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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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die ganze Statue vorhanden war. Aber leider: es fehlten ihr die Arme. In¬
dessen tritt uns schon in dem ersten Berichte die Ansicht entgegen, die Statue
stelle dar: Vünus rsosvant zzorams as ?al'is> Hieraus geht hervor, daß
das Fragment des linken Oberarms sowie besonders das der linken, einen Apfel
haltenden Hand gleich am ersten Tage in so enger Verbindung mit dem Ober¬
körper gefunden worden war, daß ihre Zugehörigkeit zur Statue sich ganz von
selbst ergab. Es folgt aber nicht daraus, daß sie bei der Auffindung uoch mit
der Statue selbst verbunden gewesen sein müssen. Auch wenn sie nur daneben
lagen, so genügte dies schon, um jene Erklärung zu veranlassen. Die Beschaf¬
fenheit der Ansatzstelle an der linken Schulter, welche ebenso wie der übrige
Marmor mit gelblich-bräunlicher Palma überzogen ist, beweist aber auch ge¬
radezu, daß die Fragmente bei der Auffindung nicht mit dem Rumpfe verbunden
waren, und hieraus ergiebt sich weiterhin als wahrscheinlich, daß die jetzt feh¬
lenden Verbindungsstücke zwischen Oberarmfragment und Rumpf einerseits und
zwischen Oberarm und Hand andrerseits überhaupt nicht ungesunden worden
sind. Auch der Haarwulst kam als besondres Stück nach Frankreich, scheint
aber bei der Auffindung des Oberkörpers noch mit dem Kopfe verbunden ge¬
wesen zu sein: la tot" in'", xaru diar eonMrvüö, aivsi <zus 1a etisvoluro,
heißt es bei Dauriae am 11. April.

So wenig Brest die Verantwortlichkeit des Ankaufs der Statue hatte auf
sich nehmen wollen, ebenso wenig war David geneigt dazu; auch er berichtet
an die höhere Instanz, den französischen Gesandten in Konstantinopel, Marquis
de Riviöre. Dieser verfügt sogleich deu Ankauf, obgleich er aus dem ihm über¬
sandten Berichte Davids nur von dem Funde der oberen Hälfte wußte und
obendrein glaubte, sie sei "in sehr schlechtem Zustande". Er beauftragt seinen.
Secretair, den Vicomte de Marcellus, mit dem Ankaufe und schickt ihn auf der
DstFotts nach Milo, nachdem er in seiner Absicht durch den inzwischen einge¬
laufenen Bericht des Schiffsfähndrichs Dumont d'Urville, welcher eine eigen¬
händige Zeichnung des Oberkörpers beifügen konnte, bestärkt worden war.
d'Urville hatte die Statue am 19. April gesehen und hätte sie gern gekauft;
allein im Schiffe war kein Platz für solche Dinge.

Diese Hinausschiebung des endgiltigen Ankaufs führte um eine Verwicke¬
lung herbei; der Intrigant erscheint auf der Bühne. Es ist ein griechischer
Priester, Oikonomos Verghi. Dieser stand unter Anklage wegen Veruntreuung,
hoffte jedoch nach orientalischer Weise seine Freisprechung zu erreichen, indem
er sich eine maßgebende Persönlichkeit verpflichtete. Er verfällt auf den Ge-
danken, die neugefuudene Statue dem Dragoman des Arsenals in Konstantinopel,
Nikolai Mourouzi, zu schenken und so diesen einflußreichen Mann für sich zu
gewinnen. Er wendet sich an den Baktern und die Primate" von Milo -- sie


die ganze Statue vorhanden war. Aber leider: es fehlten ihr die Arme. In¬
dessen tritt uns schon in dem ersten Berichte die Ansicht entgegen, die Statue
stelle dar: Vünus rsosvant zzorams as ?al'is> Hieraus geht hervor, daß
das Fragment des linken Oberarms sowie besonders das der linken, einen Apfel
haltenden Hand gleich am ersten Tage in so enger Verbindung mit dem Ober¬
körper gefunden worden war, daß ihre Zugehörigkeit zur Statue sich ganz von
selbst ergab. Es folgt aber nicht daraus, daß sie bei der Auffindung uoch mit
der Statue selbst verbunden gewesen sein müssen. Auch wenn sie nur daneben
lagen, so genügte dies schon, um jene Erklärung zu veranlassen. Die Beschaf¬
fenheit der Ansatzstelle an der linken Schulter, welche ebenso wie der übrige
Marmor mit gelblich-bräunlicher Palma überzogen ist, beweist aber auch ge¬
radezu, daß die Fragmente bei der Auffindung nicht mit dem Rumpfe verbunden
waren, und hieraus ergiebt sich weiterhin als wahrscheinlich, daß die jetzt feh¬
lenden Verbindungsstücke zwischen Oberarmfragment und Rumpf einerseits und
zwischen Oberarm und Hand andrerseits überhaupt nicht ungesunden worden
sind. Auch der Haarwulst kam als besondres Stück nach Frankreich, scheint
aber bei der Auffindung des Oberkörpers noch mit dem Kopfe verbunden ge¬
wesen zu sein: la tot« in'«, xaru diar eonMrvüö, aivsi <zus 1a etisvoluro,
heißt es bei Dauriae am 11. April.

So wenig Brest die Verantwortlichkeit des Ankaufs der Statue hatte auf
sich nehmen wollen, ebenso wenig war David geneigt dazu; auch er berichtet
an die höhere Instanz, den französischen Gesandten in Konstantinopel, Marquis
de Riviöre. Dieser verfügt sogleich deu Ankauf, obgleich er aus dem ihm über¬
sandten Berichte Davids nur von dem Funde der oberen Hälfte wußte und
obendrein glaubte, sie sei „in sehr schlechtem Zustande". Er beauftragt seinen.
Secretair, den Vicomte de Marcellus, mit dem Ankaufe und schickt ihn auf der
DstFotts nach Milo, nachdem er in seiner Absicht durch den inzwischen einge¬
laufenen Bericht des Schiffsfähndrichs Dumont d'Urville, welcher eine eigen¬
händige Zeichnung des Oberkörpers beifügen konnte, bestärkt worden war.
d'Urville hatte die Statue am 19. April gesehen und hätte sie gern gekauft;
allein im Schiffe war kein Platz für solche Dinge.

Diese Hinausschiebung des endgiltigen Ankaufs führte um eine Verwicke¬
lung herbei; der Intrigant erscheint auf der Bühne. Es ist ein griechischer
Priester, Oikonomos Verghi. Dieser stand unter Anklage wegen Veruntreuung,
hoffte jedoch nach orientalischer Weise seine Freisprechung zu erreichen, indem
er sich eine maßgebende Persönlichkeit verpflichtete. Er verfällt auf den Ge-
danken, die neugefuudene Statue dem Dragoman des Arsenals in Konstantinopel,
Nikolai Mourouzi, zu schenken und so diesen einflußreichen Mann für sich zu
gewinnen. Er wendet sich an den Baktern und die Primate» von Milo — sie


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[0027] die ganze Statue vorhanden war. Aber leider: es fehlten ihr die Arme. In¬ dessen tritt uns schon in dem ersten Berichte die Ansicht entgegen, die Statue stelle dar: Vünus rsosvant zzorams as ?al'is> Hieraus geht hervor, daß das Fragment des linken Oberarms sowie besonders das der linken, einen Apfel haltenden Hand gleich am ersten Tage in so enger Verbindung mit dem Ober¬ körper gefunden worden war, daß ihre Zugehörigkeit zur Statue sich ganz von selbst ergab. Es folgt aber nicht daraus, daß sie bei der Auffindung uoch mit der Statue selbst verbunden gewesen sein müssen. Auch wenn sie nur daneben lagen, so genügte dies schon, um jene Erklärung zu veranlassen. Die Beschaf¬ fenheit der Ansatzstelle an der linken Schulter, welche ebenso wie der übrige Marmor mit gelblich-bräunlicher Palma überzogen ist, beweist aber auch ge¬ radezu, daß die Fragmente bei der Auffindung nicht mit dem Rumpfe verbunden waren, und hieraus ergiebt sich weiterhin als wahrscheinlich, daß die jetzt feh¬ lenden Verbindungsstücke zwischen Oberarmfragment und Rumpf einerseits und zwischen Oberarm und Hand andrerseits überhaupt nicht ungesunden worden sind. Auch der Haarwulst kam als besondres Stück nach Frankreich, scheint aber bei der Auffindung des Oberkörpers noch mit dem Kopfe verbunden ge¬ wesen zu sein: la tot« in'«, xaru diar eonMrvüö, aivsi <zus 1a etisvoluro, heißt es bei Dauriae am 11. April. So wenig Brest die Verantwortlichkeit des Ankaufs der Statue hatte auf sich nehmen wollen, ebenso wenig war David geneigt dazu; auch er berichtet an die höhere Instanz, den französischen Gesandten in Konstantinopel, Marquis de Riviöre. Dieser verfügt sogleich deu Ankauf, obgleich er aus dem ihm über¬ sandten Berichte Davids nur von dem Funde der oberen Hälfte wußte und obendrein glaubte, sie sei „in sehr schlechtem Zustande". Er beauftragt seinen. Secretair, den Vicomte de Marcellus, mit dem Ankaufe und schickt ihn auf der DstFotts nach Milo, nachdem er in seiner Absicht durch den inzwischen einge¬ laufenen Bericht des Schiffsfähndrichs Dumont d'Urville, welcher eine eigen¬ händige Zeichnung des Oberkörpers beifügen konnte, bestärkt worden war. d'Urville hatte die Statue am 19. April gesehen und hätte sie gern gekauft; allein im Schiffe war kein Platz für solche Dinge. Diese Hinausschiebung des endgiltigen Ankaufs führte um eine Verwicke¬ lung herbei; der Intrigant erscheint auf der Bühne. Es ist ein griechischer Priester, Oikonomos Verghi. Dieser stand unter Anklage wegen Veruntreuung, hoffte jedoch nach orientalischer Weise seine Freisprechung zu erreichen, indem er sich eine maßgebende Persönlichkeit verpflichtete. Er verfällt auf den Ge- danken, die neugefuudene Statue dem Dragoman des Arsenals in Konstantinopel, Nikolai Mourouzi, zu schenken und so diesen einflußreichen Mann für sich zu gewinnen. Er wendet sich an den Baktern und die Primate» von Milo — sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/27>, abgerufen am 03.07.2024.