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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Prädicat genügender allgemeiner Bildung geben zu können. Da aller nicht alle
Schulräthe oder Prüfungsdirectoren eine gleiche Rücksicht walten lassen werden,
so würde es besser sein, constitutionelle Bestimmungen zu treffen, durch welche
Alle an derselben Wohlthat Theil nehmen können.

Bedarf es kaum des weiteren Nachweises, daß der einsprachige Unter¬
richt für die Bildung im Allgemeinen vortheilhafter ist als der zweisprachige,
indem er solider, dauerhafter, liefergehend ist als der mühsam und obenhin
eingepaukte, nur für das Examen berechnete, fo müssen wir aber auch noch
eines anderen sehr bedeutenden Vortheils gedenken, der aus der erwähnten
Beschränkung sich gewinnen ließe, eines Vortheils, der damit zusammenhängt, daß
unsere höheren Schulen in den mittleren Classen schon nicht umhin können, in
zwei, bez. drei fremden Sprachen Unterricht zu gewähren. Warum sie dies zu
thun nicht umhin können, es also mit vollem Rechte thun, ist hier nicht der
Ort auseinanderzusetzen. Es werden aber unsere höheren Schulen, seitdem sie
anch als Vorbildungsanstalten für Aspiranten des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes
dienen, von einer bald größeren, bald geringeren Menge solcher Schüler über-
fluthet, die nicht das Zeug und auch nicht das Bestreben haben, das Abgangs¬
examen aus der obersten Classen zu bestehe", und die, weil sie sich nur durch
das Gewicht ihres Alters oder ihrer Leiber oder durch den Einfluß ihres
Geldbeutels bis Untersecunda durchzudrücken nöthig haben, als träger Ballast
in den mittleren Classen der höheren Schulen einen unvergütbaren Schaden
stiften. Sind einige Schulen auch in der Lage, daß sie diesen Ballast vom
Vordringen aus den unteren Classen in die mittleren abwehren und ihn aus¬
stoßen können, so giebt es doch nach unserer Erfahrung auch andere, die so
wenig Ueberfluß an guten Schülern haben, daß sie Alles, was sich meldet, auf-
nehmen, nur um ihre Bänke zu füllen. Was aber das Fallstaffsche Corps
zwischen guten Soldaten sein würde, das sind jene ballastmäßigen Burschen,
besonders wenn sie gut mit Taschengeld versehen sind, unter den guten und
strebsamen Schülern. Der Unterricht und die Schulzucht leiden gleichmäßig
durch ihre Anwesenheit; in jenem wird die Oberflächlichkeit und der Gedächtni߬
kram vorherrschend, in dieser wird noch Schlimmeres angerichtet. Diesem Uebel
könnte zum größten Theil abgeholfen, unsere Schulen könnten aus Drillanstalten
wieder zu geistbildenden Unterrichtsanstalten gemacht werden, wenn dein Ballast
vergönnt wäre, statt Lateinisch, Griechisch und Französisch, oder Lateinisch,
Englisch und Französisch für die Ehre des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes nur
eine dieser Sprachen nöthig zu haben.




Prädicat genügender allgemeiner Bildung geben zu können. Da aller nicht alle
Schulräthe oder Prüfungsdirectoren eine gleiche Rücksicht walten lassen werden,
so würde es besser sein, constitutionelle Bestimmungen zu treffen, durch welche
Alle an derselben Wohlthat Theil nehmen können.

Bedarf es kaum des weiteren Nachweises, daß der einsprachige Unter¬
richt für die Bildung im Allgemeinen vortheilhafter ist als der zweisprachige,
indem er solider, dauerhafter, liefergehend ist als der mühsam und obenhin
eingepaukte, nur für das Examen berechnete, fo müssen wir aber auch noch
eines anderen sehr bedeutenden Vortheils gedenken, der aus der erwähnten
Beschränkung sich gewinnen ließe, eines Vortheils, der damit zusammenhängt, daß
unsere höheren Schulen in den mittleren Classen schon nicht umhin können, in
zwei, bez. drei fremden Sprachen Unterricht zu gewähren. Warum sie dies zu
thun nicht umhin können, es also mit vollem Rechte thun, ist hier nicht der
Ort auseinanderzusetzen. Es werden aber unsere höheren Schulen, seitdem sie
anch als Vorbildungsanstalten für Aspiranten des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes
dienen, von einer bald größeren, bald geringeren Menge solcher Schüler über-
fluthet, die nicht das Zeug und auch nicht das Bestreben haben, das Abgangs¬
examen aus der obersten Classen zu bestehe», und die, weil sie sich nur durch
das Gewicht ihres Alters oder ihrer Leiber oder durch den Einfluß ihres
Geldbeutels bis Untersecunda durchzudrücken nöthig haben, als träger Ballast
in den mittleren Classen der höheren Schulen einen unvergütbaren Schaden
stiften. Sind einige Schulen auch in der Lage, daß sie diesen Ballast vom
Vordringen aus den unteren Classen in die mittleren abwehren und ihn aus¬
stoßen können, so giebt es doch nach unserer Erfahrung auch andere, die so
wenig Ueberfluß an guten Schülern haben, daß sie Alles, was sich meldet, auf-
nehmen, nur um ihre Bänke zu füllen. Was aber das Fallstaffsche Corps
zwischen guten Soldaten sein würde, das sind jene ballastmäßigen Burschen,
besonders wenn sie gut mit Taschengeld versehen sind, unter den guten und
strebsamen Schülern. Der Unterricht und die Schulzucht leiden gleichmäßig
durch ihre Anwesenheit; in jenem wird die Oberflächlichkeit und der Gedächtni߬
kram vorherrschend, in dieser wird noch Schlimmeres angerichtet. Diesem Uebel
könnte zum größten Theil abgeholfen, unsere Schulen könnten aus Drillanstalten
wieder zu geistbildenden Unterrichtsanstalten gemacht werden, wenn dein Ballast
vergönnt wäre, statt Lateinisch, Griechisch und Französisch, oder Lateinisch,
Englisch und Französisch für die Ehre des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes nur
eine dieser Sprachen nöthig zu haben.




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[0302] Prädicat genügender allgemeiner Bildung geben zu können. Da aller nicht alle Schulräthe oder Prüfungsdirectoren eine gleiche Rücksicht walten lassen werden, so würde es besser sein, constitutionelle Bestimmungen zu treffen, durch welche Alle an derselben Wohlthat Theil nehmen können. Bedarf es kaum des weiteren Nachweises, daß der einsprachige Unter¬ richt für die Bildung im Allgemeinen vortheilhafter ist als der zweisprachige, indem er solider, dauerhafter, liefergehend ist als der mühsam und obenhin eingepaukte, nur für das Examen berechnete, fo müssen wir aber auch noch eines anderen sehr bedeutenden Vortheils gedenken, der aus der erwähnten Beschränkung sich gewinnen ließe, eines Vortheils, der damit zusammenhängt, daß unsere höheren Schulen in den mittleren Classen schon nicht umhin können, in zwei, bez. drei fremden Sprachen Unterricht zu gewähren. Warum sie dies zu thun nicht umhin können, es also mit vollem Rechte thun, ist hier nicht der Ort auseinanderzusetzen. Es werden aber unsere höheren Schulen, seitdem sie anch als Vorbildungsanstalten für Aspiranten des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes dienen, von einer bald größeren, bald geringeren Menge solcher Schüler über- fluthet, die nicht das Zeug und auch nicht das Bestreben haben, das Abgangs¬ examen aus der obersten Classen zu bestehe», und die, weil sie sich nur durch das Gewicht ihres Alters oder ihrer Leiber oder durch den Einfluß ihres Geldbeutels bis Untersecunda durchzudrücken nöthig haben, als träger Ballast in den mittleren Classen der höheren Schulen einen unvergütbaren Schaden stiften. Sind einige Schulen auch in der Lage, daß sie diesen Ballast vom Vordringen aus den unteren Classen in die mittleren abwehren und ihn aus¬ stoßen können, so giebt es doch nach unserer Erfahrung auch andere, die so wenig Ueberfluß an guten Schülern haben, daß sie Alles, was sich meldet, auf- nehmen, nur um ihre Bänke zu füllen. Was aber das Fallstaffsche Corps zwischen guten Soldaten sein würde, das sind jene ballastmäßigen Burschen, besonders wenn sie gut mit Taschengeld versehen sind, unter den guten und strebsamen Schülern. Der Unterricht und die Schulzucht leiden gleichmäßig durch ihre Anwesenheit; in jenem wird die Oberflächlichkeit und der Gedächtni߬ kram vorherrschend, in dieser wird noch Schlimmeres angerichtet. Diesem Uebel könnte zum größten Theil abgeholfen, unsere Schulen könnten aus Drillanstalten wieder zu geistbildenden Unterrichtsanstalten gemacht werden, wenn dein Ballast vergönnt wäre, statt Lateinisch, Griechisch und Französisch, oder Lateinisch, Englisch und Französisch für die Ehre des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes nur eine dieser Sprachen nöthig zu haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/302>, abgerufen am 22.07.2024.