs-Privilegien ver-


betreiben, auch hat ihr Zeugniß gegen Nichtjuden keine volle Giltigkeit. Ober¬
eigenthum und gutsherrliche Rechte darf kein Jude erwerben. Zu den Zünften
haben die mit Staatsbürgerrecht versehenen Juden Zutritt. Indeß ist davon
die der Bäcker ausgenommen, auch sind die Juden von der Brauerei, der Gast-
und Schenkwirthschaft und dem Hausirhandel ausgeschlossen.

Im Altenburgischen und in Coburg/Gotha gab es vor 1848 keine Juden¬
gesetze, da sich dort gar keine und hier nur wenige jüdische Familien aufhielten.
In letzterem Staate wurden sie als geduldete Schutzverwandte ohne Staats¬
bürgerrecht behandelt.

Im Großherzogthum Oldenburg galten von 1827 bis 1848 nachstehende
Anordnungen. „Die Juden haben das Staatsbürgerrecht, dasselbe ist jedoch
von Ertheilung eines Schutzbriefes abhängig. Der Schutz wird nach dem Ab¬
leben dessen, dem er gewährt worden, meist um auf ein Familienglied desselben
übertragen und zwar in der Regel auf den ältesten Sohn. Indeß kann auch
bei Lebzeiten des Vaters einem Sohne die selbständige Niederlassung gestattet
werden, wenn er eine Fabrik errichtet, sich auf ein Handwerk legt oder Grund¬
stücke zu eigner Bewirthschaftung ankauft. Uebrigen lauten die Schutzbewilli¬
gungen immer nur auf einen bestimmten Ort und ein bestimmtes Gewerbe, und
fremden Juden wird nur ausnahmsweise die Niederlassung erlaubt. Kein Jude
hat ferner Zutritt zu Gemeindeämtern und zum höheren Staatsdienst. Der
Erwerb von Grundstücken und die Vertragsfähigkeit sind unbeschränkt, die
Übersiedelung von Ort zu Ort ist an die Genehmigung der Regierung gebunden,
ebenso die Verheirathung von Juden. Misch-Ehen solcher mit Christen sind
unzulässig. Der Trödelhandel wird nur solchen gestattet, die sich anderweit
nicht ernähren können. Die Juden' sind endlich der Wehrpflicht unterworfen."

In Holstein waren die Juden bis 1848 nur in einigen Städten geduldet,
und der Aufeuthalt auf dem Lande war ihnen gänzlich untersagt. Der Gewerbe¬
betrieb stand ihnen frei, soweit nicht einzelne Zunftrollen ihnen denselben ent¬
zogen. Staats- und Gemeindeämter konnten sie nicht bekleiden; dagegen waren
sie zur Ausübung der Heilkunde und in besondern Fällen zur Advocatur zu¬
gelassen, nur durften sie in letzterer Beziehung keine geistlichen und keine
Peinlichen Sachen sichren, auch waren sie in der Führung von Armensachen
beschränkt.

Die vor 1848 in Mecklenburg bestehende Gesetzgebung verfügte Folgendes:
«Die Juden im Lande sind Schutzgenossen. Fremde werden nicht mehr privi-
legirt. Von Staats- und Gemeindeämtern sind die Juden ausgeschlossen. Bei
Versteigerungen von Grundstücken dürfen sie nicht mitbieten. Der Gewerbe¬
betrieb ist von der im Schutzbriefe ertheilten Concession abhängig, und die Juden
sollen nur nach der zu ermessenden Nothdurft mit Handlungs-Privilegien ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/563>, abgerufen am 23.07.2024.