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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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fahrt der "Vega", die hier vielfach auf seichtes Fahrwasser traf, eine nicht un¬
wesentliche Berichtigung geschaffen. Erst an der Stelle, wo die Küste ihren
nordsüdlichen Verlauf mit einem westöstlichen vertauscht, dursten die beiden
Fahrzeuge "Vega" und "Lena" sich etwas mehr vom Gestade entfernen und er¬
reichten am 27. August die Mündung der Lena. Was also den siebenjährigen
Anstrengungen der Russen nicht gelungen war, den Jenissei mit der Lena zu
verbinden, das hatten die schwedischen Seefahrer in 17 Tagen geleistet.

Da günstiger Wind und offenes Meer eine ungehinderte Weiterfahrt ver¬
sprachen, so führte Nordenskjöld seine ursprüngliche Absicht, die "Vega" hier vor
Anker gehen zu lassen, nicht aus, sondern fuhr unmittelbar nach der Trennung
von der "Lena" in östlicher Richtung weiter. Die Nachrichten, welche durch
Vermittlung dieses Fahrzeuges der Telegraph am 16. October von Jakutsk aus
brachte, waren für längere Zeit das letzte Lebenszeichen von der unterdeß rüstig
vorwärts dringenden Expedition. Der 30. August fand sie bei Ostrowa Bischnij,
der südlichsten unter den neusibirischen Inseln, der 3. September zwischen den
Bäreninseln vor der Mündung der Kolyma. Aber während sich das Schiff
bisher in ziemlicher Entfernung von der Küste halten konnte, wurde es bereits
mehrere Meilen östlich von den Bäreninseln von undurchdringlichen Eismassen
gezwungen, am Gestade entlang zu steuern, und am 8. September, östlich voll
der Tschannbucht, wurde auch auf dieser Route Nebel und Eis so hinderlich,
daß mehrere Tage vor Anker gegangen werden mußte. Diese Zwischenzeit wurde
durch eine Landexpedition zu den Tschukschen ausgefüllt. Von nun an ging
die Fahrt nur noch langsam und oft mit mehrtägigen Unterbrechungen von
Statten; gerne Hütte Nordenskjöld noch die wenigen Meilen bis zur Bering-
straße zurückgelegt, indeß die Temperatur sank zusehends, und bald bedeckte sich
das Meer mit neugebildeten Eise, das zwar allein die Fahrt nicht hätte hemmen
können, sie aber doch auf die Dauer deshalb unmöglich machte, weil es die vor
der Küste liegenden Treibeisfelder zu einem festen Damme verband. Auch die
Hoffnung, daß günstigere Temperaturverhnltnifse das Schiff die geringe Entfer¬
nung bis zur Beringstraße würden vollenden lassen, erfüllte sich nicht, und so
mußte man sich, für den Augenblick freilich stark enttäuscht, dazu entschließen,
die Ueberwinterung vorzubereiten. Man braucht nur einen Blick auf die Karte
zu thun, um Nordenskjöld zu begreifen, wenn er schreibt: "Dieses Festfrieren
so nahe dem Ziele ist das Mißgeschick gewesen, mit welchem ich mich während
aller meiner Eisfahrten am schwersten aussöhnen konnte."

Der Winterhafen der "Vega" befand sich 67,7" n. Br. und 173,5° söll. L.
im nördlichsten Theile' der Beringstraße, 3 Seemeilen von der Landspitze Serdze-
Kamen und nnr 115 Seemeilen von der Beringstraße selbst entfernt. Die
"Vega" wurde auf einem Grundeisblock von 40 Meter Länge und 25 Meter


fahrt der „Vega", die hier vielfach auf seichtes Fahrwasser traf, eine nicht un¬
wesentliche Berichtigung geschaffen. Erst an der Stelle, wo die Küste ihren
nordsüdlichen Verlauf mit einem westöstlichen vertauscht, dursten die beiden
Fahrzeuge „Vega" und „Lena" sich etwas mehr vom Gestade entfernen und er¬
reichten am 27. August die Mündung der Lena. Was also den siebenjährigen
Anstrengungen der Russen nicht gelungen war, den Jenissei mit der Lena zu
verbinden, das hatten die schwedischen Seefahrer in 17 Tagen geleistet.

Da günstiger Wind und offenes Meer eine ungehinderte Weiterfahrt ver¬
sprachen, so führte Nordenskjöld seine ursprüngliche Absicht, die „Vega" hier vor
Anker gehen zu lassen, nicht aus, sondern fuhr unmittelbar nach der Trennung
von der „Lena" in östlicher Richtung weiter. Die Nachrichten, welche durch
Vermittlung dieses Fahrzeuges der Telegraph am 16. October von Jakutsk aus
brachte, waren für längere Zeit das letzte Lebenszeichen von der unterdeß rüstig
vorwärts dringenden Expedition. Der 30. August fand sie bei Ostrowa Bischnij,
der südlichsten unter den neusibirischen Inseln, der 3. September zwischen den
Bäreninseln vor der Mündung der Kolyma. Aber während sich das Schiff
bisher in ziemlicher Entfernung von der Küste halten konnte, wurde es bereits
mehrere Meilen östlich von den Bäreninseln von undurchdringlichen Eismassen
gezwungen, am Gestade entlang zu steuern, und am 8. September, östlich voll
der Tschannbucht, wurde auch auf dieser Route Nebel und Eis so hinderlich,
daß mehrere Tage vor Anker gegangen werden mußte. Diese Zwischenzeit wurde
durch eine Landexpedition zu den Tschukschen ausgefüllt. Von nun an ging
die Fahrt nur noch langsam und oft mit mehrtägigen Unterbrechungen von
Statten; gerne Hütte Nordenskjöld noch die wenigen Meilen bis zur Bering-
straße zurückgelegt, indeß die Temperatur sank zusehends, und bald bedeckte sich
das Meer mit neugebildeten Eise, das zwar allein die Fahrt nicht hätte hemmen
können, sie aber doch auf die Dauer deshalb unmöglich machte, weil es die vor
der Küste liegenden Treibeisfelder zu einem festen Damme verband. Auch die
Hoffnung, daß günstigere Temperaturverhnltnifse das Schiff die geringe Entfer¬
nung bis zur Beringstraße würden vollenden lassen, erfüllte sich nicht, und so
mußte man sich, für den Augenblick freilich stark enttäuscht, dazu entschließen,
die Ueberwinterung vorzubereiten. Man braucht nur einen Blick auf die Karte
zu thun, um Nordenskjöld zu begreifen, wenn er schreibt: „Dieses Festfrieren
so nahe dem Ziele ist das Mißgeschick gewesen, mit welchem ich mich während
aller meiner Eisfahrten am schwersten aussöhnen konnte."

Der Winterhafen der „Vega" befand sich 67,7« n. Br. und 173,5° söll. L.
im nördlichsten Theile' der Beringstraße, 3 Seemeilen von der Landspitze Serdze-
Kamen und nnr 115 Seemeilen von der Beringstraße selbst entfernt. Die
„Vega" wurde auf einem Grundeisblock von 40 Meter Länge und 25 Meter


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[0503] fahrt der „Vega", die hier vielfach auf seichtes Fahrwasser traf, eine nicht un¬ wesentliche Berichtigung geschaffen. Erst an der Stelle, wo die Küste ihren nordsüdlichen Verlauf mit einem westöstlichen vertauscht, dursten die beiden Fahrzeuge „Vega" und „Lena" sich etwas mehr vom Gestade entfernen und er¬ reichten am 27. August die Mündung der Lena. Was also den siebenjährigen Anstrengungen der Russen nicht gelungen war, den Jenissei mit der Lena zu verbinden, das hatten die schwedischen Seefahrer in 17 Tagen geleistet. Da günstiger Wind und offenes Meer eine ungehinderte Weiterfahrt ver¬ sprachen, so führte Nordenskjöld seine ursprüngliche Absicht, die „Vega" hier vor Anker gehen zu lassen, nicht aus, sondern fuhr unmittelbar nach der Trennung von der „Lena" in östlicher Richtung weiter. Die Nachrichten, welche durch Vermittlung dieses Fahrzeuges der Telegraph am 16. October von Jakutsk aus brachte, waren für längere Zeit das letzte Lebenszeichen von der unterdeß rüstig vorwärts dringenden Expedition. Der 30. August fand sie bei Ostrowa Bischnij, der südlichsten unter den neusibirischen Inseln, der 3. September zwischen den Bäreninseln vor der Mündung der Kolyma. Aber während sich das Schiff bisher in ziemlicher Entfernung von der Küste halten konnte, wurde es bereits mehrere Meilen östlich von den Bäreninseln von undurchdringlichen Eismassen gezwungen, am Gestade entlang zu steuern, und am 8. September, östlich voll der Tschannbucht, wurde auch auf dieser Route Nebel und Eis so hinderlich, daß mehrere Tage vor Anker gegangen werden mußte. Diese Zwischenzeit wurde durch eine Landexpedition zu den Tschukschen ausgefüllt. Von nun an ging die Fahrt nur noch langsam und oft mit mehrtägigen Unterbrechungen von Statten; gerne Hütte Nordenskjöld noch die wenigen Meilen bis zur Bering- straße zurückgelegt, indeß die Temperatur sank zusehends, und bald bedeckte sich das Meer mit neugebildeten Eise, das zwar allein die Fahrt nicht hätte hemmen können, sie aber doch auf die Dauer deshalb unmöglich machte, weil es die vor der Küste liegenden Treibeisfelder zu einem festen Damme verband. Auch die Hoffnung, daß günstigere Temperaturverhnltnifse das Schiff die geringe Entfer¬ nung bis zur Beringstraße würden vollenden lassen, erfüllte sich nicht, und so mußte man sich, für den Augenblick freilich stark enttäuscht, dazu entschließen, die Ueberwinterung vorzubereiten. Man braucht nur einen Blick auf die Karte zu thun, um Nordenskjöld zu begreifen, wenn er schreibt: „Dieses Festfrieren so nahe dem Ziele ist das Mißgeschick gewesen, mit welchem ich mich während aller meiner Eisfahrten am schwersten aussöhnen konnte." Der Winterhafen der „Vega" befand sich 67,7« n. Br. und 173,5° söll. L. im nördlichsten Theile' der Beringstraße, 3 Seemeilen von der Landspitze Serdze- Kamen und nnr 115 Seemeilen von der Beringstraße selbst entfernt. Die „Vega" wurde auf einem Grundeisblock von 40 Meter Länge und 25 Meter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/503>, abgerufen am 22.07.2024.