Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Jahre 1858 begleitete er Piloty auf seiner Romfahrt und machte während
eines mehrmonatlichen Aufenthaltes eine Anzahl Studien, die er, heimgekehrt,
in einem Bilde verwerthete, welches wiederum mit großer coloristischer Bravour
das durch eine bunte Staffage belebte Forum Romanum unter der Gluth der
Mittagssonne darstellt. Auch hier trat sein kräftiger Realismus in entschiedenen
Gegensatz zu der romantischen Auffassungsweise, die sich in italienischen Land¬
schaften deutscher Maler bis dahin fast ausschließlich geltend gemacht hatte.
Im Colorit zeigte sich jedoch bereits eine ausgesprochene Vorliebe für schwärz¬
liche Töne, welche seine Gegner wohl zu der Behauptung berechtigte, "er male
mit Koth und schattire mit Tinte". Bald darauf betrat er mit dem Portrait
eines Arztes auch die Bahn, auf welcher er später seine eigentlichen Erfolge er¬
zielen sollte. Freilich war die Wirkung dieses Portraits, welches alle Zufällig¬
keiten, Launen und Unzulänglichkeiten der Natur mit photographischer Treue
wiedergab, anfangs eine derartige, daß sich fürs erste Niemand dazu hergeben
wollte, "mit brauner Sauce Übergossen und dem Publikum als Rembrandt
servirt zu werden", wie Pecht trotz seines Enthusiasmus für Lenbach ebenso auf¬
richtig wie witzig bemerkt. Lenbach hatte nämlich inzwischen die Hohlheit und Nich¬
tigkeit Pilotyscher Art erkannt und sich dem Studium der classischen Meister gewid¬
met, in deren Technik und Auffassungsart er mit großem Fleiße und ebenso großem
Scharfsinn eindrang. Es ist für die Schule Pilotys übrigens charakteristisch, daß
kein einziger bedeutender Portraitmaler aus ihr hervorgegangen ist. Ein großer
Portraitmaler muß auch zugleich ein großer Psychologe und Menschenkenner
sein, und das setzt eine geistige Schulung voraus, die nach der ganzen Anlage
Pilotys von ihm nicht zu erwarten war. Lenbach ist vielleicht gerade deshalb
Münchens bester Portraitmaler geworden, weil er sich im Laufe seiner Ent¬
wicklung völlig von der Pilotyschen Art emancipirt hat.

Seine ersten Arbeiten hatten, obgleich sie viele Widersacher fanden, um ihrer
ungewöhnlichen Technik willen so viel von sich reden gemacht, daß der erst
vierundzwanzigjährige Maler im Jahre 1860 einen Ruf an die Kunstschule in
Weimar erhielt, wohin er zugleich mit Arthur v. Ramberg und Böcklin über¬
siedelte. Die ruhige Lehrthätigkeit behagte jedoch dem in vollster Sturm- und
Drangperiode begriffenen Talente nicht lange. Schon nach anderthalb Jahren
legte er sein Lehramt nieder und kehrte nach München zurück, wo er sich nun¬
mehr ausschließlich dem Portraitfach widmete. Damit beginnt ein zweiter
Abschnitt in seinem Leben.


Adolf Rosenberg.


Grenzboten I. 1880.4^

Im Jahre 1858 begleitete er Piloty auf seiner Romfahrt und machte während
eines mehrmonatlichen Aufenthaltes eine Anzahl Studien, die er, heimgekehrt,
in einem Bilde verwerthete, welches wiederum mit großer coloristischer Bravour
das durch eine bunte Staffage belebte Forum Romanum unter der Gluth der
Mittagssonne darstellt. Auch hier trat sein kräftiger Realismus in entschiedenen
Gegensatz zu der romantischen Auffassungsweise, die sich in italienischen Land¬
schaften deutscher Maler bis dahin fast ausschließlich geltend gemacht hatte.
Im Colorit zeigte sich jedoch bereits eine ausgesprochene Vorliebe für schwärz¬
liche Töne, welche seine Gegner wohl zu der Behauptung berechtigte, „er male
mit Koth und schattire mit Tinte". Bald darauf betrat er mit dem Portrait
eines Arztes auch die Bahn, auf welcher er später seine eigentlichen Erfolge er¬
zielen sollte. Freilich war die Wirkung dieses Portraits, welches alle Zufällig¬
keiten, Launen und Unzulänglichkeiten der Natur mit photographischer Treue
wiedergab, anfangs eine derartige, daß sich fürs erste Niemand dazu hergeben
wollte, „mit brauner Sauce Übergossen und dem Publikum als Rembrandt
servirt zu werden", wie Pecht trotz seines Enthusiasmus für Lenbach ebenso auf¬
richtig wie witzig bemerkt. Lenbach hatte nämlich inzwischen die Hohlheit und Nich¬
tigkeit Pilotyscher Art erkannt und sich dem Studium der classischen Meister gewid¬
met, in deren Technik und Auffassungsart er mit großem Fleiße und ebenso großem
Scharfsinn eindrang. Es ist für die Schule Pilotys übrigens charakteristisch, daß
kein einziger bedeutender Portraitmaler aus ihr hervorgegangen ist. Ein großer
Portraitmaler muß auch zugleich ein großer Psychologe und Menschenkenner
sein, und das setzt eine geistige Schulung voraus, die nach der ganzen Anlage
Pilotys von ihm nicht zu erwarten war. Lenbach ist vielleicht gerade deshalb
Münchens bester Portraitmaler geworden, weil er sich im Laufe seiner Ent¬
wicklung völlig von der Pilotyschen Art emancipirt hat.

Seine ersten Arbeiten hatten, obgleich sie viele Widersacher fanden, um ihrer
ungewöhnlichen Technik willen so viel von sich reden gemacht, daß der erst
vierundzwanzigjährige Maler im Jahre 1860 einen Ruf an die Kunstschule in
Weimar erhielt, wohin er zugleich mit Arthur v. Ramberg und Böcklin über¬
siedelte. Die ruhige Lehrthätigkeit behagte jedoch dem in vollster Sturm- und
Drangperiode begriffenen Talente nicht lange. Schon nach anderthalb Jahren
legte er sein Lehramt nieder und kehrte nach München zurück, wo er sich nun¬
mehr ausschließlich dem Portraitfach widmete. Damit beginnt ein zweiter
Abschnitt in seinem Leben.


Adolf Rosenberg.


Grenzboten I. 1880.4^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146314"/>
          <p xml:id="ID_1105" prev="#ID_1104"> Im Jahre 1858 begleitete er Piloty auf seiner Romfahrt und machte während<lb/>
eines mehrmonatlichen Aufenthaltes eine Anzahl Studien, die er, heimgekehrt,<lb/>
in einem Bilde verwerthete, welches wiederum mit großer coloristischer Bravour<lb/>
das durch eine bunte Staffage belebte Forum Romanum unter der Gluth der<lb/>
Mittagssonne darstellt. Auch hier trat sein kräftiger Realismus in entschiedenen<lb/>
Gegensatz zu der romantischen Auffassungsweise, die sich in italienischen Land¬<lb/>
schaften deutscher Maler bis dahin fast ausschließlich geltend gemacht hatte.<lb/>
Im Colorit zeigte sich jedoch bereits eine ausgesprochene Vorliebe für schwärz¬<lb/>
liche Töne, welche seine Gegner wohl zu der Behauptung berechtigte, &#x201E;er male<lb/>
mit Koth und schattire mit Tinte". Bald darauf betrat er mit dem Portrait<lb/>
eines Arztes auch die Bahn, auf welcher er später seine eigentlichen Erfolge er¬<lb/>
zielen sollte. Freilich war die Wirkung dieses Portraits, welches alle Zufällig¬<lb/>
keiten, Launen und Unzulänglichkeiten der Natur mit photographischer Treue<lb/>
wiedergab, anfangs eine derartige, daß sich fürs erste Niemand dazu hergeben<lb/>
wollte, &#x201E;mit brauner Sauce Übergossen und dem Publikum als Rembrandt<lb/>
servirt zu werden", wie Pecht trotz seines Enthusiasmus für Lenbach ebenso auf¬<lb/>
richtig wie witzig bemerkt. Lenbach hatte nämlich inzwischen die Hohlheit und Nich¬<lb/>
tigkeit Pilotyscher Art erkannt und sich dem Studium der classischen Meister gewid¬<lb/>
met, in deren Technik und Auffassungsart er mit großem Fleiße und ebenso großem<lb/>
Scharfsinn eindrang. Es ist für die Schule Pilotys übrigens charakteristisch, daß<lb/>
kein einziger bedeutender Portraitmaler aus ihr hervorgegangen ist. Ein großer<lb/>
Portraitmaler muß auch zugleich ein großer Psychologe und Menschenkenner<lb/>
sein, und das setzt eine geistige Schulung voraus, die nach der ganzen Anlage<lb/>
Pilotys von ihm nicht zu erwarten war. Lenbach ist vielleicht gerade deshalb<lb/>
Münchens bester Portraitmaler geworden, weil er sich im Laufe seiner Ent¬<lb/>
wicklung völlig von der Pilotyschen Art emancipirt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1106"> Seine ersten Arbeiten hatten, obgleich sie viele Widersacher fanden, um ihrer<lb/>
ungewöhnlichen Technik willen so viel von sich reden gemacht, daß der erst<lb/>
vierundzwanzigjährige Maler im Jahre 1860 einen Ruf an die Kunstschule in<lb/>
Weimar erhielt, wohin er zugleich mit Arthur v. Ramberg und Böcklin über¬<lb/>
siedelte. Die ruhige Lehrthätigkeit behagte jedoch dem in vollster Sturm- und<lb/>
Drangperiode begriffenen Talente nicht lange. Schon nach anderthalb Jahren<lb/>
legte er sein Lehramt nieder und kehrte nach München zurück, wo er sich nun¬<lb/>
mehr ausschließlich dem Portraitfach widmete. Damit beginnt ein zweiter<lb/>
Abschnitt in seinem Leben.</p><lb/>
          <note type="byline"> Adolf Rosenberg.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1880.4^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Im Jahre 1858 begleitete er Piloty auf seiner Romfahrt und machte während eines mehrmonatlichen Aufenthaltes eine Anzahl Studien, die er, heimgekehrt, in einem Bilde verwerthete, welches wiederum mit großer coloristischer Bravour das durch eine bunte Staffage belebte Forum Romanum unter der Gluth der Mittagssonne darstellt. Auch hier trat sein kräftiger Realismus in entschiedenen Gegensatz zu der romantischen Auffassungsweise, die sich in italienischen Land¬ schaften deutscher Maler bis dahin fast ausschließlich geltend gemacht hatte. Im Colorit zeigte sich jedoch bereits eine ausgesprochene Vorliebe für schwärz¬ liche Töne, welche seine Gegner wohl zu der Behauptung berechtigte, „er male mit Koth und schattire mit Tinte". Bald darauf betrat er mit dem Portrait eines Arztes auch die Bahn, auf welcher er später seine eigentlichen Erfolge er¬ zielen sollte. Freilich war die Wirkung dieses Portraits, welches alle Zufällig¬ keiten, Launen und Unzulänglichkeiten der Natur mit photographischer Treue wiedergab, anfangs eine derartige, daß sich fürs erste Niemand dazu hergeben wollte, „mit brauner Sauce Übergossen und dem Publikum als Rembrandt servirt zu werden", wie Pecht trotz seines Enthusiasmus für Lenbach ebenso auf¬ richtig wie witzig bemerkt. Lenbach hatte nämlich inzwischen die Hohlheit und Nich¬ tigkeit Pilotyscher Art erkannt und sich dem Studium der classischen Meister gewid¬ met, in deren Technik und Auffassungsart er mit großem Fleiße und ebenso großem Scharfsinn eindrang. Es ist für die Schule Pilotys übrigens charakteristisch, daß kein einziger bedeutender Portraitmaler aus ihr hervorgegangen ist. Ein großer Portraitmaler muß auch zugleich ein großer Psychologe und Menschenkenner sein, und das setzt eine geistige Schulung voraus, die nach der ganzen Anlage Pilotys von ihm nicht zu erwarten war. Lenbach ist vielleicht gerade deshalb Münchens bester Portraitmaler geworden, weil er sich im Laufe seiner Ent¬ wicklung völlig von der Pilotyschen Art emancipirt hat. Seine ersten Arbeiten hatten, obgleich sie viele Widersacher fanden, um ihrer ungewöhnlichen Technik willen so viel von sich reden gemacht, daß der erst vierundzwanzigjährige Maler im Jahre 1860 einen Ruf an die Kunstschule in Weimar erhielt, wohin er zugleich mit Arthur v. Ramberg und Böcklin über¬ siedelte. Die ruhige Lehrthätigkeit behagte jedoch dem in vollster Sturm- und Drangperiode begriffenen Talente nicht lange. Schon nach anderthalb Jahren legte er sein Lehramt nieder und kehrte nach München zurück, wo er sich nun¬ mehr ausschließlich dem Portraitfach widmete. Damit beginnt ein zweiter Abschnitt in seinem Leben. Adolf Rosenberg. Grenzboten I. 1880.4^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/385>, abgerufen am 23.07.2024.