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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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schlössen, weil es schlechterdings undenkbar ist, daß Pappenheim gegen den be¬
stimmten Willen Tillys, der aus strategischen Gründen die Stadt schonen wollte
und mußte, sie in Brand gesteckt hätte.

Auf Grund von Beates Zeugniß und in Erwägung der bereits geschilderten
Umstände wird man sich die Situation also etwa in folgender Weise zu denken
haben: Bei dem Sturme auf die Stadt und dem heftigen Straßenkampfe, der
sich nach dem Eindringen der Schaaren Pappenheims in das Innere der Stadt
erhob, wird Pappenheim im Eifer des Gefechts den Befehl gegeben haben, einige
Hänser in Brand zu stecken, welche den Vertheidigern der Stadt willkommene
Deckung boten, oder von denen aus direct gegen die Anstürmenden aus sicherem
Verstecke geschossen wurde. Als der Kampf weitertobte, griff das Feuer mehr
und mehr um sich, später wohl auch noch genährt durch die Zerstörungswuth
der kaiserlichen Soldaten, welche, wie Thodänus erzählt, durch Zertrümmerung
der Hausgeräthe in blindem Eifer dem tobenden Elemente immer neues Material
zuführten. Als dann Tilly, mehr durch strategische Gründe als durch Menschlich¬
keit bewogen, den Befehl zum Löschen gab, war es zu spät. Wie bei dem großen
Brande von Hamburg 1842, so war es auch in Magdeburg nicht möglich, des
Feuers, das auf verschiedenen Punkten der Stadt gleichzeitig wüthete, Herr zu
werden, da die gefüllten Speicher der damals neben Hamburg reichsten Handels¬
stadt in Norddeutschland der Flamme immer neue Nahrung boten und bei der
Plünderungswuth der rohen und in Folge ihrer Unmäßigkeit berauschten Sol¬
dateska an eine erfolgreiche Löschthätigkeit von Anfang an nicht zu denken war.
Daß dann angesichts der ungeheuren Gräuel einzelne Bürger die Verzweiflung
erfaßte und sie lieber dem wüthenden Elemente zum Opfer fallen wollten als
in die Hand entmenschter Wütheriche, ist ebensowenig unwahrscheinlich, wie daß
der Oberst Falkenberg das Rathhaus mit allen seinen Verrätherischen Insassen
in Flammen aufgehen ließ. Aber weder dieser Racheact des in seiner Soldaten¬
ehre tödtlich gekränkten Befehlshabers, noch einzelne Acte der Verzweiflung von
Seiten der Bürgerschaft würden allein den Untergang der stolzen Stadt herbei¬
geführt haben, wenn nicht die Wuth der kämpfenden und plündernden Soldaten
die Flamme zum Untergange der Stadt geschürt hätte.

Für die Angabe des Dompredigers Bake spricht nicht bloß in hohem Grade
die Glaubwürdigkeit der berichteten Thatsache, sondern das Zeugniß selbst
ist auch so geartet, daß ein Zweifel an seiner Wahrhaftigkeit nicht aufkommen
kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Bake als Augenzeuge der Kata¬
strophe am besten über die Ursachen, welche die vollständige Einäscherung der
Stadt herbeiführten, unterrichtet sein konnte. Sodann ist bei seinem Zeugnisse
eine Tendenz von vorn herein ausgeschlossen. Weder wird eine bestimmte Person
der Absicht beschuldigt, die Stadt in Asche zu legen, noch kann eine Tendenz


schlössen, weil es schlechterdings undenkbar ist, daß Pappenheim gegen den be¬
stimmten Willen Tillys, der aus strategischen Gründen die Stadt schonen wollte
und mußte, sie in Brand gesteckt hätte.

Auf Grund von Beates Zeugniß und in Erwägung der bereits geschilderten
Umstände wird man sich die Situation also etwa in folgender Weise zu denken
haben: Bei dem Sturme auf die Stadt und dem heftigen Straßenkampfe, der
sich nach dem Eindringen der Schaaren Pappenheims in das Innere der Stadt
erhob, wird Pappenheim im Eifer des Gefechts den Befehl gegeben haben, einige
Hänser in Brand zu stecken, welche den Vertheidigern der Stadt willkommene
Deckung boten, oder von denen aus direct gegen die Anstürmenden aus sicherem
Verstecke geschossen wurde. Als der Kampf weitertobte, griff das Feuer mehr
und mehr um sich, später wohl auch noch genährt durch die Zerstörungswuth
der kaiserlichen Soldaten, welche, wie Thodänus erzählt, durch Zertrümmerung
der Hausgeräthe in blindem Eifer dem tobenden Elemente immer neues Material
zuführten. Als dann Tilly, mehr durch strategische Gründe als durch Menschlich¬
keit bewogen, den Befehl zum Löschen gab, war es zu spät. Wie bei dem großen
Brande von Hamburg 1842, so war es auch in Magdeburg nicht möglich, des
Feuers, das auf verschiedenen Punkten der Stadt gleichzeitig wüthete, Herr zu
werden, da die gefüllten Speicher der damals neben Hamburg reichsten Handels¬
stadt in Norddeutschland der Flamme immer neue Nahrung boten und bei der
Plünderungswuth der rohen und in Folge ihrer Unmäßigkeit berauschten Sol¬
dateska an eine erfolgreiche Löschthätigkeit von Anfang an nicht zu denken war.
Daß dann angesichts der ungeheuren Gräuel einzelne Bürger die Verzweiflung
erfaßte und sie lieber dem wüthenden Elemente zum Opfer fallen wollten als
in die Hand entmenschter Wütheriche, ist ebensowenig unwahrscheinlich, wie daß
der Oberst Falkenberg das Rathhaus mit allen seinen Verrätherischen Insassen
in Flammen aufgehen ließ. Aber weder dieser Racheact des in seiner Soldaten¬
ehre tödtlich gekränkten Befehlshabers, noch einzelne Acte der Verzweiflung von
Seiten der Bürgerschaft würden allein den Untergang der stolzen Stadt herbei¬
geführt haben, wenn nicht die Wuth der kämpfenden und plündernden Soldaten
die Flamme zum Untergange der Stadt geschürt hätte.

Für die Angabe des Dompredigers Bake spricht nicht bloß in hohem Grade
die Glaubwürdigkeit der berichteten Thatsache, sondern das Zeugniß selbst
ist auch so geartet, daß ein Zweifel an seiner Wahrhaftigkeit nicht aufkommen
kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Bake als Augenzeuge der Kata¬
strophe am besten über die Ursachen, welche die vollständige Einäscherung der
Stadt herbeiführten, unterrichtet sein konnte. Sodann ist bei seinem Zeugnisse
eine Tendenz von vorn herein ausgeschlossen. Weder wird eine bestimmte Person
der Absicht beschuldigt, die Stadt in Asche zu legen, noch kann eine Tendenz


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[0547] schlössen, weil es schlechterdings undenkbar ist, daß Pappenheim gegen den be¬ stimmten Willen Tillys, der aus strategischen Gründen die Stadt schonen wollte und mußte, sie in Brand gesteckt hätte. Auf Grund von Beates Zeugniß und in Erwägung der bereits geschilderten Umstände wird man sich die Situation also etwa in folgender Weise zu denken haben: Bei dem Sturme auf die Stadt und dem heftigen Straßenkampfe, der sich nach dem Eindringen der Schaaren Pappenheims in das Innere der Stadt erhob, wird Pappenheim im Eifer des Gefechts den Befehl gegeben haben, einige Hänser in Brand zu stecken, welche den Vertheidigern der Stadt willkommene Deckung boten, oder von denen aus direct gegen die Anstürmenden aus sicherem Verstecke geschossen wurde. Als der Kampf weitertobte, griff das Feuer mehr und mehr um sich, später wohl auch noch genährt durch die Zerstörungswuth der kaiserlichen Soldaten, welche, wie Thodänus erzählt, durch Zertrümmerung der Hausgeräthe in blindem Eifer dem tobenden Elemente immer neues Material zuführten. Als dann Tilly, mehr durch strategische Gründe als durch Menschlich¬ keit bewogen, den Befehl zum Löschen gab, war es zu spät. Wie bei dem großen Brande von Hamburg 1842, so war es auch in Magdeburg nicht möglich, des Feuers, das auf verschiedenen Punkten der Stadt gleichzeitig wüthete, Herr zu werden, da die gefüllten Speicher der damals neben Hamburg reichsten Handels¬ stadt in Norddeutschland der Flamme immer neue Nahrung boten und bei der Plünderungswuth der rohen und in Folge ihrer Unmäßigkeit berauschten Sol¬ dateska an eine erfolgreiche Löschthätigkeit von Anfang an nicht zu denken war. Daß dann angesichts der ungeheuren Gräuel einzelne Bürger die Verzweiflung erfaßte und sie lieber dem wüthenden Elemente zum Opfer fallen wollten als in die Hand entmenschter Wütheriche, ist ebensowenig unwahrscheinlich, wie daß der Oberst Falkenberg das Rathhaus mit allen seinen Verrätherischen Insassen in Flammen aufgehen ließ. Aber weder dieser Racheact des in seiner Soldaten¬ ehre tödtlich gekränkten Befehlshabers, noch einzelne Acte der Verzweiflung von Seiten der Bürgerschaft würden allein den Untergang der stolzen Stadt herbei¬ geführt haben, wenn nicht die Wuth der kämpfenden und plündernden Soldaten die Flamme zum Untergange der Stadt geschürt hätte. Für die Angabe des Dompredigers Bake spricht nicht bloß in hohem Grade die Glaubwürdigkeit der berichteten Thatsache, sondern das Zeugniß selbst ist auch so geartet, daß ein Zweifel an seiner Wahrhaftigkeit nicht aufkommen kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Bake als Augenzeuge der Kata¬ strophe am besten über die Ursachen, welche die vollständige Einäscherung der Stadt herbeiführten, unterrichtet sein konnte. Sodann ist bei seinem Zeugnisse eine Tendenz von vorn herein ausgeschlossen. Weder wird eine bestimmte Person der Absicht beschuldigt, die Stadt in Asche zu legen, noch kann eine Tendenz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/547>, abgerufen am 22.07.2024.