Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.Lenbachschen Manier unnachsichtlich bloßlegt, am Schlüsse derselben sagt, das In der jüngsten Zeit hat Lenbach den Versuch gemacht, seine Nonchalance Bismarck, der in einen schwarzen Gehrock und in eine schwarze bis an den Lenbachschen Manier unnachsichtlich bloßlegt, am Schlüsse derselben sagt, das In der jüngsten Zeit hat Lenbach den Versuch gemacht, seine Nonchalance Bismarck, der in einen schwarzen Gehrock und in eine schwarze bis an den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146448"/> <p xml:id="ID_1514" prev="#ID_1513"> Lenbachschen Manier unnachsichtlich bloßlegt, am Schlüsse derselben sagt, das<lb/> von Lenbach angewendete Malverfahren räche sich dadurch, daß die viel zu viel<lb/> mit Terpentin getränkte Farbe sich mit der Zeit zusammenziehe und der weiße<lb/> Untergrund der Malerei spinnwebenartig dnrch sie hindurchbreche, so hat er<lb/> dem technischen Raffinement Lenbachs noch zu wenig zugetraut. Lenbach, sagt<lb/> Friedrich Pecht, sein Apologet, war „niemals naiv, sondern von Hause aus<lb/> durchaus refleetirend und bewußt", und so ist auch das Durchscheinen des weißen<lb/> Untergrundes und das Mitspielen der groben Textur der Leinwand nicht eine<lb/> Folge der Zeit, sondern ein von Lenbach von vornherein beabsichtigter Effect,<lb/> um die Illusion des Beschauers, er habe ein altes Bild vor sich, vollständig<lb/> zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1515"> In der jüngsten Zeit hat Lenbach den Versuch gemacht, seine Nonchalance<lb/> auszugeben und nach größerer Genauigkeit in der Zeichnung zu streben. Nach<lb/> dieser Richtung hin zeichnen sich die fiir die Berliner Nationalgalerie gemalten<lb/> Bildnisse des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke vor allen seinen frü¬<lb/> heren Arbeiten vortheilhaft aus. Das malerische Princip ist freilich das alte<lb/> geblieben: unter scharfer von oben einfallender Beleuchtung hebt sich der Kopf<lb/> in kräftiger Plastik von einem dunklen Hintergrunde ab, ein schwächerer Licht¬<lb/> strahl fällt auf die Hände, während sich Rock, Mantel und Uniform fast mit<lb/> dem Hintergrunde zu einem Gesammtton vermählen, und wenn auch die Hunde<lb/> besser gezeichnet und wenigstens menschenmöglich sind, so fehlt ihnen doch jede<lb/> feinere Individualisirung. Von Moltkes Hand, die um ihrer „sprechenden" Fein¬<lb/> heit willen berühmt ist, sieht man nur zwei plumpe, fleischige, in dem Verhält¬<lb/> niß zur Figur völlig verfehlte Finger, welche den von der linken Schulter<lb/> herabgeglittenen Mantel vorn zusammenhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1516" next="#ID_1517"> Bismarck, der in einen schwarzen Gehrock und in eine schwarze bis an den<lb/> Hals geschlossene Weste gekleidet ist, stützt ein Paar schwammiger Cyklopenhände,<lb/> denen man keine Spur von der Energie, von der schneidigen Kampfbereitschaft<lb/> it)res Besitzers ansieht, auf die hohe steife Lehne eines rothen Sammetsessels.<lb/> Ebenso schwammig und ungeschickt ist der Körper, hinter dem man kaum einen<lb/> Knochen, geschweige denn ein ganzes Knochengerüst oder eine Sehne vermuthet.<lb/> "Auf dem Körper eines Silen der Kopf eines Tigers", so hat ein unbefangener<lb/> Berichterstatter den Eindruck dieses Bildes geschildert, welches trotz seiner impo-<lb/> nirenden Lebensfülle und trotz mancher frappanter Einzelzüge der gigantischen<lb/> Persönlichkeit des deutschen Reichskanzlers und seinen geistigen Qualitäten keines¬<lb/> wegs gerecht wird. Die Skizzen, welche Lenbach in Kissingen und Varzin nach<lb/> der Natur angefertigt hat, ließen eine außerordentliche Leistung erwarten.<lb/> Namentlich in dem Kissinger Entwurf sprühten die Augen des gewaltigen Mannes<lb/> förmlich Blitze: so denkt man sich in der That den-luxxitor tcmaQL, vor dessen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
Lenbachschen Manier unnachsichtlich bloßlegt, am Schlüsse derselben sagt, das
von Lenbach angewendete Malverfahren räche sich dadurch, daß die viel zu viel
mit Terpentin getränkte Farbe sich mit der Zeit zusammenziehe und der weiße
Untergrund der Malerei spinnwebenartig dnrch sie hindurchbreche, so hat er
dem technischen Raffinement Lenbachs noch zu wenig zugetraut. Lenbach, sagt
Friedrich Pecht, sein Apologet, war „niemals naiv, sondern von Hause aus
durchaus refleetirend und bewußt", und so ist auch das Durchscheinen des weißen
Untergrundes und das Mitspielen der groben Textur der Leinwand nicht eine
Folge der Zeit, sondern ein von Lenbach von vornherein beabsichtigter Effect,
um die Illusion des Beschauers, er habe ein altes Bild vor sich, vollständig
zu machen.
In der jüngsten Zeit hat Lenbach den Versuch gemacht, seine Nonchalance
auszugeben und nach größerer Genauigkeit in der Zeichnung zu streben. Nach
dieser Richtung hin zeichnen sich die fiir die Berliner Nationalgalerie gemalten
Bildnisse des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke vor allen seinen frü¬
heren Arbeiten vortheilhaft aus. Das malerische Princip ist freilich das alte
geblieben: unter scharfer von oben einfallender Beleuchtung hebt sich der Kopf
in kräftiger Plastik von einem dunklen Hintergrunde ab, ein schwächerer Licht¬
strahl fällt auf die Hände, während sich Rock, Mantel und Uniform fast mit
dem Hintergrunde zu einem Gesammtton vermählen, und wenn auch die Hunde
besser gezeichnet und wenigstens menschenmöglich sind, so fehlt ihnen doch jede
feinere Individualisirung. Von Moltkes Hand, die um ihrer „sprechenden" Fein¬
heit willen berühmt ist, sieht man nur zwei plumpe, fleischige, in dem Verhält¬
niß zur Figur völlig verfehlte Finger, welche den von der linken Schulter
herabgeglittenen Mantel vorn zusammenhalten.
Bismarck, der in einen schwarzen Gehrock und in eine schwarze bis an den
Hals geschlossene Weste gekleidet ist, stützt ein Paar schwammiger Cyklopenhände,
denen man keine Spur von der Energie, von der schneidigen Kampfbereitschaft
it)res Besitzers ansieht, auf die hohe steife Lehne eines rothen Sammetsessels.
Ebenso schwammig und ungeschickt ist der Körper, hinter dem man kaum einen
Knochen, geschweige denn ein ganzes Knochengerüst oder eine Sehne vermuthet.
"Auf dem Körper eines Silen der Kopf eines Tigers", so hat ein unbefangener
Berichterstatter den Eindruck dieses Bildes geschildert, welches trotz seiner impo-
nirenden Lebensfülle und trotz mancher frappanter Einzelzüge der gigantischen
Persönlichkeit des deutschen Reichskanzlers und seinen geistigen Qualitäten keines¬
wegs gerecht wird. Die Skizzen, welche Lenbach in Kissingen und Varzin nach
der Natur angefertigt hat, ließen eine außerordentliche Leistung erwarten.
Namentlich in dem Kissinger Entwurf sprühten die Augen des gewaltigen Mannes
förmlich Blitze: so denkt man sich in der That den-luxxitor tcmaQL, vor dessen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |