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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Botmäßigkeit entzogen hatte, den Weg nach Herat gesucht, bei welchen Opera¬
tionen gewöhnlich Mesched ihr Hauptquartier war.

Zwei Straßen führen von Herat durch Chorassan nach Teheran, der Resi¬
denz des persischen Schahmscha. Die kürzere läuft am nördlichen Rande der
iranischen Wüste hin, von welcher ein großer Theil mit einer Strecke des Ge-
birgslandes im Norden derselben in den Umkreis der Provinz Chorassan fällt,
und berührt zwei ziemlich bedeutende Städte, Turdut mit 20000 Einwohnern
und Turschis, sie wird aber wenig benutzt. Der Hauptverkehrsweg ist die zweite
Straße, die sich nordwestlich nach Mesched und dann rein westlich über Nischapur
und Sabsawar nach Bostan und Schachrud hinzieht. Diese Straße bildet mit
ihrer östlichen Fortsetzung von Herat über Kandahar, Gazna und Kabul den
berühmten "Königsweg", die alte Verbindungslinie zwischen Iran und Hindostan
über Afghanistan, welche friedlichen Kaufmannskarawanen wie erobernden Heeres¬
massen diente. Obwohl der mittelasiatische Handel seit uralter Zeit der "Königs¬
straße" treu geblieben ist, so hat die letztere doch schon lange viel von ihrer
einstigen Bedeutung verloren. Bereits in den Tagen Abbas des Großen war
ihre höchste Entwicklung vorüber, und seitdem ist sie mit jedem Jahrhundert
mehr verödet.

Die Stadt Herat versendet auf dieser Straße außer ihren beiden Stapel¬
artikeln, Safran und ^.sa tdstiÄiZ,, namentlich noch ein unter dem Namen Bir-
zund bekanntes Gummi und einen eigenthümlichen gelben Färbestoff, welcher
Jspiruk heißt, ferner Manna, Mastix, Pistaziennüsse und, nach Ostindien, Pferde
und Backobst. Die weltberühmten Säbelklingen von Chorassan werden in Herat
angefertigt und von da ausgeführt; sie sind Arbeiten von Abkömmlingen einer
Colonie von Schwertfegern, welche Timurleng von Damascus nach Herat ver¬
setzte. Die seidenen und wollenen Teppiche, welche in dieser Stadt in allen
Größen und mit den prachtvollsten Farben gewebt werden, sind nicht mehr
Gegenstand eines so lebhaften Handels wie früher. Für die kostbarsten zahlte
man damals tausend Rupien das Stück, da aber der Landtransport für so
werthvolle Waaren jetzt nicht sicher genug ist, so kommen sie nur selten zur
Versendung. Auch Seide wird in der Umgebung von Herat gewonnen, aber
lediglich an Ort und Stelle verbraucht. Das hier erzeugte Rosenöl ist so gut,
daß man es selbst dem von Schiras vorzieht. Die Handelsartikel, die Herat
aus Ostindien, Kaschmir, Buchara und Kabul empfängt und meist wieder nach
den persischen Städten Mesched, Jesd, Kerman und Jspahan ausführt, bestehen
in Shawls, Zitz, Musselin, Leder, Häuten, Zucker und Indigo, und die letzt¬
genannten Märkte bezahlen diese Waaren den Kaufleuten Herats mit Silber¬
und Kupfergeschirr, feinem Tuch und Pfeffer, Kerman vorzüglich mit Datteln;


Botmäßigkeit entzogen hatte, den Weg nach Herat gesucht, bei welchen Opera¬
tionen gewöhnlich Mesched ihr Hauptquartier war.

Zwei Straßen führen von Herat durch Chorassan nach Teheran, der Resi¬
denz des persischen Schahmscha. Die kürzere läuft am nördlichen Rande der
iranischen Wüste hin, von welcher ein großer Theil mit einer Strecke des Ge-
birgslandes im Norden derselben in den Umkreis der Provinz Chorassan fällt,
und berührt zwei ziemlich bedeutende Städte, Turdut mit 20000 Einwohnern
und Turschis, sie wird aber wenig benutzt. Der Hauptverkehrsweg ist die zweite
Straße, die sich nordwestlich nach Mesched und dann rein westlich über Nischapur
und Sabsawar nach Bostan und Schachrud hinzieht. Diese Straße bildet mit
ihrer östlichen Fortsetzung von Herat über Kandahar, Gazna und Kabul den
berühmten „Königsweg", die alte Verbindungslinie zwischen Iran und Hindostan
über Afghanistan, welche friedlichen Kaufmannskarawanen wie erobernden Heeres¬
massen diente. Obwohl der mittelasiatische Handel seit uralter Zeit der „Königs¬
straße" treu geblieben ist, so hat die letztere doch schon lange viel von ihrer
einstigen Bedeutung verloren. Bereits in den Tagen Abbas des Großen war
ihre höchste Entwicklung vorüber, und seitdem ist sie mit jedem Jahrhundert
mehr verödet.

Die Stadt Herat versendet auf dieser Straße außer ihren beiden Stapel¬
artikeln, Safran und ^.sa tdstiÄiZ,, namentlich noch ein unter dem Namen Bir-
zund bekanntes Gummi und einen eigenthümlichen gelben Färbestoff, welcher
Jspiruk heißt, ferner Manna, Mastix, Pistaziennüsse und, nach Ostindien, Pferde
und Backobst. Die weltberühmten Säbelklingen von Chorassan werden in Herat
angefertigt und von da ausgeführt; sie sind Arbeiten von Abkömmlingen einer
Colonie von Schwertfegern, welche Timurleng von Damascus nach Herat ver¬
setzte. Die seidenen und wollenen Teppiche, welche in dieser Stadt in allen
Größen und mit den prachtvollsten Farben gewebt werden, sind nicht mehr
Gegenstand eines so lebhaften Handels wie früher. Für die kostbarsten zahlte
man damals tausend Rupien das Stück, da aber der Landtransport für so
werthvolle Waaren jetzt nicht sicher genug ist, so kommen sie nur selten zur
Versendung. Auch Seide wird in der Umgebung von Herat gewonnen, aber
lediglich an Ort und Stelle verbraucht. Das hier erzeugte Rosenöl ist so gut,
daß man es selbst dem von Schiras vorzieht. Die Handelsartikel, die Herat
aus Ostindien, Kaschmir, Buchara und Kabul empfängt und meist wieder nach
den persischen Städten Mesched, Jesd, Kerman und Jspahan ausführt, bestehen
in Shawls, Zitz, Musselin, Leder, Häuten, Zucker und Indigo, und die letzt¬
genannten Märkte bezahlen diese Waaren den Kaufleuten Herats mit Silber¬
und Kupfergeschirr, feinem Tuch und Pfeffer, Kerman vorzüglich mit Datteln;


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[0452] Botmäßigkeit entzogen hatte, den Weg nach Herat gesucht, bei welchen Opera¬ tionen gewöhnlich Mesched ihr Hauptquartier war. Zwei Straßen führen von Herat durch Chorassan nach Teheran, der Resi¬ denz des persischen Schahmscha. Die kürzere läuft am nördlichen Rande der iranischen Wüste hin, von welcher ein großer Theil mit einer Strecke des Ge- birgslandes im Norden derselben in den Umkreis der Provinz Chorassan fällt, und berührt zwei ziemlich bedeutende Städte, Turdut mit 20000 Einwohnern und Turschis, sie wird aber wenig benutzt. Der Hauptverkehrsweg ist die zweite Straße, die sich nordwestlich nach Mesched und dann rein westlich über Nischapur und Sabsawar nach Bostan und Schachrud hinzieht. Diese Straße bildet mit ihrer östlichen Fortsetzung von Herat über Kandahar, Gazna und Kabul den berühmten „Königsweg", die alte Verbindungslinie zwischen Iran und Hindostan über Afghanistan, welche friedlichen Kaufmannskarawanen wie erobernden Heeres¬ massen diente. Obwohl der mittelasiatische Handel seit uralter Zeit der „Königs¬ straße" treu geblieben ist, so hat die letztere doch schon lange viel von ihrer einstigen Bedeutung verloren. Bereits in den Tagen Abbas des Großen war ihre höchste Entwicklung vorüber, und seitdem ist sie mit jedem Jahrhundert mehr verödet. Die Stadt Herat versendet auf dieser Straße außer ihren beiden Stapel¬ artikeln, Safran und ^.sa tdstiÄiZ,, namentlich noch ein unter dem Namen Bir- zund bekanntes Gummi und einen eigenthümlichen gelben Färbestoff, welcher Jspiruk heißt, ferner Manna, Mastix, Pistaziennüsse und, nach Ostindien, Pferde und Backobst. Die weltberühmten Säbelklingen von Chorassan werden in Herat angefertigt und von da ausgeführt; sie sind Arbeiten von Abkömmlingen einer Colonie von Schwertfegern, welche Timurleng von Damascus nach Herat ver¬ setzte. Die seidenen und wollenen Teppiche, welche in dieser Stadt in allen Größen und mit den prachtvollsten Farben gewebt werden, sind nicht mehr Gegenstand eines so lebhaften Handels wie früher. Für die kostbarsten zahlte man damals tausend Rupien das Stück, da aber der Landtransport für so werthvolle Waaren jetzt nicht sicher genug ist, so kommen sie nur selten zur Versendung. Auch Seide wird in der Umgebung von Herat gewonnen, aber lediglich an Ort und Stelle verbraucht. Das hier erzeugte Rosenöl ist so gut, daß man es selbst dem von Schiras vorzieht. Die Handelsartikel, die Herat aus Ostindien, Kaschmir, Buchara und Kabul empfängt und meist wieder nach den persischen Städten Mesched, Jesd, Kerman und Jspahan ausführt, bestehen in Shawls, Zitz, Musselin, Leder, Häuten, Zucker und Indigo, und die letzt¬ genannten Märkte bezahlen diese Waaren den Kaufleuten Herats mit Silber¬ und Kupfergeschirr, feinem Tuch und Pfeffer, Kerman vorzüglich mit Datteln;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/452>, abgerufen am 03.07.2024.