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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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sie nun auf agricolem oder bucolischem Boden, außerhalb oder innerhalb der Alpen
leben, für literarische Genüsse, die ihnen ihre Landsleute bieten, nur wenig empfäng¬
lich sind; denn das ganze Leben ist mit den Freuden des Wirthshauses, mit Billard,
Kegelschieben, Tarok, sowie mit Jagd, Fischerei und Eisschießen derart ausgeschmückt,
daß sich Niemand langweilt". Er meint, daß die Baiern, wenn sie auf die Tiroler
und diese, wenn sie ans jene sehen, wenigstens den Trost haben, "daß die einen so
schlecht daran sind, wie die anderen, und sich die Baiern so am tirolischen Halse
wie die Tiroler sich am baierischen Halse ausweinen können/' Von besonderem
Werth ist das Capitel "Die baierische Lethe, Erinnerungen eines Münchner Autors",
in welchem Steub über sein Leben und seine literarische Laufbahn berichtet. Es
ist nicht ohne einen Zug von Bitterkeit über mangelnde Anerkennung geschrieben,
der uns, die wir Steubs schriftstellerische Leistungen und zumal seine unbestreitbaren
Verdienste um die deutsche Alpenwelt zu schätzen wissen, peinlich berührt. Möge
das hübsch ausgestattete Buch eine freundliche Aufnahme finden.


Wald, Klima und Wasser. Von Lorenz von Liburnau. 29, Band der
Naturwissenschaftlichen Volksbibliothek: "Die Naturkräfte". München, Oldenbourg,
1880.

Je mehr über den Einfluß des Waldes auf das Klima und die Wassermenge
der Wisse gestritten wird und selbst unter Fachleuten bei dem Maugel einer genü¬
genden Menge excictcr und über eine größere Reihe von Jahren sich erstreckender
Messungen gestritten wird, umsomehr ist eine gründliche, auf das vorhandene Mate¬
rial sich stützende und methodisch verfahrende Untersuchung der Frage besonders für
das größere Publikum, das dabei sehr interessirt ist, zu wünschen. Diesem Wunsche
kommt die vorliegende Schrift entgegen. Die Darstellung ist populär und zwar im
besseren Sinne, sie giebt nicht bloß mit schönen Redensarten ausgeschmückte Unter-
suchungsrcsultate, sondern führt alle Daten vor und setzt den Leser in den Stand,
sich auf Grund dieser Daten und nach Anleitung der naturwissenschaftlichen Methode
ein eigenes Urtheil zu bilden.

Das Resultat, zu dem die Schrift gelangt, ist kurz folgendes. Die Abnahme
des niedrigsten und die Zunahme des höchsten Wasserstandes der Flüsse ist nicht
zu leugnen; mit anderen Worten: die Möglichkeit der Ueberfluthung und die Zahl
der Ueberfluthungen ist gestiegen. In wie weit die Entwaldung dabei von Einfluß
ist, ist mit Sicherheit noch nicht anzugeben. Jedenfalls steht so viel fest, daß die
Wälder dadurch nützlich werden, daß sie ans geneigtem Terrain die Abschwemmung
des Bodens vermindern, bis zu einem gewissen Grade die Abflüsse der Niederschläge
verlangsamen und die rasche Berdampfnug der durch sie fließenden Wasseradern,
Bäche und Flüsse verhindern und somit in wasserarmen Zeiten den Flüssen einen
nachhaltigerem Tribut zuschicken, als es das Freiland unter übrigens gleichen Um¬
ständen thun würde. Als Schlußabschnitt hat der Verfasser (Ministerialrath im
österreichischen Ackerbauministerium) beherzigungswerthe Folgerungen für die Forst¬
gesetzgebung beigegeben.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L> Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

sie nun auf agricolem oder bucolischem Boden, außerhalb oder innerhalb der Alpen
leben, für literarische Genüsse, die ihnen ihre Landsleute bieten, nur wenig empfäng¬
lich sind; denn das ganze Leben ist mit den Freuden des Wirthshauses, mit Billard,
Kegelschieben, Tarok, sowie mit Jagd, Fischerei und Eisschießen derart ausgeschmückt,
daß sich Niemand langweilt". Er meint, daß die Baiern, wenn sie auf die Tiroler
und diese, wenn sie ans jene sehen, wenigstens den Trost haben, „daß die einen so
schlecht daran sind, wie die anderen, und sich die Baiern so am tirolischen Halse
wie die Tiroler sich am baierischen Halse ausweinen können/' Von besonderem
Werth ist das Capitel „Die baierische Lethe, Erinnerungen eines Münchner Autors",
in welchem Steub über sein Leben und seine literarische Laufbahn berichtet. Es
ist nicht ohne einen Zug von Bitterkeit über mangelnde Anerkennung geschrieben,
der uns, die wir Steubs schriftstellerische Leistungen und zumal seine unbestreitbaren
Verdienste um die deutsche Alpenwelt zu schätzen wissen, peinlich berührt. Möge
das hübsch ausgestattete Buch eine freundliche Aufnahme finden.


Wald, Klima und Wasser. Von Lorenz von Liburnau. 29, Band der
Naturwissenschaftlichen Volksbibliothek: „Die Naturkräfte". München, Oldenbourg,
1880.

Je mehr über den Einfluß des Waldes auf das Klima und die Wassermenge
der Wisse gestritten wird und selbst unter Fachleuten bei dem Maugel einer genü¬
genden Menge excictcr und über eine größere Reihe von Jahren sich erstreckender
Messungen gestritten wird, umsomehr ist eine gründliche, auf das vorhandene Mate¬
rial sich stützende und methodisch verfahrende Untersuchung der Frage besonders für
das größere Publikum, das dabei sehr interessirt ist, zu wünschen. Diesem Wunsche
kommt die vorliegende Schrift entgegen. Die Darstellung ist populär und zwar im
besseren Sinne, sie giebt nicht bloß mit schönen Redensarten ausgeschmückte Unter-
suchungsrcsultate, sondern führt alle Daten vor und setzt den Leser in den Stand,
sich auf Grund dieser Daten und nach Anleitung der naturwissenschaftlichen Methode
ein eigenes Urtheil zu bilden.

Das Resultat, zu dem die Schrift gelangt, ist kurz folgendes. Die Abnahme
des niedrigsten und die Zunahme des höchsten Wasserstandes der Flüsse ist nicht
zu leugnen; mit anderen Worten: die Möglichkeit der Ueberfluthung und die Zahl
der Ueberfluthungen ist gestiegen. In wie weit die Entwaldung dabei von Einfluß
ist, ist mit Sicherheit noch nicht anzugeben. Jedenfalls steht so viel fest, daß die
Wälder dadurch nützlich werden, daß sie ans geneigtem Terrain die Abschwemmung
des Bodens vermindern, bis zu einem gewissen Grade die Abflüsse der Niederschläge
verlangsamen und die rasche Berdampfnug der durch sie fließenden Wasseradern,
Bäche und Flüsse verhindern und somit in wasserarmen Zeiten den Flüssen einen
nachhaltigerem Tribut zuschicken, als es das Freiland unter übrigens gleichen Um¬
ständen thun würde. Als Schlußabschnitt hat der Verfasser (Ministerialrath im
österreichischen Ackerbauministerium) beherzigungswerthe Folgerungen für die Forst¬
gesetzgebung beigegeben.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L> Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/448>, abgerufen am 03.07.2024.