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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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herzoglichen Mandat die Vollmacht verliehen wurde, "jede Gewalt und Muth¬
willen ohne weitere Rechtsersuchung xroxria Mtoriwts, aus eigener Gewalt zu
rächen und zu vindiciren", so oft der Herzog oder dessen Nachfolger ihm nicht
schleunig die verlangte Genugthuung verschaffen würde. Als es endlich dem
gräflichen Doctor der Theologie in Königsberg nicht mehr geheuer schien, da
seine Gegner vor die rechte Schmiede gingen, nämlich zum König von Polen,
so brachte er sich und ein gutes Stück Geld noch zu rechter Zeit in Sicherheit.
Aber selbst jetzt noch, auf der Flucht, fetzte er sein Fälscherhandwerk fort: er
verfertigte einen Brief, worin ihn angeblich Herzog Albrecht allen Behörden
zur Unterstützung seiner Pläne empfahl, ferner eine Legitimation, die ihn als
Gesandten des Herzogs, der auf fein Betreiben wieder zur katholischen Kirche
zurückgekehrt sei, an Papst Pius IV. darstellte, endlich eine herzogliche Instruc-
tion über gewisse Missionen, die Scalich am französischen Hofe zu vollführen
habe. Dem harmlosen Herzog aber schrieb er noch von Paris aus, wo er im
Interesse desselben erfolgreich thätig zu fein behauptete, und wagte dafür noch
immer um Geldzuschuß zu bitten. Das Gericht, welches 1566 über seine Königs¬
berger Freunde mit blutiger Strenge hereinbrach, konnte ihn selbst nicht mehr
ereilen.

Unter diesen Freunden Scalichs tritt besonders der Hofprediger Funck hervor;
er ist es, auf den der Titel unseres Buches ausdrücklich hinweist. Funck und seine
drei Genossen waren angeklagt als novatorss se Mdlic^s xg-vis xkrturbatorss
xMQici08is8im,i (Neuerer und höchst verderbliche Störer des öffentlichen Friedens).
Mißbrauch und Hintergehung des alten Herzogs zur Erschleichung von Privi¬
legien und zur eigenen Bereicherung auf Kosten des Landes, intrigante Ver¬
drängung der früheren obersten Beamten, rechtswidrige und staatsgefährliche
Truppenanwerbung u. tgi. wurde allen vier Angeklagten gemeinsam vorge¬
worfen, dem Hofprediger Funck besonders noch gewaltsame Einführung der
osiandrischen Irrlehre. Wenn auch die Angeklagten ans Furcht vor der Folter
schließlich vielleicht mehr zugaben, als sie wirklich auf dem Gewissen hatten, so
blieb immerhin noch Vieles gewiß mit Recht auf ihnen sitzen. Der Herzog aber
war nicht mehr stark genug, um seine gefährdeten Diener und Günstlinge gegen
den Haß der einheimischen Gegner und die rücksichtslose Selbständigkeit der
polnischen Untersuchungscommission zu schützen. Am 28. October 1563 wurde
das Todesurtheil über sie ausgesprochen und vollzogen.

Unter den Streitpunkten erfährt in dem vorliegenden Buche der kirchliche
natürlich die eingehendste Berücksichtigung. Er erklärt sich dies nicht bloß aus
der kirchlichen Stellung des Verfassers, sondern auch aus der Bedeutung, die
jene Frage in den Augen der Zeitgenossen hatte. Es handelte sich dabei um
die Lehre von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Der Nürnberger


herzoglichen Mandat die Vollmacht verliehen wurde, „jede Gewalt und Muth¬
willen ohne weitere Rechtsersuchung xroxria Mtoriwts, aus eigener Gewalt zu
rächen und zu vindiciren", so oft der Herzog oder dessen Nachfolger ihm nicht
schleunig die verlangte Genugthuung verschaffen würde. Als es endlich dem
gräflichen Doctor der Theologie in Königsberg nicht mehr geheuer schien, da
seine Gegner vor die rechte Schmiede gingen, nämlich zum König von Polen,
so brachte er sich und ein gutes Stück Geld noch zu rechter Zeit in Sicherheit.
Aber selbst jetzt noch, auf der Flucht, fetzte er sein Fälscherhandwerk fort: er
verfertigte einen Brief, worin ihn angeblich Herzog Albrecht allen Behörden
zur Unterstützung seiner Pläne empfahl, ferner eine Legitimation, die ihn als
Gesandten des Herzogs, der auf fein Betreiben wieder zur katholischen Kirche
zurückgekehrt sei, an Papst Pius IV. darstellte, endlich eine herzogliche Instruc-
tion über gewisse Missionen, die Scalich am französischen Hofe zu vollführen
habe. Dem harmlosen Herzog aber schrieb er noch von Paris aus, wo er im
Interesse desselben erfolgreich thätig zu fein behauptete, und wagte dafür noch
immer um Geldzuschuß zu bitten. Das Gericht, welches 1566 über seine Königs¬
berger Freunde mit blutiger Strenge hereinbrach, konnte ihn selbst nicht mehr
ereilen.

Unter diesen Freunden Scalichs tritt besonders der Hofprediger Funck hervor;
er ist es, auf den der Titel unseres Buches ausdrücklich hinweist. Funck und seine
drei Genossen waren angeklagt als novatorss se Mdlic^s xg-vis xkrturbatorss
xMQici08is8im,i (Neuerer und höchst verderbliche Störer des öffentlichen Friedens).
Mißbrauch und Hintergehung des alten Herzogs zur Erschleichung von Privi¬
legien und zur eigenen Bereicherung auf Kosten des Landes, intrigante Ver¬
drängung der früheren obersten Beamten, rechtswidrige und staatsgefährliche
Truppenanwerbung u. tgi. wurde allen vier Angeklagten gemeinsam vorge¬
worfen, dem Hofprediger Funck besonders noch gewaltsame Einführung der
osiandrischen Irrlehre. Wenn auch die Angeklagten ans Furcht vor der Folter
schließlich vielleicht mehr zugaben, als sie wirklich auf dem Gewissen hatten, so
blieb immerhin noch Vieles gewiß mit Recht auf ihnen sitzen. Der Herzog aber
war nicht mehr stark genug, um seine gefährdeten Diener und Günstlinge gegen
den Haß der einheimischen Gegner und die rücksichtslose Selbständigkeit der
polnischen Untersuchungscommission zu schützen. Am 28. October 1563 wurde
das Todesurtheil über sie ausgesprochen und vollzogen.

Unter den Streitpunkten erfährt in dem vorliegenden Buche der kirchliche
natürlich die eingehendste Berücksichtigung. Er erklärt sich dies nicht bloß aus
der kirchlichen Stellung des Verfassers, sondern auch aus der Bedeutung, die
jene Frage in den Augen der Zeitgenossen hatte. Es handelte sich dabei um
die Lehre von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Der Nürnberger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/290>, abgerufen am 22.07.2024.