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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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"Niemand solte es mehr freuen als mich, wenn Sie in Berlin das fänden,
was Sie so lange vergebens gesucht haben____Herr Hofrath Parthey wird Ihnen
durch den Gebrauch seiner Freymaurerbibliothek vielleicht manche genußreiche Stunde
machen, aber nutzen wird Ihnen das stuclium der freymaurerischen Verirrungen
gerade nicht; Sie haben ja, dacht' ich, darüber Mosen und die Propheten____Ich
halte mich davon, weil ich den Distelstrauch kenne und recht gut weiß, daß auch
der fleißigste Gärtner keine Feigen darauf ziehen wird. Mein Freund Klaproth
wird Ihnen nie schaden -- aber ich wünsche, daß sie auch Ihrerseits Leute in Ruhe
lassen möchten, deren Treiben Sie nichts angeht. Hudibras und sein spanischer
Waffenbruder bekamen einen Haufen Schläge, fochten mit Windmühlen und mit
Gesindel -- und es blieb alles beym alten! -- Ich will Ihnen nicht wehe thun
mit diesem Vergleich, denn wir sind alle, bei jeder Exaltation, in dem
Falle der erwähnten Helden. Von Ihnen, dem matlieMÄtiKsi- verlange ich, daß
Sie es weniger als andere sein sollen. Stolpern mögen Sie, wie wir andern, aber
Sie sollen nicht auf der Nase liegen bleiben."

In Berlin fand Krause mehrere Freunde, die ihm zeitlebens treu blieben;
zu ihnen gehörte vor allen Zeune, den er öfters seinen liebsten Freund nennt,
Director der Blindenanstalt und Professor an der Universität für Geographie
und deutsche Sprache, eine offene, etwas sanguinische Natur; ferner der offene,
ehrliche Plamann, Director eines Erziehungsinstituts, nach seinen Briefen zu
schließen eine emiins. oaniMg,; Graßhoff, Director des Taubstummen-Instituts,
Professor Weiß, Heinsius, Ludwig Jahr u. ni. An der Universität habilitirte
er sich mit der Schrift Lcisuti^ dumÄQ^ 6t as via saro xsrvsnisnäi,
von der Professor Kern in seinem Lehrbuche der Metagnostik sagt, daß sie das
wissenschaftlichste und besonnenste Werk unter allen neueren transscendental¬
philosophischen Werken und selbst mit mehr <5-"^<?vo^ geschrieben sei als Kants
Prolegomena.

Bald nach Krauses Ankunft in Berlin starb Fichte, der, wie Krause am
28. Februar 1814 an seinen Vater schreibt, ihn seiner Freundschaft feierlich
versichert hatte. Dieser Todesfall veranlaßte Krause, statt der beabsichtigten
mathematischen Vorlesungen nunmehr philosophische zu halten; auch meinten
seine Freunde, es treffe sich glücklich, daß er gerade jetzt nach Berlin ge¬
kommen sei; Fichtes Professur werde niemand anders als er bekommen. Er
suchte bei dem Cultusminister Geh. Staatsrath v. Schuckmann um die Stelle
nach, und dieser nahm persönlich Krause sehr wohlwollend auf und erklärte
ihm, daß, sobald der Friede hergestellt sein werde, er an Krause denken werde.
Krause schrieb auch an Graf Geßler, der mit Schuckmann befreundet war, mit
der Bitte, ihm in diesem Vorhaben förderlich zu sein. Geßler erwiederte ihm
am 14. Mürz 1814:


GrenMw I, >S80. 36

„Niemand solte es mehr freuen als mich, wenn Sie in Berlin das fänden,
was Sie so lange vergebens gesucht haben____Herr Hofrath Parthey wird Ihnen
durch den Gebrauch seiner Freymaurerbibliothek vielleicht manche genußreiche Stunde
machen, aber nutzen wird Ihnen das stuclium der freymaurerischen Verirrungen
gerade nicht; Sie haben ja, dacht' ich, darüber Mosen und die Propheten____Ich
halte mich davon, weil ich den Distelstrauch kenne und recht gut weiß, daß auch
der fleißigste Gärtner keine Feigen darauf ziehen wird. Mein Freund Klaproth
wird Ihnen nie schaden — aber ich wünsche, daß sie auch Ihrerseits Leute in Ruhe
lassen möchten, deren Treiben Sie nichts angeht. Hudibras und sein spanischer
Waffenbruder bekamen einen Haufen Schläge, fochten mit Windmühlen und mit
Gesindel — und es blieb alles beym alten! — Ich will Ihnen nicht wehe thun
mit diesem Vergleich, denn wir sind alle, bei jeder Exaltation, in dem
Falle der erwähnten Helden. Von Ihnen, dem matlieMÄtiKsi- verlange ich, daß
Sie es weniger als andere sein sollen. Stolpern mögen Sie, wie wir andern, aber
Sie sollen nicht auf der Nase liegen bleiben."

In Berlin fand Krause mehrere Freunde, die ihm zeitlebens treu blieben;
zu ihnen gehörte vor allen Zeune, den er öfters seinen liebsten Freund nennt,
Director der Blindenanstalt und Professor an der Universität für Geographie
und deutsche Sprache, eine offene, etwas sanguinische Natur; ferner der offene,
ehrliche Plamann, Director eines Erziehungsinstituts, nach seinen Briefen zu
schließen eine emiins. oaniMg,; Graßhoff, Director des Taubstummen-Instituts,
Professor Weiß, Heinsius, Ludwig Jahr u. ni. An der Universität habilitirte
er sich mit der Schrift Lcisuti^ dumÄQ^ 6t as via saro xsrvsnisnäi,
von der Professor Kern in seinem Lehrbuche der Metagnostik sagt, daß sie das
wissenschaftlichste und besonnenste Werk unter allen neueren transscendental¬
philosophischen Werken und selbst mit mehr <5-»^<?vo^ geschrieben sei als Kants
Prolegomena.

Bald nach Krauses Ankunft in Berlin starb Fichte, der, wie Krause am
28. Februar 1814 an seinen Vater schreibt, ihn seiner Freundschaft feierlich
versichert hatte. Dieser Todesfall veranlaßte Krause, statt der beabsichtigten
mathematischen Vorlesungen nunmehr philosophische zu halten; auch meinten
seine Freunde, es treffe sich glücklich, daß er gerade jetzt nach Berlin ge¬
kommen sei; Fichtes Professur werde niemand anders als er bekommen. Er
suchte bei dem Cultusminister Geh. Staatsrath v. Schuckmann um die Stelle
nach, und dieser nahm persönlich Krause sehr wohlwollend auf und erklärte
ihm, daß, sobald der Friede hergestellt sein werde, er an Krause denken werde.
Krause schrieb auch an Graf Geßler, der mit Schuckmann befreundet war, mit
der Bitte, ihm in diesem Vorhaben förderlich zu sein. Geßler erwiederte ihm
am 14. Mürz 1814:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/289>, abgerufen am 03.07.2024.