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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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der doch für den wirthschaftlichen Aufschwung des Reiches von der größten
Bedeutung werden könnte und den das Reich nicht für alle Zukunft entbehren
kann, ohne sich für immer zur wirthschaftlichen Jnferioritüt zu verurtheilen.
Hamburg ist ein Hafen für den Import nach Deutschland und nach anderen
Ländern, nicht für den Export aus Deutschland. Dies sagt Alles. Soll nun
das Reich ans immer darauf verzichte", wenigstens aus dem an der Elbmündung
ebenfalls gelegenen Mona einen Hafen für seinen Export zu machen?

So steht die Frage. Man kann gern zugeben, daß mit Monas Eintritt
in die Reichszollgrenze anch die Freihafenstellung Hamburgs gebrochen ist.
Auch muß man festhalten, daß diese Stellung eine Anomalie war. Ihre Mög¬
lichkeit beruhte auf der Zerrissenheit Deutschland einerseits und auf der unvoll¬
kommenen Durchführung der nationalen Handelspolitik vieler außerdeutscher
Länder andererseits. Eine isolirte Stadt kann sich heute nicht als Welthandels¬
ort behaupten. Hamburg als Freihafen wäre nur unter der Bedingung für
die Zukunft denkbar, daß es zum Freihafenbezirk das deutsche Reich erhielte.
Wir meinen dies so, daß Deutschland bei seiner Zwischenlage den Weg ergriffen
hätte, seine nationale Wirthschaft wesentlich auf Spedition, Durchgangsverkehr
und Zwischenhandel zu stellen. In der "Hamburger Börsenhalle", einem zu
Zeiten sehr intelligent redigirten Blatte, ist mehr als einmal der Gedanke
erörtert worden, ob die reichen Handelsherren nicht alle bestehenden Zölle
sie waren damals niedrig -- in Form directer Steuern auf sich nehmen
sollten, um dem völlig unbehinderten Handel den größten Aufschwung zu sicherm
Der Gedanke kann einen Staatsmann wohl beschäftigen und wird auch den
Reichskanzler beschäftigt haben. Aber nach einiger Prüfung können nicht zwei
verständige Leute über die UnthunliclM verschiedener Meinung sein. Sobald
die Unthunlichkeit eingesehen war, mußte Deutschland die Halbheit aufgeben und
das System des mäßigen Zollschutzes adoptiren. Mit diesem System ist die
Freihafenstellung der Hansestädte auf die Dauer nicht vereinbar. Sie werden
mit derselben zum fremden Körper im Reich und entziehen dem Handel des
letzteren die natürlichen Ausgangsthore. Die Hansestädte konnten nur das
Reich für ihr Handelsprincip erobern, oder sie müssen, nachdem die Unmöglich¬
keit dieser Eroberung zu Tage liegt, vom Reiche erobert werden. Darüber mag
noch eine längere Zeit hingehen. Sich aber auf diesen Ausgang nicht vor¬
b ereiten, wäre schädliche Verblendung.




der doch für den wirthschaftlichen Aufschwung des Reiches von der größten
Bedeutung werden könnte und den das Reich nicht für alle Zukunft entbehren
kann, ohne sich für immer zur wirthschaftlichen Jnferioritüt zu verurtheilen.
Hamburg ist ein Hafen für den Import nach Deutschland und nach anderen
Ländern, nicht für den Export aus Deutschland. Dies sagt Alles. Soll nun
das Reich ans immer darauf verzichte«, wenigstens aus dem an der Elbmündung
ebenfalls gelegenen Mona einen Hafen für seinen Export zu machen?

So steht die Frage. Man kann gern zugeben, daß mit Monas Eintritt
in die Reichszollgrenze anch die Freihafenstellung Hamburgs gebrochen ist.
Auch muß man festhalten, daß diese Stellung eine Anomalie war. Ihre Mög¬
lichkeit beruhte auf der Zerrissenheit Deutschland einerseits und auf der unvoll¬
kommenen Durchführung der nationalen Handelspolitik vieler außerdeutscher
Länder andererseits. Eine isolirte Stadt kann sich heute nicht als Welthandels¬
ort behaupten. Hamburg als Freihafen wäre nur unter der Bedingung für
die Zukunft denkbar, daß es zum Freihafenbezirk das deutsche Reich erhielte.
Wir meinen dies so, daß Deutschland bei seiner Zwischenlage den Weg ergriffen
hätte, seine nationale Wirthschaft wesentlich auf Spedition, Durchgangsverkehr
und Zwischenhandel zu stellen. In der „Hamburger Börsenhalle", einem zu
Zeiten sehr intelligent redigirten Blatte, ist mehr als einmal der Gedanke
erörtert worden, ob die reichen Handelsherren nicht alle bestehenden Zölle
sie waren damals niedrig — in Form directer Steuern auf sich nehmen
sollten, um dem völlig unbehinderten Handel den größten Aufschwung zu sicherm
Der Gedanke kann einen Staatsmann wohl beschäftigen und wird auch den
Reichskanzler beschäftigt haben. Aber nach einiger Prüfung können nicht zwei
verständige Leute über die UnthunliclM verschiedener Meinung sein. Sobald
die Unthunlichkeit eingesehen war, mußte Deutschland die Halbheit aufgeben und
das System des mäßigen Zollschutzes adoptiren. Mit diesem System ist die
Freihafenstellung der Hansestädte auf die Dauer nicht vereinbar. Sie werden
mit derselben zum fremden Körper im Reich und entziehen dem Handel des
letzteren die natürlichen Ausgangsthore. Die Hansestädte konnten nur das
Reich für ihr Handelsprincip erobern, oder sie müssen, nachdem die Unmöglich¬
keit dieser Eroberung zu Tage liegt, vom Reiche erobert werden. Darüber mag
noch eine längere Zeit hingehen. Sich aber auf diesen Ausgang nicht vor¬
b ereiten, wäre schädliche Verblendung.




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[0265] der doch für den wirthschaftlichen Aufschwung des Reiches von der größten Bedeutung werden könnte und den das Reich nicht für alle Zukunft entbehren kann, ohne sich für immer zur wirthschaftlichen Jnferioritüt zu verurtheilen. Hamburg ist ein Hafen für den Import nach Deutschland und nach anderen Ländern, nicht für den Export aus Deutschland. Dies sagt Alles. Soll nun das Reich ans immer darauf verzichte«, wenigstens aus dem an der Elbmündung ebenfalls gelegenen Mona einen Hafen für seinen Export zu machen? So steht die Frage. Man kann gern zugeben, daß mit Monas Eintritt in die Reichszollgrenze anch die Freihafenstellung Hamburgs gebrochen ist. Auch muß man festhalten, daß diese Stellung eine Anomalie war. Ihre Mög¬ lichkeit beruhte auf der Zerrissenheit Deutschland einerseits und auf der unvoll¬ kommenen Durchführung der nationalen Handelspolitik vieler außerdeutscher Länder andererseits. Eine isolirte Stadt kann sich heute nicht als Welthandels¬ ort behaupten. Hamburg als Freihafen wäre nur unter der Bedingung für die Zukunft denkbar, daß es zum Freihafenbezirk das deutsche Reich erhielte. Wir meinen dies so, daß Deutschland bei seiner Zwischenlage den Weg ergriffen hätte, seine nationale Wirthschaft wesentlich auf Spedition, Durchgangsverkehr und Zwischenhandel zu stellen. In der „Hamburger Börsenhalle", einem zu Zeiten sehr intelligent redigirten Blatte, ist mehr als einmal der Gedanke erörtert worden, ob die reichen Handelsherren nicht alle bestehenden Zölle sie waren damals niedrig — in Form directer Steuern auf sich nehmen sollten, um dem völlig unbehinderten Handel den größten Aufschwung zu sicherm Der Gedanke kann einen Staatsmann wohl beschäftigen und wird auch den Reichskanzler beschäftigt haben. Aber nach einiger Prüfung können nicht zwei verständige Leute über die UnthunliclM verschiedener Meinung sein. Sobald die Unthunlichkeit eingesehen war, mußte Deutschland die Halbheit aufgeben und das System des mäßigen Zollschutzes adoptiren. Mit diesem System ist die Freihafenstellung der Hansestädte auf die Dauer nicht vereinbar. Sie werden mit derselben zum fremden Körper im Reich und entziehen dem Handel des letzteren die natürlichen Ausgangsthore. Die Hansestädte konnten nur das Reich für ihr Handelsprincip erobern, oder sie müssen, nachdem die Unmöglich¬ keit dieser Eroberung zu Tage liegt, vom Reiche erobert werden. Darüber mag noch eine längere Zeit hingehen. Sich aber auf diesen Ausgang nicht vor¬ b ereiten, wäre schädliche Verblendung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/265>, abgerufen am 22.07.2024.