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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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manu sie zufrieden lassen muß, wenn manu klug oder wenigstens reich und unab¬
hängig ist."

In der Hoffnung, Fichtes Nachfolger zu werden, verging Krause der Früh¬
ling, und der Sommer kam; der König kehrte zurück, aber Krause bekam Fichtes
Professur nicht; er war wieder um eine Hoffnung ärmer. Endlich zwang ihn
der geringe Besuch der Universität und sein immer drückender werdender Mangel,
Berlin wieder zu verlassen. Dennoch hatte er dort nicht umsonst gelebt. Mit
seinen Freunden gründete er im Februar 1815 die "Berlinische Gesellschaft für
deutsche Sprache" und wurde ihr erster Ordner; die Zahl der Mitglieder, zu
denen u. a. Minister v. Altenstein, Ludwig Jahr und Geh. Staatsrath Nagler
gehörten, belief sich auf 40. Gleichzeitig faßte er jetzt die Idee des "Urwort-
thums" bestimmt auf; nach der 1816 erschienenen, in 6000 Exemplaren verbrei¬
teten Ankündigung, sollte es ein Wörterbuch werden, welches zu der höheren
Ausbildung unserer Muttersprache ein Wesentliches mitzuwirken bestimmt war.
Es sollte, wie der Titel sagte, darin das Urwortthum der deutschen Volkssprache
aus den Quellen und mit Mundarten und den ursprünglich deutschen Neben-Volk-
sprachen in urlcmtgemäßer Ordnung hergestellt und mit einer neuen Bezeichnung
der Aussprache und Sprachtafeln versehen erscheinen. Der "Ankündigung" waren
empfehlende Urtheile feiner Berliner Freunde (Zeune, Heinsius, Wolke, Plamann,
Graßhoff, Bauer) beigedruckt. Trotzdem war die Aufforderung zur Subscription,
durch welche Krause die Herstellungskosten zu decken hoffte, von sehr geringem
Erfolg. Zwar interessirten sich die besten Menschen dafür; der Kronprinz
Friedrich Wilhelm subscribirte, und Prinzessin Wilhelm, Marianne, schrieb
ihm am 29. October 1816: "Ich freue mich schon sehr auf die Beendigung
Ihres wichtigen und mir so viel versprechenden Werkes, des Urwortthums."
Allein der Preis von 12 Thlr. erschien zu hoch, und man wollte das Werk
erst sehen. Der geringe Erfolg der Subscription und die Nörgeleien einzelner
Mitglieder der Berliner Sprachgesellschaft, insbesondere Zahns, der sich damals
sehr geltend machte, raubten Krause schließlich die Lust; dazu kam, daß gerade
jetzt Werke ähnlichen Charakters von Radloff und Heinsius herauskamen, die
billiger waren, und daß Krause mit anderen Arbeiten überladen war. Bis
an das Ende feines Lebens trug er sich noch mit der Idee dieses Werkes, aber
schließlich blieb es bei der Idee, und die Ankündigung ist das Einzige geblieben,
was von dem Werke im Druck erschien.

Der reichste Gewinn seines Berliner Aufenthaltes waren wohl die persön¬
lichen Bekanntschaften, die er dort machte. Wie hoch ihn Zeune schätzte, liest
man u. a. in einem Briefe desselben an Krauses Vater: "Ich bin überzeugt,"
sagte er, "daß, wenn Ihr Sohn Zeit und Muße hat, seine großen Werke zu
vollenden, Deutschland, ja Europa ihn einst unter ihre größten Denker zählen


manu sie zufrieden lassen muß, wenn manu klug oder wenigstens reich und unab¬
hängig ist."

In der Hoffnung, Fichtes Nachfolger zu werden, verging Krause der Früh¬
ling, und der Sommer kam; der König kehrte zurück, aber Krause bekam Fichtes
Professur nicht; er war wieder um eine Hoffnung ärmer. Endlich zwang ihn
der geringe Besuch der Universität und sein immer drückender werdender Mangel,
Berlin wieder zu verlassen. Dennoch hatte er dort nicht umsonst gelebt. Mit
seinen Freunden gründete er im Februar 1815 die „Berlinische Gesellschaft für
deutsche Sprache" und wurde ihr erster Ordner; die Zahl der Mitglieder, zu
denen u. a. Minister v. Altenstein, Ludwig Jahr und Geh. Staatsrath Nagler
gehörten, belief sich auf 40. Gleichzeitig faßte er jetzt die Idee des „Urwort-
thums" bestimmt auf; nach der 1816 erschienenen, in 6000 Exemplaren verbrei¬
teten Ankündigung, sollte es ein Wörterbuch werden, welches zu der höheren
Ausbildung unserer Muttersprache ein Wesentliches mitzuwirken bestimmt war.
Es sollte, wie der Titel sagte, darin das Urwortthum der deutschen Volkssprache
aus den Quellen und mit Mundarten und den ursprünglich deutschen Neben-Volk-
sprachen in urlcmtgemäßer Ordnung hergestellt und mit einer neuen Bezeichnung
der Aussprache und Sprachtafeln versehen erscheinen. Der „Ankündigung" waren
empfehlende Urtheile feiner Berliner Freunde (Zeune, Heinsius, Wolke, Plamann,
Graßhoff, Bauer) beigedruckt. Trotzdem war die Aufforderung zur Subscription,
durch welche Krause die Herstellungskosten zu decken hoffte, von sehr geringem
Erfolg. Zwar interessirten sich die besten Menschen dafür; der Kronprinz
Friedrich Wilhelm subscribirte, und Prinzessin Wilhelm, Marianne, schrieb
ihm am 29. October 1816: „Ich freue mich schon sehr auf die Beendigung
Ihres wichtigen und mir so viel versprechenden Werkes, des Urwortthums."
Allein der Preis von 12 Thlr. erschien zu hoch, und man wollte das Werk
erst sehen. Der geringe Erfolg der Subscription und die Nörgeleien einzelner
Mitglieder der Berliner Sprachgesellschaft, insbesondere Zahns, der sich damals
sehr geltend machte, raubten Krause schließlich die Lust; dazu kam, daß gerade
jetzt Werke ähnlichen Charakters von Radloff und Heinsius herauskamen, die
billiger waren, und daß Krause mit anderen Arbeiten überladen war. Bis
an das Ende feines Lebens trug er sich noch mit der Idee dieses Werkes, aber
schließlich blieb es bei der Idee, und die Ankündigung ist das Einzige geblieben,
was von dem Werke im Druck erschien.

Der reichste Gewinn seines Berliner Aufenthaltes waren wohl die persön¬
lichen Bekanntschaften, die er dort machte. Wie hoch ihn Zeune schätzte, liest
man u. a. in einem Briefe desselben an Krauses Vater: „Ich bin überzeugt,"
sagte er, „daß, wenn Ihr Sohn Zeit und Muße hat, seine großen Werke zu
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[0291] manu sie zufrieden lassen muß, wenn manu klug oder wenigstens reich und unab¬ hängig ist." In der Hoffnung, Fichtes Nachfolger zu werden, verging Krause der Früh¬ ling, und der Sommer kam; der König kehrte zurück, aber Krause bekam Fichtes Professur nicht; er war wieder um eine Hoffnung ärmer. Endlich zwang ihn der geringe Besuch der Universität und sein immer drückender werdender Mangel, Berlin wieder zu verlassen. Dennoch hatte er dort nicht umsonst gelebt. Mit seinen Freunden gründete er im Februar 1815 die „Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache" und wurde ihr erster Ordner; die Zahl der Mitglieder, zu denen u. a. Minister v. Altenstein, Ludwig Jahr und Geh. Staatsrath Nagler gehörten, belief sich auf 40. Gleichzeitig faßte er jetzt die Idee des „Urwort- thums" bestimmt auf; nach der 1816 erschienenen, in 6000 Exemplaren verbrei¬ teten Ankündigung, sollte es ein Wörterbuch werden, welches zu der höheren Ausbildung unserer Muttersprache ein Wesentliches mitzuwirken bestimmt war. Es sollte, wie der Titel sagte, darin das Urwortthum der deutschen Volkssprache aus den Quellen und mit Mundarten und den ursprünglich deutschen Neben-Volk- sprachen in urlcmtgemäßer Ordnung hergestellt und mit einer neuen Bezeichnung der Aussprache und Sprachtafeln versehen erscheinen. Der „Ankündigung" waren empfehlende Urtheile feiner Berliner Freunde (Zeune, Heinsius, Wolke, Plamann, Graßhoff, Bauer) beigedruckt. Trotzdem war die Aufforderung zur Subscription, durch welche Krause die Herstellungskosten zu decken hoffte, von sehr geringem Erfolg. Zwar interessirten sich die besten Menschen dafür; der Kronprinz Friedrich Wilhelm subscribirte, und Prinzessin Wilhelm, Marianne, schrieb ihm am 29. October 1816: „Ich freue mich schon sehr auf die Beendigung Ihres wichtigen und mir so viel versprechenden Werkes, des Urwortthums." Allein der Preis von 12 Thlr. erschien zu hoch, und man wollte das Werk erst sehen. Der geringe Erfolg der Subscription und die Nörgeleien einzelner Mitglieder der Berliner Sprachgesellschaft, insbesondere Zahns, der sich damals sehr geltend machte, raubten Krause schließlich die Lust; dazu kam, daß gerade jetzt Werke ähnlichen Charakters von Radloff und Heinsius herauskamen, die billiger waren, und daß Krause mit anderen Arbeiten überladen war. Bis an das Ende feines Lebens trug er sich noch mit der Idee dieses Werkes, aber schließlich blieb es bei der Idee, und die Ankündigung ist das Einzige geblieben, was von dem Werke im Druck erschien. Der reichste Gewinn seines Berliner Aufenthaltes waren wohl die persön¬ lichen Bekanntschaften, die er dort machte. Wie hoch ihn Zeune schätzte, liest man u. a. in einem Briefe desselben an Krauses Vater: „Ich bin überzeugt," sagte er, „daß, wenn Ihr Sohn Zeit und Muße hat, seine großen Werke zu vollenden, Deutschland, ja Europa ihn einst unter ihre größten Denker zählen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/291>, abgerufen am 23.07.2024.