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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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hervorrufen könnte. Diese Bedenken wären aber nur dann berechtigt, wenn die
Verwaltung nach Strecken jetzt noch als die naturgemäße für ein reich mit
Eisenbahnen ausgestattetes Land, wie Preußen und Deutschland, angesehen werden
könnte. Dem ist jedoch nicht so. Die größten Schwierigkeiten für Betrieb und
Verwaltung bieten nämlich -- wie jedem Eisenbahnbeamten bekannt und für
den Laien leicht einzusehen ist -- nicht die freien Strecken der Bahnen, sondern
die Bahnhöfe. Der Betrieb der Bahn auf freier Strecke ist ein überaus
einfacher im Vergleich mit dem der Bahnhöfe. Ist ein Zug im Bahnhofe ab¬
gelassen, so legt er seinen Weg ohne Schwierigkeit nach Vorschrift zurück; es
geht, Dank der großen Vollkommenheit der Betriebsmittel, des Schienenoberbanes,
einer vorzüglichen Bahnbewachung und -Unterhaltung, endlich einem vorzüg¬
lichen Signal- und Meldewesen, gleichsam Alles von selbst. Die Schwierigkeiten
beginnen erst wieder, sobald sich der Zug einem neuen Bahnhofe nähert; dann
gilt es, besondere Vorsicht zu üben, die Signale zu beobachten, Gefahren aus-
zuweichen, Aufenthalte zu vermeiden, im Bahnhof das Aus- und Einsteigen der
Passagiere, das Verladen des Gepäcks zu überwachen, neue Wagen einzuschieben,
die Maschine zu wechseln oder Wasser zu nehmen, Rangirbewegungen zum Ueber¬
gange auf andere Linien vorzunehmen u. f. w. In den Zusammenlaufspunkteu
mehrerer Linien vermehren sich die Schwierigkeiten in wachsender Progression;
es bedarf dies keiner Ausmalung, jedermann kennt das Treiben auf einem
Bahnhofe bei Ankunft und Abgang der Personenzüge. Für die Güterbeförde¬
rung liegt aber der Schwerpunkt der Betriebs- und Verwaltungsthätigkeit noch
weit mehr in den Bahnhöfen als auf der freien Strecke; die ganze An- und
Abfuhr der Güter, die Expedition, die Verladung, das Rangireu geschieht in den
Bahnhöfen. Kurz es findet sich, daß vom ganzen Betriebs- und Verwaltungs¬
wesen einer Eisenbahn, mit einer einzigen gleich noch zu besprechenden Ausnahme,
alle Geschäftszweige entweder an die Bahnhöfe gebunden sind oder sich -- wie
die Bahnbewachung und Bahnerhaltung -- in einer gleichförmigen und gleich-
werthigen Weise derart auf die freie Strecke vertheilen, daß es, abgesehen
von einigen untergeordneten leicht zu währenden Rücksichten, ganz gleichgiltig
ist, an welcher Stelle sich zwei Betriebsbezirke trennen. Dagegen muß hervor¬
gehoben werden, daß es in letzter Hinsicht -- auf Bahnbewachung und Bahn¬
erhaltung --, wie in jeder anderen nachtheilig ist, wenn in einem Zusammen¬
laufs- oder Knotenpunkte mehrerer Bahnlinien mehr als eine Verwaltung etablirt
ist. Wenn man aber die Eisenbahnverwaltung nach Strecken organisirt, so
findet eben diese Trennung der Verwaltungen nothwendig in Zusammenlaufs-
oder Knotenpunkten statt; deshalb führen an vielen Orten, und zwar an den
größten und wichtigsten, mehr als eine Eisenbahnverwaltung coordinirt das


hervorrufen könnte. Diese Bedenken wären aber nur dann berechtigt, wenn die
Verwaltung nach Strecken jetzt noch als die naturgemäße für ein reich mit
Eisenbahnen ausgestattetes Land, wie Preußen und Deutschland, angesehen werden
könnte. Dem ist jedoch nicht so. Die größten Schwierigkeiten für Betrieb und
Verwaltung bieten nämlich — wie jedem Eisenbahnbeamten bekannt und für
den Laien leicht einzusehen ist — nicht die freien Strecken der Bahnen, sondern
die Bahnhöfe. Der Betrieb der Bahn auf freier Strecke ist ein überaus
einfacher im Vergleich mit dem der Bahnhöfe. Ist ein Zug im Bahnhofe ab¬
gelassen, so legt er seinen Weg ohne Schwierigkeit nach Vorschrift zurück; es
geht, Dank der großen Vollkommenheit der Betriebsmittel, des Schienenoberbanes,
einer vorzüglichen Bahnbewachung und -Unterhaltung, endlich einem vorzüg¬
lichen Signal- und Meldewesen, gleichsam Alles von selbst. Die Schwierigkeiten
beginnen erst wieder, sobald sich der Zug einem neuen Bahnhofe nähert; dann
gilt es, besondere Vorsicht zu üben, die Signale zu beobachten, Gefahren aus-
zuweichen, Aufenthalte zu vermeiden, im Bahnhof das Aus- und Einsteigen der
Passagiere, das Verladen des Gepäcks zu überwachen, neue Wagen einzuschieben,
die Maschine zu wechseln oder Wasser zu nehmen, Rangirbewegungen zum Ueber¬
gange auf andere Linien vorzunehmen u. f. w. In den Zusammenlaufspunkteu
mehrerer Linien vermehren sich die Schwierigkeiten in wachsender Progression;
es bedarf dies keiner Ausmalung, jedermann kennt das Treiben auf einem
Bahnhofe bei Ankunft und Abgang der Personenzüge. Für die Güterbeförde¬
rung liegt aber der Schwerpunkt der Betriebs- und Verwaltungsthätigkeit noch
weit mehr in den Bahnhöfen als auf der freien Strecke; die ganze An- und
Abfuhr der Güter, die Expedition, die Verladung, das Rangireu geschieht in den
Bahnhöfen. Kurz es findet sich, daß vom ganzen Betriebs- und Verwaltungs¬
wesen einer Eisenbahn, mit einer einzigen gleich noch zu besprechenden Ausnahme,
alle Geschäftszweige entweder an die Bahnhöfe gebunden sind oder sich — wie
die Bahnbewachung und Bahnerhaltung — in einer gleichförmigen und gleich-
werthigen Weise derart auf die freie Strecke vertheilen, daß es, abgesehen
von einigen untergeordneten leicht zu währenden Rücksichten, ganz gleichgiltig
ist, an welcher Stelle sich zwei Betriebsbezirke trennen. Dagegen muß hervor¬
gehoben werden, daß es in letzter Hinsicht — auf Bahnbewachung und Bahn¬
erhaltung —, wie in jeder anderen nachtheilig ist, wenn in einem Zusammen¬
laufs- oder Knotenpunkte mehrerer Bahnlinien mehr als eine Verwaltung etablirt
ist. Wenn man aber die Eisenbahnverwaltung nach Strecken organisirt, so
findet eben diese Trennung der Verwaltungen nothwendig in Zusammenlaufs-
oder Knotenpunkten statt; deshalb führen an vielen Orten, und zwar an den
größten und wichtigsten, mehr als eine Eisenbahnverwaltung coordinirt das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/407>, abgerufen am 23.07.2024.