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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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richtigen Modalitäten wählt, sogar die Vertheilung der Last nach der Steuer¬
fähigkeit ungezwungener und rationeller erfolgt, als bei den directen Steuern.

Herr Laster hat also seinen Bau auf Sand errichtet. Immerhin ist er
berechtigt, die Ausbildung des indirecten Steuersystems zu bekämpfen und um
dieses Kampfes willen sich von seinen bisherigen Freunden zu trennen. Aber
er ist nicht berechtigt zu sagen, daß der Reichskanzler darauf ausgehe und daß
ihm die Natioualliberalen darin folgen, die Last ans die schwächeren Schultern
zu legen.

Noch sonderbarer ist es, wie Herr Laster sich die Gründe vorstellt, wes¬
halb die Nationalliberalen dem Reichskanzler folgen. "Die Methode im parla¬
mentarischen Wirken der nationalliberalen Fraktion läßt sich nnr erklären dnrch
die Ansicht, daß die Bildung einer clerieal - conservativen Mehrheit unter allen
Umständen zu verhindern und an deren Statt allenfalls eine liberal-conservative
Mehrheit in Aussicht zu stelle" sei." Herr Laster stellt sich die Denkart feiner
bisherigen politischen Freunde doch wohl zu oberflächlich vor. Zu der Weis¬
heit, daß eine clerical-conservative Mehrheit am Ende auch vorübergehen wird,
ohne das deutsche Reich zu ruiniren, werden sich diese Freunde wohl ebenfalls
zu erheben im Stande sein. Aber es ist ein tieferer Instinct, als ihn Herr
Laster besitzt, welcher seine Freunde abhält, den Bruch mit dem Kanzler auf
ihre Verantwortung zu nehmen. Sie werden sich sagen, daß es einen unwieder¬
bringlichen Moment der deutscheu Geschichte leichtsinnig, muthwillig und unver¬
antwortlich verderben hieße, wenn die große Mehrheit des deutschen Mittelstandes
durch dessen Führer mit dem Reichskanzler verfeindet werden sollte. Wenn aber
die Verfeindung bloß versucht würde und nicht gelänge, so würde dieser Mittel¬
stand den liberalen Zielen stärker entfremdet werden, als rathsam und wünschens¬
wert!) ist.

Herr Laster ist der Mann der Doctrin. Wenn er nach oberflächlichem
Nachdenken einen Satz fertig hat wie den, daß die indirecten Steuern die
ärmeren Klassen auf Kosten der reichen belasten, dann verpufft er um dieses
Satzes willen die größten Verdienste, die unerreichbarste Begabung und die
seltenste Gelegenheit des kostbarsten Zieles zum Zeitvertreib für sein Doktrinchen
in die Luft. Unter seinen Fractionsgenossen aber sind Männer, welche sich
sagen, daß eher einmal eine Doctrin verletzt werden, als eine unvergleichliche
Kraft und eine unwiederbringliche Gelegenheit zerstört werden darf. Diese
Männer sind auch wohl im Stande, durch schärfere Kritik dahinter zu kom¬
men, daß eine voreilig zur Parteidoctrin gestempelte Annahme ihre schwachen
Seiten hat.

Herr Laster fürchtet, daß die Verbindung mit den Conservativen nur da¬
hin führen könne, den liberalen Gedanken zu verwischen und die Bestrebungen


richtigen Modalitäten wählt, sogar die Vertheilung der Last nach der Steuer¬
fähigkeit ungezwungener und rationeller erfolgt, als bei den directen Steuern.

Herr Laster hat also seinen Bau auf Sand errichtet. Immerhin ist er
berechtigt, die Ausbildung des indirecten Steuersystems zu bekämpfen und um
dieses Kampfes willen sich von seinen bisherigen Freunden zu trennen. Aber
er ist nicht berechtigt zu sagen, daß der Reichskanzler darauf ausgehe und daß
ihm die Natioualliberalen darin folgen, die Last ans die schwächeren Schultern
zu legen.

Noch sonderbarer ist es, wie Herr Laster sich die Gründe vorstellt, wes¬
halb die Nationalliberalen dem Reichskanzler folgen. „Die Methode im parla¬
mentarischen Wirken der nationalliberalen Fraktion läßt sich nnr erklären dnrch
die Ansicht, daß die Bildung einer clerieal - conservativen Mehrheit unter allen
Umständen zu verhindern und an deren Statt allenfalls eine liberal-conservative
Mehrheit in Aussicht zu stelle» sei." Herr Laster stellt sich die Denkart feiner
bisherigen politischen Freunde doch wohl zu oberflächlich vor. Zu der Weis¬
heit, daß eine clerical-conservative Mehrheit am Ende auch vorübergehen wird,
ohne das deutsche Reich zu ruiniren, werden sich diese Freunde wohl ebenfalls
zu erheben im Stande sein. Aber es ist ein tieferer Instinct, als ihn Herr
Laster besitzt, welcher seine Freunde abhält, den Bruch mit dem Kanzler auf
ihre Verantwortung zu nehmen. Sie werden sich sagen, daß es einen unwieder¬
bringlichen Moment der deutscheu Geschichte leichtsinnig, muthwillig und unver¬
antwortlich verderben hieße, wenn die große Mehrheit des deutschen Mittelstandes
durch dessen Führer mit dem Reichskanzler verfeindet werden sollte. Wenn aber
die Verfeindung bloß versucht würde und nicht gelänge, so würde dieser Mittel¬
stand den liberalen Zielen stärker entfremdet werden, als rathsam und wünschens¬
wert!) ist.

Herr Laster ist der Mann der Doctrin. Wenn er nach oberflächlichem
Nachdenken einen Satz fertig hat wie den, daß die indirecten Steuern die
ärmeren Klassen auf Kosten der reichen belasten, dann verpufft er um dieses
Satzes willen die größten Verdienste, die unerreichbarste Begabung und die
seltenste Gelegenheit des kostbarsten Zieles zum Zeitvertreib für sein Doktrinchen
in die Luft. Unter seinen Fractionsgenossen aber sind Männer, welche sich
sagen, daß eher einmal eine Doctrin verletzt werden, als eine unvergleichliche
Kraft und eine unwiederbringliche Gelegenheit zerstört werden darf. Diese
Männer sind auch wohl im Stande, durch schärfere Kritik dahinter zu kom¬
men, daß eine voreilig zur Parteidoctrin gestempelte Annahme ihre schwachen
Seiten hat.

Herr Laster fürchtet, daß die Verbindung mit den Conservativen nur da¬
hin führen könne, den liberalen Gedanken zu verwischen und die Bestrebungen


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[0051] richtigen Modalitäten wählt, sogar die Vertheilung der Last nach der Steuer¬ fähigkeit ungezwungener und rationeller erfolgt, als bei den directen Steuern. Herr Laster hat also seinen Bau auf Sand errichtet. Immerhin ist er berechtigt, die Ausbildung des indirecten Steuersystems zu bekämpfen und um dieses Kampfes willen sich von seinen bisherigen Freunden zu trennen. Aber er ist nicht berechtigt zu sagen, daß der Reichskanzler darauf ausgehe und daß ihm die Natioualliberalen darin folgen, die Last ans die schwächeren Schultern zu legen. Noch sonderbarer ist es, wie Herr Laster sich die Gründe vorstellt, wes¬ halb die Nationalliberalen dem Reichskanzler folgen. „Die Methode im parla¬ mentarischen Wirken der nationalliberalen Fraktion läßt sich nnr erklären dnrch die Ansicht, daß die Bildung einer clerieal - conservativen Mehrheit unter allen Umständen zu verhindern und an deren Statt allenfalls eine liberal-conservative Mehrheit in Aussicht zu stelle» sei." Herr Laster stellt sich die Denkart feiner bisherigen politischen Freunde doch wohl zu oberflächlich vor. Zu der Weis¬ heit, daß eine clerical-conservative Mehrheit am Ende auch vorübergehen wird, ohne das deutsche Reich zu ruiniren, werden sich diese Freunde wohl ebenfalls zu erheben im Stande sein. Aber es ist ein tieferer Instinct, als ihn Herr Laster besitzt, welcher seine Freunde abhält, den Bruch mit dem Kanzler auf ihre Verantwortung zu nehmen. Sie werden sich sagen, daß es einen unwieder¬ bringlichen Moment der deutscheu Geschichte leichtsinnig, muthwillig und unver¬ antwortlich verderben hieße, wenn die große Mehrheit des deutschen Mittelstandes durch dessen Führer mit dem Reichskanzler verfeindet werden sollte. Wenn aber die Verfeindung bloß versucht würde und nicht gelänge, so würde dieser Mittel¬ stand den liberalen Zielen stärker entfremdet werden, als rathsam und wünschens¬ wert!) ist. Herr Laster ist der Mann der Doctrin. Wenn er nach oberflächlichem Nachdenken einen Satz fertig hat wie den, daß die indirecten Steuern die ärmeren Klassen auf Kosten der reichen belasten, dann verpufft er um dieses Satzes willen die größten Verdienste, die unerreichbarste Begabung und die seltenste Gelegenheit des kostbarsten Zieles zum Zeitvertreib für sein Doktrinchen in die Luft. Unter seinen Fractionsgenossen aber sind Männer, welche sich sagen, daß eher einmal eine Doctrin verletzt werden, als eine unvergleichliche Kraft und eine unwiederbringliche Gelegenheit zerstört werden darf. Diese Männer sind auch wohl im Stande, durch schärfere Kritik dahinter zu kom¬ men, daß eine voreilig zur Parteidoctrin gestempelte Annahme ihre schwachen Seiten hat. Herr Laster fürchtet, daß die Verbindung mit den Conservativen nur da¬ hin führen könne, den liberalen Gedanken zu verwischen und die Bestrebungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/51>, abgerufen am 22.07.2024.