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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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lobung unglücklich über das Vorhaben seines Sohnes; eindringlich stellte er
ihm vor, wie gefährlich es sei, ohne feste Stellung, ohne Vermögen, im Beginn
einer so weit angelegten wissenschastlichen Laufbahn und in dieser Jugend zu
heirathen; er hoffte zwar, daß das Verhältniß bloß ein nicht ernsthafter Liebes¬
handel sein und bald sein Ende finden werde; aber bevor ein Vierteljahr ver¬
ging, war die Verbindung vollzogen. Krause hat mit seiner Frau über 30 Jahre
in der glücklichsten, mit 14 Kindern gesegneten Ehe gelebt, von denen 12 ihn
überlebten; auch zeigen die Briefe, welche beide, wenn sie getrennt waren, ein¬
ander schrieben, die innigste Zärtlichkeit, die selbst durch die bald eintretende
und beständig wachsende Schwerhörigkeit Amaliens nur momentan getrübt wurde.
Aber die Erfahrung zeigte doch, daß der Vater Recht gehabt hatte. Und hatte
Krause vielleicht gedacht, daß ihm seine Frau die Sorge um äußere Dinge ab¬
nehmen werde, für die der nur der Wissenschaft lebende Mann nicht das geringste
Interesse und Verständniß hatte, so hatte er sich darin vollständig getäuscht. Da
Amalien der Sinn für Ordnung, insbesondere in Geldangelegenheiten, fehlte, so
wurde dies für beide die Quelle wachsender Noth, aus der sie zeitlebens nicht
herauskamen. Krauses Vater fand sich in das Unvermeidliche, und das Ver¬
hältniß zu seiner Schwiegertochter gestaltete sich bald freundlicher; als aber die
Noth gar kein Ende nehmen wollte, im Gegentheil nur immer wuchs, und er
durch die Freunde seines Sohnes seine Vermuthung voll bestätigen hörte, da
unterließ er es nicht, in seiner praktischen, derben Ausdrucksweise zuerst deu
Sohn und dann die Schwiegertochter selbst zu ernähren, wirthschaftlicher zu
sein -- freilich ohne allen Erfolg, und so ist denn die Noth die unentwegte
Begleiterin ihrer Liebe durch ihr ganzes Leben geblieben.

Seine Vorlesungen von 1802--4 über Mathematik, Logik, Naturrecht, Natur¬
philosophie und das System der Philosophie fanden wachsenden Beifall und
zogen immer mehr Zuhörer an; im Sommer 1803 hatte er in vier Vorlesungen
zusammen nicht weniger als 106 Zuhörer -- für die Frequenz der Universität,
die damals nicht größer war, als gegenwärtig, eine sehr bedeutende Hörerzahl.
Als aber im August 1803 eine Menge Docenten -- wie Schütz hör. und M".,
Kilian, Hufeland und andere -- sich von Jena wegzogen und noch mehrere
ihnen folgen wollten, da sank auch die Studentenzahl; bei Beginn des Winter¬
halbjahrs schrieb Krause an seinen Vater: "Es sollen kaum 300 Studenten
hier sein; kaum 50 neue sind gekommen; da können natürlich die Collegia nur
schwach besucht sein. Bis jetzt haben sich gegen 50 zu meinen Collegien gefun¬
den." Zwar konnte er bald darauf schreiben: "Ich habe so viele Zuhörer im
Verhältniß zu 3 Collegien, da ich im vorigen halben Jahre 4 las, als voriges
halbes Jahr, welches mich wegen der so sehr geringen Anzahl der Studenten
vollkommen befriedigt", aber am 22. Februar 1804 meldete er doch wieder: "Es


lobung unglücklich über das Vorhaben seines Sohnes; eindringlich stellte er
ihm vor, wie gefährlich es sei, ohne feste Stellung, ohne Vermögen, im Beginn
einer so weit angelegten wissenschastlichen Laufbahn und in dieser Jugend zu
heirathen; er hoffte zwar, daß das Verhältniß bloß ein nicht ernsthafter Liebes¬
handel sein und bald sein Ende finden werde; aber bevor ein Vierteljahr ver¬
ging, war die Verbindung vollzogen. Krause hat mit seiner Frau über 30 Jahre
in der glücklichsten, mit 14 Kindern gesegneten Ehe gelebt, von denen 12 ihn
überlebten; auch zeigen die Briefe, welche beide, wenn sie getrennt waren, ein¬
ander schrieben, die innigste Zärtlichkeit, die selbst durch die bald eintretende
und beständig wachsende Schwerhörigkeit Amaliens nur momentan getrübt wurde.
Aber die Erfahrung zeigte doch, daß der Vater Recht gehabt hatte. Und hatte
Krause vielleicht gedacht, daß ihm seine Frau die Sorge um äußere Dinge ab¬
nehmen werde, für die der nur der Wissenschaft lebende Mann nicht das geringste
Interesse und Verständniß hatte, so hatte er sich darin vollständig getäuscht. Da
Amalien der Sinn für Ordnung, insbesondere in Geldangelegenheiten, fehlte, so
wurde dies für beide die Quelle wachsender Noth, aus der sie zeitlebens nicht
herauskamen. Krauses Vater fand sich in das Unvermeidliche, und das Ver¬
hältniß zu seiner Schwiegertochter gestaltete sich bald freundlicher; als aber die
Noth gar kein Ende nehmen wollte, im Gegentheil nur immer wuchs, und er
durch die Freunde seines Sohnes seine Vermuthung voll bestätigen hörte, da
unterließ er es nicht, in seiner praktischen, derben Ausdrucksweise zuerst deu
Sohn und dann die Schwiegertochter selbst zu ernähren, wirthschaftlicher zu
sein — freilich ohne allen Erfolg, und so ist denn die Noth die unentwegte
Begleiterin ihrer Liebe durch ihr ganzes Leben geblieben.

Seine Vorlesungen von 1802—4 über Mathematik, Logik, Naturrecht, Natur¬
philosophie und das System der Philosophie fanden wachsenden Beifall und
zogen immer mehr Zuhörer an; im Sommer 1803 hatte er in vier Vorlesungen
zusammen nicht weniger als 106 Zuhörer — für die Frequenz der Universität,
die damals nicht größer war, als gegenwärtig, eine sehr bedeutende Hörerzahl.
Als aber im August 1803 eine Menge Docenten — wie Schütz hör. und M».,
Kilian, Hufeland und andere — sich von Jena wegzogen und noch mehrere
ihnen folgen wollten, da sank auch die Studentenzahl; bei Beginn des Winter¬
halbjahrs schrieb Krause an seinen Vater: „Es sollen kaum 300 Studenten
hier sein; kaum 50 neue sind gekommen; da können natürlich die Collegia nur
schwach besucht sein. Bis jetzt haben sich gegen 50 zu meinen Collegien gefun¬
den." Zwar konnte er bald darauf schreiben: „Ich habe so viele Zuhörer im
Verhältniß zu 3 Collegien, da ich im vorigen halben Jahre 4 las, als voriges
halbes Jahr, welches mich wegen der so sehr geringen Anzahl der Studenten
vollkommen befriedigt", aber am 22. Februar 1804 meldete er doch wieder: „Es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/159>, abgerufen am 25.08.2024.