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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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er, da Gold und Geld zu geben nicht in seiner Macht steht, durch das Zeichen
des Kreuzes erlöst." Vasari wirst hier offenbar die Bilder etwas durcheinander,
indem er die Predigt Petri, die eins der Wandbilder ist, zwischen zweien der
Lttnettenbilder nennt. Leider aber sind alle drei Lünetten- und alle vier Decken¬
gemälde untergegangen, so daß von den Darstellungen, die Vasari dem Masolino
zuschreibt, uur die beiden Wandbilder, nämlich die Predigt Petri und daß große
Doppelbild, welches die Heilung des Kranken und die Erweckung der Petrouilla
(von Anderen Tabitha genannt) darstellt, erhalten sind. Gerade diese beiden
sind aber die am meisten umstrittenen Bilder; denn die übrigen, von Vasari
dem Masaccio zugeschriebenen Darstellungen werden von allen als Werke des
jüngeren, größeren Meisters anerkannt, und nur von den beiden oberen Außen-
pfeiler-Bildern, welche Vasari nicht nennt, hat man, nach Analogie seiner Ver-
theilung, den Sündenfall ebenfalls dem Masolino, die Vertreibung aus dem
Paradiese ebenfalls dem Masaccio zugeschrieben. In Bezug auf diese Einzel-
Beurtheilung sind aber Crowe und Cavalcaselle in ihrer berühmten "Geschichte
der italienischen Malerei" dem Vasari entgegengetreten. Gestützt auf jene in¬
schriftlich beglaubigten Werke des Masolino in Castiglione d'Oloua, haben sie die
Ansicht vertheidigt, Albertini habe zwar Recht gehabt, die Hälfte der Gemälde
der Brcmcacci-Capelle dem Masoliuo zuzuschreiben, und Vasari habe auch Recht
gehabt, die Hand dieses älteren Meisters in den (leider untergegangenen) sieben
Decken- und Lünettenbildern zu erkennen, aber er habe sich geirrt, als er die
genannten beiden Wandbilder, die Predigt Petri und das sogenannte Peteronilla-
bild dein Masolino zugetheilt habe; vielmehr rührten diese Gemälde, wie alle
nicht von Filippino gemalten Wandbilder und Außenpfeilerbilder der
Capelle von Masaccio selbst her. Und da jene Darstellungen Masolinos in
Castiglione wahrscheinlich später gemalt. worden sind als die ihm von Vasari
in Florenz zugeschriebenen, höchstens ziemlich gleichzeitig, trotzdem aber in Bezug
auf alle perspektivischen und malerischen Errungenschaften, nach denen die
italienischen Künstler damals rangen, weit primitiver erscheinen, so fand die Ansicht
Crowes und Cavalcaselles vielen Beifall. Sie schien sogar die herrschende
werden zu wollen, als gewichtige Stimmen ihr entgegentraten und die Richtig¬
keit von Vasaris Angaben in Bezug auf die Brancacci-Capelle aufs neue ver¬
theidigten: so Ernst Foerfter in seiner "Geschichte der italienischen Kunst" (1872);
so F. G. Knudtzon in seiner dänisch geschriebenen Biographie Masaccios (1875);
so M. Thausing in einem schneidigen Aufsatze in der Lützow'schen "Zeitschrift
für bildende Kunst" (1876). Andere hielten freilich an der von Crowe und
Cavalcaselle begründeten Ansicht fest: so W. Lübke noch in seiner "Geschichte
der italienischen Malerei" (1878), so W. Bode noch in der neuesten Auflage
von Burckhardts "Cicerone" (1879); und auch ich selbst hatte in meiner Lebens-


er, da Gold und Geld zu geben nicht in seiner Macht steht, durch das Zeichen
des Kreuzes erlöst." Vasari wirst hier offenbar die Bilder etwas durcheinander,
indem er die Predigt Petri, die eins der Wandbilder ist, zwischen zweien der
Lttnettenbilder nennt. Leider aber sind alle drei Lünetten- und alle vier Decken¬
gemälde untergegangen, so daß von den Darstellungen, die Vasari dem Masolino
zuschreibt, uur die beiden Wandbilder, nämlich die Predigt Petri und daß große
Doppelbild, welches die Heilung des Kranken und die Erweckung der Petrouilla
(von Anderen Tabitha genannt) darstellt, erhalten sind. Gerade diese beiden
sind aber die am meisten umstrittenen Bilder; denn die übrigen, von Vasari
dem Masaccio zugeschriebenen Darstellungen werden von allen als Werke des
jüngeren, größeren Meisters anerkannt, und nur von den beiden oberen Außen-
pfeiler-Bildern, welche Vasari nicht nennt, hat man, nach Analogie seiner Ver-
theilung, den Sündenfall ebenfalls dem Masolino, die Vertreibung aus dem
Paradiese ebenfalls dem Masaccio zugeschrieben. In Bezug auf diese Einzel-
Beurtheilung sind aber Crowe und Cavalcaselle in ihrer berühmten „Geschichte
der italienischen Malerei" dem Vasari entgegengetreten. Gestützt auf jene in¬
schriftlich beglaubigten Werke des Masolino in Castiglione d'Oloua, haben sie die
Ansicht vertheidigt, Albertini habe zwar Recht gehabt, die Hälfte der Gemälde
der Brcmcacci-Capelle dem Masoliuo zuzuschreiben, und Vasari habe auch Recht
gehabt, die Hand dieses älteren Meisters in den (leider untergegangenen) sieben
Decken- und Lünettenbildern zu erkennen, aber er habe sich geirrt, als er die
genannten beiden Wandbilder, die Predigt Petri und das sogenannte Peteronilla-
bild dein Masolino zugetheilt habe; vielmehr rührten diese Gemälde, wie alle
nicht von Filippino gemalten Wandbilder und Außenpfeilerbilder der
Capelle von Masaccio selbst her. Und da jene Darstellungen Masolinos in
Castiglione wahrscheinlich später gemalt. worden sind als die ihm von Vasari
in Florenz zugeschriebenen, höchstens ziemlich gleichzeitig, trotzdem aber in Bezug
auf alle perspektivischen und malerischen Errungenschaften, nach denen die
italienischen Künstler damals rangen, weit primitiver erscheinen, so fand die Ansicht
Crowes und Cavalcaselles vielen Beifall. Sie schien sogar die herrschende
werden zu wollen, als gewichtige Stimmen ihr entgegentraten und die Richtig¬
keit von Vasaris Angaben in Bezug auf die Brancacci-Capelle aufs neue ver¬
theidigten: so Ernst Foerfter in seiner „Geschichte der italienischen Kunst" (1872);
so F. G. Knudtzon in seiner dänisch geschriebenen Biographie Masaccios (1875);
so M. Thausing in einem schneidigen Aufsatze in der Lützow'schen „Zeitschrift
für bildende Kunst" (1876). Andere hielten freilich an der von Crowe und
Cavalcaselle begründeten Ansicht fest: so W. Lübke noch in seiner „Geschichte
der italienischen Malerei" (1878), so W. Bode noch in der neuesten Auflage
von Burckhardts „Cicerone" (1879); und auch ich selbst hatte in meiner Lebens-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/330>, abgerufen am 25.08.2024.