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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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im^Kerker", welche sich im Wallrcif-Richartz-Museum in Cöln befindet. Vor dem
Strohlager seines engen Gefängnisses steht der Astronom, eine fast überlebens¬
große Gestalt, und blickt auf die Linien, die er auf den Boden gezeichnet, und
über die ein Sonnenstrahl, sein Bett streifend, hinweggleitet. Durch ein
vergittertes Fenster im Hintergrunde blicken zwei Mönche, welche das Treiben
des gefährlichen Forschers mißtrauisch beobachten. Darauf folgte wiederum eine
figurenreiche Composition sür das Maximilianeum, Gottfried v. Bouillon und
die Kreuzritter nach der Einnahme von Jerusalem zum heiligen Grabe pilgernd,
und im Jahre 1865 die "Ermordung Cäsars", dasjenige von Pilotys Werken,
welches wenigstens in Bezug auf seine Composition als das vollendetste be¬
zeichnet werden muß. Hier kommt wenigstens die Hauptperson, der Dictator,
welcher die Zudringlichkeiten Cimbers abwehrt, zu seinem ungeschmälerten Rechte.
Ihm ordnen sich die übrigen, reich bewegten Gruppen unter, und kein störendes
Beiwerk lenkt den Blick des Beschauers von dem Helden des Dramas ab. Ich
sage Dramas, denn an die Bühne wird man auch hier wieder erinnert. Der
Dictator thront ans seinem Sessel in völlig theatralischer Attitüde; seine Be¬
wegung ist trotz ihrer Lebhaftigkeit von vollendeter Enrhythmie, und der Brutus
zu feiner Linken hat feine Pose offenbar mit vieler Mühe einstudirt. Aber man
würde sich mit diesem theatralischen Zuge, der hier durch die dramatisch unge¬
mein bewegte Action eine gewisse Motivirung erhält, am Ende noch versöhnen,
wenn die massige Behandlung der Gewänder, welche in breiten, gleichsam auf¬
geblasenen Falten die Körper umfluthen, dieses theatralisch-unwahre Element
nicht uoch verstärkte. Die Köpfe der Figuren tauchen, so trefflich, energisch und
wahr sie auch charakterisirt sind, in diesem Gewoge von Mänteln förmlich unter.
Was die Composition, Dank ihrer ursprünglichen Anlage, an Ruhe, Einheit und
Klarheit gewonnen hat, büßt sie durch dieses übermäßige Hervortreten des Stoff¬
lichen wieder ein. Seine Vorliebe sür die costümliche Folie hat so den Künstler
in seiner glücklichsten Composition um ein gut Theil der Wirkung gebracht.
Im Uebrigen hat Piloty die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, die Virtuo¬
sität seines Pinsels, die sich sonst ziemlich beschränken mußte, wenigstens an dem
farbigen, kunstvoll gemusterten Mosaikpflaster der Halle zu zeigen.

Es ist unbegreiflich, wie diesem, im Besitz der "Verbindung sür historische
Kunst" befindlichen Gemälde eine so unsäglich schwache Leistung unmittelbar
folgen konnte wie der "Columbus" (1866), dessen wenig beneidenswerther Be¬
sitzer der Graf Schack ist. Piloty wollte wahrscheinlich einmal die Effecte des
Lichts, denen er gelegentlich auch früher nachgegangen war, zu einem außerge¬
wöhnlichen Trumpfe verwenden. In einer Mondnacht steht der Seefahrer auf
dem Verdeck seines Schiffes, die Blicke auf eine Karte geheftet, die von einer
Laterne beleuchtet wird. Grüne und rothe Reflexe eröffnen ein seltsames Kreuz-


im^Kerker", welche sich im Wallrcif-Richartz-Museum in Cöln befindet. Vor dem
Strohlager seines engen Gefängnisses steht der Astronom, eine fast überlebens¬
große Gestalt, und blickt auf die Linien, die er auf den Boden gezeichnet, und
über die ein Sonnenstrahl, sein Bett streifend, hinweggleitet. Durch ein
vergittertes Fenster im Hintergrunde blicken zwei Mönche, welche das Treiben
des gefährlichen Forschers mißtrauisch beobachten. Darauf folgte wiederum eine
figurenreiche Composition sür das Maximilianeum, Gottfried v. Bouillon und
die Kreuzritter nach der Einnahme von Jerusalem zum heiligen Grabe pilgernd,
und im Jahre 1865 die „Ermordung Cäsars", dasjenige von Pilotys Werken,
welches wenigstens in Bezug auf seine Composition als das vollendetste be¬
zeichnet werden muß. Hier kommt wenigstens die Hauptperson, der Dictator,
welcher die Zudringlichkeiten Cimbers abwehrt, zu seinem ungeschmälerten Rechte.
Ihm ordnen sich die übrigen, reich bewegten Gruppen unter, und kein störendes
Beiwerk lenkt den Blick des Beschauers von dem Helden des Dramas ab. Ich
sage Dramas, denn an die Bühne wird man auch hier wieder erinnert. Der
Dictator thront ans seinem Sessel in völlig theatralischer Attitüde; seine Be¬
wegung ist trotz ihrer Lebhaftigkeit von vollendeter Enrhythmie, und der Brutus
zu feiner Linken hat feine Pose offenbar mit vieler Mühe einstudirt. Aber man
würde sich mit diesem theatralischen Zuge, der hier durch die dramatisch unge¬
mein bewegte Action eine gewisse Motivirung erhält, am Ende noch versöhnen,
wenn die massige Behandlung der Gewänder, welche in breiten, gleichsam auf¬
geblasenen Falten die Körper umfluthen, dieses theatralisch-unwahre Element
nicht uoch verstärkte. Die Köpfe der Figuren tauchen, so trefflich, energisch und
wahr sie auch charakterisirt sind, in diesem Gewoge von Mänteln förmlich unter.
Was die Composition, Dank ihrer ursprünglichen Anlage, an Ruhe, Einheit und
Klarheit gewonnen hat, büßt sie durch dieses übermäßige Hervortreten des Stoff¬
lichen wieder ein. Seine Vorliebe sür die costümliche Folie hat so den Künstler
in seiner glücklichsten Composition um ein gut Theil der Wirkung gebracht.
Im Uebrigen hat Piloty die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, die Virtuo¬
sität seines Pinsels, die sich sonst ziemlich beschränken mußte, wenigstens an dem
farbigen, kunstvoll gemusterten Mosaikpflaster der Halle zu zeigen.

Es ist unbegreiflich, wie diesem, im Besitz der „Verbindung sür historische
Kunst" befindlichen Gemälde eine so unsäglich schwache Leistung unmittelbar
folgen konnte wie der „Columbus" (1866), dessen wenig beneidenswerther Be¬
sitzer der Graf Schack ist. Piloty wollte wahrscheinlich einmal die Effecte des
Lichts, denen er gelegentlich auch früher nachgegangen war, zu einem außerge¬
wöhnlichen Trumpfe verwenden. In einer Mondnacht steht der Seefahrer auf
dem Verdeck seines Schiffes, die Blicke auf eine Karte geheftet, die von einer
Laterne beleuchtet wird. Grüne und rothe Reflexe eröffnen ein seltsames Kreuz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/376>, abgerufen am 22.07.2024.