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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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ausfindig machen können, die ohne Schustcrflecken sind; unter den guten wenig¬
stens keine!" Hat denn Herr Joseph Rubinstein nie eine Beethovensche Sym¬
phonie oder Sonate in der Hand gehabt? oder hält er Beethoven vielleicht
auch für einen Flickschuster?

Näher auf das Rubinsteinsche Elaborat einzugehen, verbietet uns der Ort;
die ganze Lächerlichkeit und Haltlosigkeit seiner Jnvectiven könnte nur hervor¬
treten, wenn wir uns das Vergnügen machten, den von ihm ganz willkürlich
herausgegriffenen Beispielen Schumannscher Schusterflecken und Schumannscher
Inhaltslosigkeiten ebenso beliebig herausgegriffene Beispiele aus den Werken des
angebeteten Meisters Wagner in Noten gegenüberzustellen. Mit geradezu be¬
wunderungswürdiger Keckheit bringt Rubinstein allbekannte und allbeliebte Themen
aus Schumannschen Werken und fragt: kann man sich etwas nichtssagenderes
denken?

Uebrigens werden wir uns unberufenen Eindringens in Privatangelegen¬
heiten bezichtigen lasse" müssen; denn Herrn Rubinsteins Pamphlet ist ja pri¬
vater Natur, wie geradezu von zünftigen Wagnerianern betont worden ist, da
die "Bayreuther Blätter" nicht eine öffentliche Zeitung, sondern ein Vereinsorgan
seien! Sie werden nämlich nur den Mitgliedern der Wagnervereiue abgegeben.
Leider ist's nur nicht zu vermeiden, daß auch Menschen sie in die Hand be¬
kommen, die keine Mitgliederbeitrüge bezahlen und nicht alles, was von Bayreuth
kommt, so ixso für gut halten.

Die ganze Art der Polemik Rubinsteins ist unserer Ansicht nach nicht von
künstlerischen? Anstandsgefühl dictirt. Einen edlen Künstler zu schmähen, nur
um einen? anderen mehr Relief zu geben, ist ein Mittel, welches der Zweck nicht
heiligt. Der Schlag füllt aber ins Wasser, und dieses bespritzt rückwärts nicht
nur den Autor, sondern auch seine Partei, die den Schlag gut heißt, und den
Meister mit. Ist es nicht bedauerlich, daß der Mann, welchem wahrhaftig bei
Lebzeiten mehr Lorbeeren gespendet worden sind als Beethoven nach den, Tode,
nicht wenigstens sür seine Person Einspruch erhebt gegen solche Verunglimpfungen
verstorbener Meister? Ist es nicht arg, daß er an die Spitze der ihn wie ein
überirdisches Wesen feiernden Hymnen seinen Namen setzen läßt: unter "Mit¬
wirkung", d. h. unter oberster Controle? Die specifisch wagnerischen Zeitungen,
wie auch die von den sogenannten "Wagnerapostcln" verfaßten Bücher sind für
jeden nicht von der Wagner-Manie befallenen Menschen geradezu ungenießbar.
Thun dieselben doch gerade, als wenn vor Wagner im Gebiete der Kunst völlige
Finsterniß gewesen und mit ihm plötzlich das Licht erschienen wäre, als wenn
ein Beethoven, ein Mozart, ein Haydn, ja ein Händel, ein Bach von rechter
Declamation und von Stimmung, Charakteristik keine Ahnung gehabt hätten!
Der Verfasser dieser Zeilen glaubt Wagner sehr hoch zu schützen und hat dies


ausfindig machen können, die ohne Schustcrflecken sind; unter den guten wenig¬
stens keine!" Hat denn Herr Joseph Rubinstein nie eine Beethovensche Sym¬
phonie oder Sonate in der Hand gehabt? oder hält er Beethoven vielleicht
auch für einen Flickschuster?

Näher auf das Rubinsteinsche Elaborat einzugehen, verbietet uns der Ort;
die ganze Lächerlichkeit und Haltlosigkeit seiner Jnvectiven könnte nur hervor¬
treten, wenn wir uns das Vergnügen machten, den von ihm ganz willkürlich
herausgegriffenen Beispielen Schumannscher Schusterflecken und Schumannscher
Inhaltslosigkeiten ebenso beliebig herausgegriffene Beispiele aus den Werken des
angebeteten Meisters Wagner in Noten gegenüberzustellen. Mit geradezu be¬
wunderungswürdiger Keckheit bringt Rubinstein allbekannte und allbeliebte Themen
aus Schumannschen Werken und fragt: kann man sich etwas nichtssagenderes
denken?

Uebrigens werden wir uns unberufenen Eindringens in Privatangelegen¬
heiten bezichtigen lasse» müssen; denn Herrn Rubinsteins Pamphlet ist ja pri¬
vater Natur, wie geradezu von zünftigen Wagnerianern betont worden ist, da
die „Bayreuther Blätter" nicht eine öffentliche Zeitung, sondern ein Vereinsorgan
seien! Sie werden nämlich nur den Mitgliedern der Wagnervereiue abgegeben.
Leider ist's nur nicht zu vermeiden, daß auch Menschen sie in die Hand be¬
kommen, die keine Mitgliederbeitrüge bezahlen und nicht alles, was von Bayreuth
kommt, so ixso für gut halten.

Die ganze Art der Polemik Rubinsteins ist unserer Ansicht nach nicht von
künstlerischen? Anstandsgefühl dictirt. Einen edlen Künstler zu schmähen, nur
um einen? anderen mehr Relief zu geben, ist ein Mittel, welches der Zweck nicht
heiligt. Der Schlag füllt aber ins Wasser, und dieses bespritzt rückwärts nicht
nur den Autor, sondern auch seine Partei, die den Schlag gut heißt, und den
Meister mit. Ist es nicht bedauerlich, daß der Mann, welchem wahrhaftig bei
Lebzeiten mehr Lorbeeren gespendet worden sind als Beethoven nach den, Tode,
nicht wenigstens sür seine Person Einspruch erhebt gegen solche Verunglimpfungen
verstorbener Meister? Ist es nicht arg, daß er an die Spitze der ihn wie ein
überirdisches Wesen feiernden Hymnen seinen Namen setzen läßt: unter „Mit¬
wirkung", d. h. unter oberster Controle? Die specifisch wagnerischen Zeitungen,
wie auch die von den sogenannten „Wagnerapostcln" verfaßten Bücher sind für
jeden nicht von der Wagner-Manie befallenen Menschen geradezu ungenießbar.
Thun dieselben doch gerade, als wenn vor Wagner im Gebiete der Kunst völlige
Finsterniß gewesen und mit ihm plötzlich das Licht erschienen wäre, als wenn
ein Beethoven, ein Mozart, ein Haydn, ja ein Händel, ein Bach von rechter
Declamation und von Stimmung, Charakteristik keine Ahnung gehabt hätten!
Der Verfasser dieser Zeilen glaubt Wagner sehr hoch zu schützen und hat dies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/48>, abgerufen am 03.07.2024.